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83 noch nie habe ich den Vater so erhaben, so ergreifend, so menschlich hoch sprechen hören. Ach hättest Du doch diese Stunde mit uns theilen können; er sprach darüber, wie der Mensch durch Armuth, Leiden, Krankheit und Tod zur wahren Größe einer göttlichen Gesinnung sich erheben, und wie vorzüglich am Todtenbette die Stimme Gottes an die Menschheit ergehe. Mit dem Feuer seines großen herrlichen Gemüths sprach der edle Vater diese Worte, Ich schreibe sie Dir, mein Engel, auf jeden Fall ab und schicke sie Dir das nächstem«!, wo ich etwas durch den Fourgon an Dich abgehen laße. Am Ende sangen wir die letzten Verse von: Wie sie so sanft ruhn, und so endigte sich das Leichenbegängniß mit der größten Feierlichkeit und nicht ohne bleibenden Eindruck. . . . Dienstags den 27'°" Oktbr. Heute Nachmittag, liebe, theure Renate, ging ich mit den l. Töchtern in die Trübli. Du kennst die Thuikeres gegen Grandson, dort auf dem freien Platze lagerten wir uns; alle Knaben waren auch mit, alle Lehrer und erwachsenen Fremden, und da erhielten wir denn große Körbe voll Trauben vom benachbarten Weinberge (da wo man nach dem Signal herauf steigt). Es wurde gegeßen, so viel man nur immer wollte; dann gesprungen, gespielt, gesungen, drauf gegen Grandson gegangen, dort den Berg in die Höhe und übers Signal zurück. Es war der erste schöne Nachmittag und Abend nach langem anhaltendem Regen. Die Alpen er glühten prächtig, wir waren alle sehr vergnügt und lustig. Einige Töchter, z. B. Emilie, pfyffcr, Wagner fuhren auf dem See in H. Acker manns Syrene zurück. . . . Samstags den 3h Gktbr. . . . Morgen, meine Renate, werde ich nun nicht predigen, sondern über 8 Tage erst; ich hatte gestern und heute noch außerordentlich viel für H. Iullien zu arbeiten, der morgen früh abreist; der Vater begleitet ihn. Er hat uns sämmtlichen Lehrern heute Abend noch in einer vor trefflichen langen Unterredung alle seine Beobachtungen übers Institut, über seine Mängel und die Mittel, ihnen abzuhelfen, mitgetheilt. Er offen bart sich immer mehr als ein sehr edler, humaner, für das Menschenwohl sich ganz hingebender Mann. Ich schätze und liebe ihn sehr. Er mag mich auch recht gern leiden; ich habe öftere lange Unterredungen mit ihm gehabt und heute noch mußt ich ihm versprechen, alle 2 Monathe ihm bestimmt zu schreiben. . . .H Sontag den st Nov. Ein schöner, heiterer Tag. Am Morgen begleitete ich den lieben, braven Iüllien, welchen der Vater, H. Küster und die liebe Emilie (letztere beide in einem eigenen Ltmr ü eötä) bis nach Lausanne begleiteten. Gegen 9 kam ich zurück. . . . Dienstags den 3' November. In den gegraph. Stunden der Töchter bin ich oft recht heiter und froh; ich suche ihnen das Einüben und Auswendiglernen durch allerhand 9 Auch aus viel späterer Zeit sind Briefe Julliens an Blochmann erhalten. 6'