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74 immer nur von Dir und sagten einander, mit welcher Freude wir morgen auf einen Brief hofften. Dann las ich ihr, der Nanettli und der lVagner den letzten Gesang aus voßens Luise vor. Gegen 4! Uhr dann ging ich mit allen Töchtern und der Jungfer Rasthofer, Frau Rüster, Iungf. Schultheß und Ig. -fff-f Hotze spazieren. Ls war ein herrlicher Abend; wir gingen über Valeire und Lhiez, wo wir die Alpen herrlich erglühen sahen, nach dem Signal von Grandson, wo gerade der Mond in unbeschreiblicher Fracht sich über die Alpen erhob, wir waren alle außerordentlich ver gnügt. Auf dem Rückwege ging ich immer mit der Rasthofer, sprach sehr viel mit ihr und nicht wenig wurde da auch von Dir geredet. . . . Montags den 2s. Sept. . . . Die Rinder sind heute Alle in die Lomödie (S. 69) gegangen, ich aber ging . . dem Tanale zu . . . Dienstags den 22' Septbr. Heute, meine liebe Renate, war das Schloß voll Fremder, unter welchen vorzüglich Liner meine Aufmerksamkeit und meine innigste Teil nahme auf sich zog. Ls ist ein gewisser Herr Lange, ein junger Mann von ungefähr 28 Jahren, Vorsteher eines Lrziehungsinstitutes in Züllichau in Preußen. Mitten in seiner schönsten Laufbahn, wo er eben erst mit Rraft zu wirken beginnt, trifft ihn das unaussprechliche Unglück, sein innig geliebtes Weib, das erst ein Jahr die seine war, zu verlieren. Als er es mir erzählte, traten ihm die Thränen in die Augen und mich ergriff es so gewaltig, daß auch aus den meinen Thränen des Mitleids fielen. Lr hatte sie unaussprechlich geliebt, und hatte die höchste Lrdenseligkeit im Verein mit ihr gefunden, von dem Augenblicke ihres Todes ward er ganz trüb, melancholisch und unfähig zur Fortsetzung seiner Amtsgeschäfte; Die Ärzte riechen ihm dann, seiner eigenen Auflösung durch einige zer streuende Reisen zuvorzukommen; aber ach — sagte der Arme — das Reisen vermag mich nicht zu zerstreuen, wo ich hintrete, wo die Natur in ihrer großen Schönheit mir entgegentritt, da sehe ich nur sie, fühle ich nur sie, und alle Gesellschaft der Menschen ekelt mich an. Jetzt reist der arme verlassene nach Moudon, wo die Familie seiner verstorbenen Frau, einer geborenen Fuaux, wohnt; denn sie war eine Schweizerin, die er in Preußen aber kennen gelernt. H . . . Mittwoch den 23' Septr. Diesen Morgen weckte ich sehr zeitig die Töchter und ging mit ihnen nebst der Iungf. Rasthofer gegen das Signal von Grandson; es ist heute nämlich der Herbstanfang, da geht, wie Du weißt, die Sonne gerade im Ost-Punkte auf und im Westpunkte unter und wandelt den Tag über im WeltAequator, weshalb an diesem Tage, sowie am 2s' März auch alle Bewohner der Lrde Tag- und Nachtgleiche haben. Wir sahen die Sonne sehr schön aufgehen und bemerkten uns den Punkt. Denn da ich drei- 9 Lange hat später (1817 und 1818) eine Zeitlang die Pestalozzische Anstalt als „Studiendirektor" geleitet, neben Jos. Schmid, der das Äußere vertrat, vr. Lange, Erinne rungen a m. Schulleben (Potsdam 1855), S. 73 ff. Mors streift dies nur IV, S- 587.