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64 wichtigen Brief. — Nun will ich anfangen, Dir die Geschichte der letzten Tage zu erzählen. Der Montag ging noch nut vielfachen Vorbereitungen hin; H. Lgger arbeitete an dem Tempel und den Transparents, die Rinder zeichneten und schrieben den Abgehenden etwas, die Töchter wanden R ranze aller Art u. s. w. Mich hatten die vielfachen Empfindungen, die Dein Brief in mir erregt hatte, zu sehr angegriffen, als daß ich mit freiem, heiterm Sinne für den Abschied etwas hätte arbeiten können. — Dienstags den 8'Sptbr. Ls war Bettag *) für die ganze Schweitz; ich stand ziemlich früh auf; schloß mich in das Zimmer des Thurmes ein und arbeitete die Abschiedsrede aus, die ich am Abend bei der Feierlich keit halten wollte. Nachmittags predigte Pestalozzi. Da diese vortrefliche Nede wahrscheinlich bald unter der Sammlung der andern in Druck kommt,2) so laße ich sie Dir nicht erst abschreiben, sondern schicke sie Dir in der Fortsetzung der Bogen gedruckt. Der Vater nahm in derselben von den lieben Preußen feierlich Abschied und dankte denselben für ihre Liebe und kindliche Anhänglichkeit. Ls war Alles sehr gerührt. Als er geendigt hatte, trat der Negierungsrath Graff auf und hielt unvorbereitet, vom innern Gefühl ergriffen, eine kurze Abschiedsrede an die scheidenden Landsleute, worin er sie zugleich als erster Bürger des Vaterlandes auch bewillkommte. Lr sprach vortrefflich, mit reinem Gemüth und schöner Be redsamkeit. Nach ihm trat noch der gute, liebe Dreist auf, tief gerührt und dankte im Namen der Andern für die viele genoßene Liebe und drückte seinen Schmerz bei der nahen Trennung aus. Der schöne feierliche Ge sang des ^gnus vei machte den Beschluß dieses Gottesdienstes, ungefähr gegen 5 Uhr nachmittags. — Darauf lud der Vater uns alle mit den lieben Preußen auf seine Stube, wo wir goutirten und noch einmal heiter und fröhlich der noch Gegenwärtigen, Nahen uns freuten. Uuterdeß ward es finster und die Anstalten im Betsaale alle vollendet. — Um 8^ wurde im Töchterinstitute das letztemal zu Nacht gegessen, wobei alle Lehrer und erwachsene Fremde zugegen waren, mit den Töchtern 60 Personen, mehr als ich je habe dort essen sehen; nach allen H Seiten waren Tische ge setzt. Ls wurden viele Gesundheiten ausgebracht und ging sehr lebhaft zu. Meine lieben Nachbarinnen und Nachbarn brachten auch eine recht herzliche auf die ferne N. aus, wobei ich aus voller Seele mit anstieß. Nachdem wir eine Stunde so fröhlich beisammen gewesen waren, verließ ich meinen Platz, begab mich ins Schloß, zündete mit Lgger die Trans parents alle an mit der lodernden Flamme auf dem Altar, darauf be gaben sich alle Rinder und wer sonst noch im Schloß war, in den Bet- sal und nahm seinen Platz ein; Burkhard arrangierte unterdeß den Ge sang. Nachdem nun alles vorbereitet war, ließ ich es Pestalozzi sagen, und er gab in: Töchterinstitute das allgemeine Zeichen des Aufbruchs. Nun zogen alle, etliche 60 Personen herüber und begaben sich in den schön geschmückten Betsal. Sowie die Preußen, die von Pestalozzi, Nie derer und Rrüsi geführt wurden, eintraten, hnb der Abschiedsgesang an: „der Trennungstag ist dal" Der Saal war rings mit neuen Rränzen geschmückt, am großen Fenster, wo sonst eure Bänke stehen, war ein trans- h Zwei Jahre vorher hatte Pestalozzi an diesem Tage die von Burkhart in seiner oben angeführten Schrist mitgeteilte merkwürdige Rede gehalten. Lergl. auch Pest.-Stud. II, 1t7. 2) Ist nicht geschehen.