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63 so wäre denn nnn der heutige Sonntag beschlossen. Freitags den Septbr. vergangenen Sonntag hat sich so viel ereignet, meine theure Re- bin in einer so immerwährenden Arbeit und Zerstreuung ge- Seit nate, ich wesen, daß ich keinen Augenblick dazu kommen konnte, Ungeachtet" des besten Millens und lebhaftesten Antriebs dazu, diese Tageblätter regel mäßig fortzusetzen. Zch will Dir nun aber heute genau nachholen, was sich im Verlauf dieser Tage ereignet, und zwar der bessern Übersicht wegen, auch Tageweise: Montags den 7'°" Septbr. An diesem Morgen erhielt ich Deinen so theuern, so merkwürdigen Brief. Er setzte mich von vielen Seiten in eine so große Bewegung und nahm mein ganzes Denk- und Gefühl- Vermögen so sehr ein, daß es mir unmöglich war, etwas anders zu ar beiten, und daß die mir vorgenommene Bearbeitung der Abschieds Nede heute den ganzen Tag liegen bleiben mußte. Doch, was ich auch alles gedacht und empfunden, die Hauptcmpfiudung war Freude, iunige Freude, daß uun endlich Dein guter lieber Vater unser Verhältniß weiß. Gott lob daß Dir und mir dieser Stein nun vom Herzen ist. Du hast Recht, theure Renate, wir wollen getrost sein, wenn wir Gott lebendig vertrauen und wie seine Rinder handeln, so wird er uns auch segnen, und es wird Alles wohlgehen. Rönnte ich jetzt nur recht bald in Lindau sein, daß mich Dein guter Vater persönlich sähe und kennen lernte; doch unterdeß fügt sich so vieles noch, er lernt mich durch Dich kennen. . . . So viel, Du gute liebe Seele, als Antwort auf Deinen letzten lieben, Abends, nach dem Nachtessen. Freund Ackermann ist wieder auf gestanden. — Dreist und Henning fand ich nicht, und da ich gerade etwas über die Abschieds Nede nachdenken wollte, ging ich nicht in Gesellschaft der Töchter, sondern ganz allein und zwar — wie fast immer, den lieben Tanal entlang. An meine Nede konnte ich nur wenig denken; Du warst mir zu sehr im Herzen. . . . Auf dem Rückwege hatte ich einen furchtbar schönen Anblick; ein mächtiges Gewitter war im Anzuge, nach dem Deut cks Vaullon war der Himmel pechschwarz und nach dem See zu noch so heiter; ein Sturm brachte das Gewitter schnell heran, und ich mußte eilen, nm von demselben nicht noch getroffen zu werden. Als ich neben dem Töchterinstitut vorüber ging, hörte ich, daß noch alle Töchter unterwegs seien, und schon fing es an, in großen Strömen gerade herab zu regnen. Es dauerte nicht lange, so kamen sie, durch und durch naß; auch nicht ein trockener Faden war an ihnen; in der Allee nach dein Bade hatte sie das fürchterliche lvetter ereilt, und sie hatten nirgends schnell untertreten können. Dieß gab indeß viel Anlaß zu Spaß und Gelächter, die Zgfr Rasthofer und H. Rüster trieften auch über und über. Sie waren nach Floreire und Lrochet zu gewesen. Übrigens habe ich noch vergessen, Dir zu sagen, daß heute Morgen zwischen ss—sO H. Olivier uns sämmtlich mit einer Vorlesung schmerzlich ennüyirt hat. Er erzählte uns seine Schicksale seit seiner H monatlichen Abwesenheit, die großen Entdeckungen, Bekannt schaften, Verbindungen u. s. w., die er gemacht; sprach mit dem grellsten Egoismus von sich und mit der größten Undeutlichkeit von der Sache, so daß ich es nicht ganz anhören konnte, sondern vor dem Ende schon mich still drückte. . . . Und