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59 Gestern war ich bei Igfr. Rasthofer und ersuchte sie um die Beihilfe der Töchter für nächsten Sonntag, um den Betsal mit neuen Gnirlanden schön anszuschmücken. Niederer wird predigen und zwar in Beziehung auf die scheidenden Freunde. Für den Abend dann habe ich Folgendes ausgcsonnen und bereits auch schon Niederer und Rrüsi mitgetheilt. In den Hintergrund des schön ausgeschmückten Betsals, am Fenster, soll ein Tempel mit einigen Säulen angebracht werden, über welchen sich ein paar Trauerweiden neigen. In der Mitte des Tempels soll ein Altar stehen nut 4 paßenden Inschriften; auf jeder Seite eine, und oben mit einem lodernden Feuer in einer Schaale, rings umwunden mit Blnmenguirlanden. Den oberen Theil des Tempels soll ein Frontispice ausmachen mit einem allegorischen Gemälde und paßender Inschrift. Nun werden am Sonntag Abend die lieben Scheidenden zum letztenmale im Töchterinstitute eßen; während deßen soll im Betsal alles eingerichtet und angezündet werden, auf dem Altar sollen die Knaben das, was sie ihnen zum Andenken schreiben und malen, legen, so auch die Töchter, was sie ihnen zum An denken verfertigen. Außerdem soll für jeden ein schöner Lorbeerkranz ge flochten und ebenfalls auf den Altar gelegt werden. Wenn nun gegen lO Uhr alles versammelt und vorbereitet ist, soll man plötzlich im Töchter institute aufbrechen und die lieben Freunde herüber in den Betsaal führen. Da werden sie nun mit einem stillen, sanften Gesang empfangen. Drauf werde ich im Namen aller Lehrer und Erwachsenen, Rinder und Töchter eine Abschiedsrede halten und ihnen für ihre Liebe und Freundschaft danken, darauf soll das schöne Trennungslied, von Bergt componirt: „Der Trennungstag ist da!" (wozu ich 4 Verse andern Text machen will) ge sungen werden. Dann soll der Vater das letzte Wort der Liebe mit ihnen sprechen, und ein religiöser gemeinschaftlicher Gesang (z. B. auf Gott und nicht auf meinen Rath) soll die Feierlichkeit schließen; wenn nicht noch die Scheidenden einzeln anftreten und ein Abschiedswort sprechen. — So habe ich bis jetzt alles ausgedacht, es hat Beifall gefunden, und ich will früh und spät sein, bis alles ausgeführt ist. Die lieben, theuren verdienen auch die äußeren Beweiße unsrer Liebe und unsers Schmerzes. . . . Freitags den 4'°" Scptbr. Nun ist der schöne, freudenreiche Tag vorüber. Die Augenblicke der schmerzvollen Sehnsucht ausgenommen, bin ich außerordentlich froh und heiter an demselben gewesen. Nachmittags gegen 3 Uhr bestiegen wir alle mit vielen Fremden, die zugegen waren, das Schiff. Auf dem verdeck war die Ianitscharen Mnsik. Die Bise ging etwas stark, daher rückten wir hinwärts nur langsam vorwärts — indeß verging die Zeit unter ab wechselnden Gesang und Musik außerordentlich schnell. Wir landeten an dem grünen Platze hinter Grandson, aßen, tranken, sprangen herum, lagerten uns in Gruppen, sangen und waren alle von Herzen lustig; die Rückfahrt ging bei der Bise pfeilschnell, nicht länger als eine Viertelstunde. Der Abend war wunderschön, die Alpen erglühten, die untergehende Sonne gab der ganzen Landschaft einen milden, verklärten Anstrich. Die Töchter sagten jeden Augenblick zu mir: ach, wenn doch die Renate da wäre, o wie Schade ist es, daß die Renate nicht mit uns ist. Mein Herz saate dies in jedem Momente — ach und meine Blicke waren immer nach der Gegend von Lindau gewendet — o und so oft fencht. . . .