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57 nehmen. Zwar bin ich schon sehr mit Stunden überhäuft, allein Du weißt, daß ich diese nimmer abgelehnt hätte. Wie freut es mich, in dem Kreise der Freundinnen meiner Renate Lehrer zu sein, wie wird nach der Gedanke, hier in diesem Zimmer, unter diesen Töchtern hat meine R. so oft ihren Geist mit nützlichen Kentnißen bereichert, antreiben, ihnen Alles Mögliche zu sein. Ich werde jetzt wenigstens bis zum Neujahr täglich eine Stunde geben von 9 — lO des Morgens. Da kannst Du Dir nun recht vorstellen, wo ich bin, meine l. Renate. Künftigen Montag fang ich an. Wie ich es einrichten und betreiben werde, davon will ich Dir in Zukunft Manches schreiben. H. Schacht hat die deutsche Sprache übernommen und wird sie gewiß vortreflich geben. Die Geschichte bleibt vor der Hand noch. Das Rechnen wird wohl H. Göldi geben; so treten auf einmal 3 neue Lehrer unter den Töchtern auf, — und mit H. Burk hard sogar vier. — Heute hat H. Burkhard auch seine erste Gesangstunde im Schloße an gefangen. Für die ersten 6 Wochen ist sie so eingerichtet, daß die Lehrer, erwachsene Fremde und Kinder alle zusammen im Betsale zwischen ? und 8 des Abends singen, wobei es denn heute recht munter und lebhaft zuging. Dieß ist theils deshalb jetzt so eingerichtet, um die Lust zum Gesang allge mein zu beleben, theils um die Stimmen allmählig kennen zu lernen und sie dann in der Folge so zu vertheilen, wie sie zusammen paßen. Nach dem Nachtcßen bat H. Dreist heute seine Freunde auf ein Glas alten Weins und ein heitres Gespräch zu sich. Niederer, Krüsi, Kawerau, Burkhard, Henning, patzig und ich. Ich kenne seit undenklicher Zeit keinen Abend, wo so intereßante, belehrende und unmittelbar das Leben des Instituts und Pestalozzi angehende Gespräche geführt worden wären. H. Niederer war außerordentlich lebendig, und jeder sprach sich so ganz frei und rein aus, wie die Ansicht in ihm lebte; so war unvermerkt Mitter nacht herangekommen; wir brachen auf, allein unterwegs gerieth ich mit Niederer noch in ein so intereßantes Gespräch über Freiheit des Menschen und sein Verhängniß, daß wir über eine Stunde bis in finstrer Nacht in der Allee Hinterm See allein auf und abwandelten und über diesen wichtigen Gegenstand sprachen. Ts ist ganz eigen, wenn Niederer und ich in solche anziehende Gespräche gerathen, so sind ein und zwei Stunden entflohen, ich weiß immer gar nicht, wohin. . . . Mitwochs den 2'°" Septbr. Heute, meine Renate, bin ich so müde, daß ich Dir nur einige wenige Zeilen schreiben werde. Die Ursache, warum ich den ganzen Tag über so abgemattet war, liegt in folgendem Lreigniß. vergangne Nacht nach s2 Uhr, gerade als wir alle im ersten tiefen Schlaf liegen, ertönt plötzlich die Sturmglocke und ein fürchterliches Rufen: au tsu! au tsu! Erschrocken fahren wir alle auf, und ich rufe zum Schlafsal auf den Markt herab: ou? — a TräcovLAno war die Antwort. Darüber waren wir nun schon beruhigter — indeß wurde der Lärm immer größer; alle Erwachsene im Schloße standen aus, und da sahen wir zu den Hintern Fenstern heraus schon ein ganzes großes Haus in lichten Flammen stehen. Ls war fürchterlich anzuschauen und sah so nahe aus, als ob es nur ein paar hundert Schritte wären. Da das Feuer so mächtig überhand nahm und die Hülfe dringend schien, so entschloßen wir-Stärkern im Schloße (unge-