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52 wärest, ihn zusammen in Begleitung mehrer Töchter und Herren be stiegen? G ich habe die Orter alle wieder aufgesucht, wo ich mit Dir verweilte — erinnerst Du Dich, wie ihr Töchter aus euern Tüchern Zelte aufschlugt und darunter gegen die Sonnenstrahlen aus dem Gipfel euch schütztet? erinnerst Du Dich der Sennhütte, wo wir Milch aßen? o Du Engel, und wie Du mich, da mirs nicht wohl war, so theilnehmend am Arme führtest, wie Du in St. Troix meiner pflegtest und an mein Bette gelehnt mir Labung reichtest, und wie ich Dich da umfaßte und küßte und an mein Herz drückte — o Du Theure, dieß Alles ist so lebhaft vor meinem Geiste vorübergegangen, all diese Wonne Deiner Liebe habe ich heute aufs neue so tief und innig gefühlt! G Gott, welcher Himmel ist doch das Leben in der Liebe. Montags den 2P°" Aug. Denke Dir, liebe Seele, heute zwischen 9 und sO werde ich schnell aus der Klasse gerufen in H. Pestalozzis Stube, und wie ich eintrete — nun denke Dir nur meine Überraschung und Freude — wirft sich unser Burkhard mir in die Arme. Die Freude des Wiedersehns war außer ordentlich. Drauf begrüßte ich seine liebe Schwester, die neben dem Vater auf dem Sopha saß. Sie scheint ein sehr gutes, liebes Mädchen zu sein; von seiner Größe, lebhafter Farbe und feurigem Blicke, übrigens nicht mehr jung (28 Jahr alt). Ich werde sie Dir in Zukunft, wo ich sie ge nauer kennen gelernt, auch so wahr als ich sie aufgefaßt, schildern. Da der liebe Burkhard diesen vormittag überall zu besuchen hatte und Nach mittags an einer parthie zu Wasser, welche die Preußen nach Loncise anstellten, mit Theil nahm, so habe ich heute fast noch gar nicht mit ihm sprechen können. Der arme B. hat mit außerordentlich viel Schwierigkeiten und Hindernissen kämpfen müßen; — einen großen Theil des Weges hat er mit seiner Schwester zu Fuß gemacht; mit Gelds war er nur sehr dürftig versehen gewesen, und bis auf den letzten Augenblick vor seiner Abreise hat er unter einer Last von Stunden sich befunden, um das Reise geld zu erschwingen. Ein fester Wille und Gottvertrauen siegen indeß über alle Hinder- niße und haben sie auch ihm überwältigen helfen. Gottlob nun ist er hier, und wir freuen uns alle seiner Nähe! . . . Burkhart*) war bereits sechs Monate in Jferten gewesen und hatte sich insbesondere Kaweraus Zuneigung in hohem Grade erworben. Dieser hatte nämlich am 20. August 1812, also wenige Tage vor dem unvermuteten Ein treffen Burkharts in Jferten, folgende Bitte an Nicolovius gerichtet: »Es war vorigen Sommer ein junger Sachse hier, Burkhardt, ein herr licher Mensch, herzlich geliebt von Pestalozzi, Niederer, Krüsi, kurz von allen Braven, die ihn kannten. Er lebt ganz für Pestalozzi und würde sich für ihn ganz aufopfern, wenn man es verlangte. Auch ich für meine Person habe an keinem jungen Manne mehr gehabt, als an ihm; er ist mir Freund, Bruder; Niemand stimmt so mit mir, wie er. Die Umstände machten, daß er schon vorigen Winter nach Hause mußte (vergl. S. 29), wo er jetzt in Annaberg eine kleine Schule errichtet hat und sich seinen Bruder und seine Schwester zu Gehilfen bildet. Er war aber nur etwa 6 Monate hier. Bei >) So schreibt er selbst seinen Namen.