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46 nicht sagen, wie mir ums Herz wurde, als ich durch jede Ader fühlte: „solcher Liebe ist meine Renate auch fähig — solch einen Himmel giebt sie mir auch". . . . Donnerstags den 13^" Aug. Heute, meine theure Renate, habe ich eine langwierige und beschwer liche Arbeit zu Stande gebracht. Ich habe dem General Iüllien einen Auszug der gesummten Geographie im Französischen gegeben und dabei noch einen großen Brief von 2 vollen Bogen geschrieben! nun weißt Du, wie das Französische meine Lieblingssprache ist; — und doch mußte ich mich überwinden und ihm seine Bitte erfüllen; er ist ein gar so lieber und bedeutender Rlann. Gottlob, daß es nun vorüber und die ganze Sache auf der Post ist. Morgen früh will ich nun eine predigt für den nächsten Sonntag anfangen, da mich Niederer sehr darum gebeten hat. Deshalb will ich heute den Brief an Dich schließen. . . . . . . Am Samstage (s5. Aug.) arbeitete ich in allen Stunden, die mir frei waren, an der predigt und vollendete sie am Sonntag Morgen. Ich schicke sie Dir hier mit, mein Herz; sie ist etwas unleserlich geschrieben, allein ich hatte nicht Zeit, sie noch einmal abzuschreiben, und schicke sie Dir gleich, wie ich sie aufsetzte. Ihr Thema ist, wie Du sehen wirst, über die Treue im Kleinen. Alles, was ich darüber sage, ist mir ganz aus dem Herzen gekommen, und so habe ich sie auch kräftig und von Herzen weg gehalten. Sie ist nicht ohne Eindruck geblieben, und es haben mich viele Äußerungen darüber sehr gefreut. Das liebste Urtheil, der theuerste Bei fall fehlt ihr aber noch — der aus Deinem Munde, aus Deinem ein fachen, frommen Herzen. Schreibe mir, liebe Seele, über einzelne Stellen und Gedanken, so wie über das Ganze doch Deine Ansichten — ob Du derselben Meinung bist, ob Dir vorzüglich auch das, was ich den Töchtern sage, wahr und tref fend scheint. Nach der predigt — ach soll ich Dir sagen, meine Renate, wie mir ums Herz war? so bang, so wehmütig, so sehnsuchtsvoll, wie fast noch nie — eine unaussprechliche Sehnsucht riß mich zu Dir — ach sonst war ich ja allemal nach der predigt in Deine Arme geflogen und hatte so süße wonnige Augenblicke verlebt — jetzt fand Dich nirgend meine seh nende Brust — o Renate, Renate — wie ist in solchen Augenblicken der Schmerz der Trennung so groß. Ich konnte mir nicht anders helfen — als in den See, ins kühlende Wasser tief hineinzugehen, bis die Stunde der gewaltsamen Sehnsucht vorüber ging und ich bei Pestalozzi aß, wo der gute Vater durch seine spaßhaften, witzigen Gespräche mich aufheiterte. Ich war eigentlich für diesen Mittag zu Lorrevons geladen und um 5 Uhr zum Diner bei H. Thompson, mußte aber beides ausschlagen, da ich die Aufsicht über die Kinder hatte. — Mit diesen ging ich denn um 2 Uhr, nebst meinem Bruder, H. Mberman und Herrmann nach Montgerent seitwärts Mrbe, wo ich auch einmal mit Dir und einigen Tächtern von Mrbe aus war. Besinnst Du Dich, lieber Engel, auf die Grotte, auf das schöne Thal, wo unten die Mrbe fließt, und auf das liebe Wäldchen, wo wir Arm in Arm ein Viertelstündchen allein gingen und uns in den Schatten der Bäume lagerten und uns herzten und küßten? o ja! Du erinnerst Dich gewiß