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45 Last kein Auge blieb thränenleer. Die Pfeffer war nicht drinnen und das war auch sehr gut; sie hätte es nicht ausgehalten. Nach dem Gottesdienst gab ich der Schnewlin eine Privatstunde in der Geographie — deren ich ihr jetzt mehrere gebe, da sie einen Unter richt darin mit den erwachsenen Französinnen anfangen will und noch nicht recht fest darinnen ist. V ich ging vorzüglich heute so gern dahin — ich war doch in dem Hause, wo ich sonst in derselben stunde immer so süße Freuden empfand — ich war in der Kasthofer Stube. . . . Montag, den lO. August. .... Heute war ein Prinz von Anhalt pleß bei uns und sonst noch viele Fremde, denen alles gezeigt wurde, und wobei ich auch in Rück sicht der Geographie viel zu thun hatte. Schacht, Dreist und Kawerau, die so eben bei mir waren, lassen Dich auch diesen Abend wieder recht von Herzen grüßen. . . Mittwochs d. s2'°" Ang. Jetzt — o du liebe, süße Zeit — jetzt ist das Stündchen der Unter haltung mit meiner Renate wieder da. wie wird mir da immer so wohl — wie blicke ich nach meinem Lindau und suche Dich und fühle Dich und habe Dich im tiefsten heißen Herzen! — Gäbe es keine Schriftsprache und keine Posten — Himmel, welcher Liebende ertrüge noch den Schmerz der Trennung? — Heute, Du lieber Gugel, habe ich eine intereßante Unter haltung gehabt. Lin gewißer H. Os l' 8 päs, Vorsteher einer Erziehungs anstalt in Wiesbaden, der sich früherhin mit der Methode hier bekannt machte und in ganz dürftigen Umständen, unfähr wie Anderegg hieher kam und lebte, hat uns mit seinen 3 Gehülfen auf 8 Tage besucht. Lr ist ein lieber, einfacher, herzlicher Mann, wir wurden bald mit einander vertraut, und er erzählte mir seine sehr intereßante Lebensgeschichte. Durch Fleiß, Treue und Beharrlichkeit hat er sich aus der Dürftigkeit empor gearbeitet und binnen Zeit von 6 Zähren durch Begründung seiner An stalt sich einen so beträchtlichen, äußeren Wohlstand erworben, daß ersetzt ein eignes Haus von s2000 Gulden besitzt. Sein größtes Glück aber ist seine liebe, brave, herrliche Frau. Mit keinem Fürsten und König, ver sicherte er mir zu wiederhohlten Malen, möchte ich tauschen; ich habe mein gutes Auskommen, ich habe meinen belohnenden Wirkungskreis — o und was über das alles geht — ich habe häusliches Glück, ein Weib, das ich über alles liebe und die mit der zärtlichsten Treue an mir hängt, und zwei liebe, herzige Kinder. — Ach Renate, wie mir da wurde, als ich das Alles hörte und als ich den Mann so seelenfroh, so selig in seinem Innern sah — wie Du mir immer vor der Seele standest und wie ich immer aus rufen wollte: o lieber Os l'^späe, so selig werde ich einst auch sein! — Lr ist ein Manu von 30 Jahren und hat seit 3 Jahren geheirathet. Als er ungefähr 5 Wochen geheirathet hatte, wurde er tödtlich krank an einem hitzigen Fieber, man hatte ihn schon todt gesagt und alle Hoffnung auf gegeben, und — setzte er mit tiefer Rührung hinzu, ohne die grenzenlose Liebe und pflege meiner Frau wäre ich gewiß gestorben; sie badete mich l/s Tage lang in wein und wich keine Nacht von meinem Bette. — O du große, himmlische Liebe! o ihr Weiber, ihr Lngel des Himmels, was wäre des Mannes Leben und was ist es ohne euch? Ach ich kann Dir gar