Volltext Seite (XML)
38 Gesegnet sey Dein Leben! Lin günstiges Geschick Mög bald Dir Freude geben, Des Lebens höchstes Glück! Daß das nicht bloß leere, schöne Worte waren, hat die Teilnahme be wiesen, mit der die »Töchter» und ihre Lehrer das fernere Schicksal der Schei denden verfolgten, der es nach ihrem eigenen Ausspruch nach ihrer Entfernung von Jferten insbesondere an den Sonntagen zu Mute war, „als sei sie aus dem Paradiese vertrieben worden». Blochmann wanderte, wie schon S. 369 bemerkt wurde, die ersten Tage nach dem Abschiede ziellos im Jura umher, begann auf der Rousseau-Insel im Bielersee sein Tagebuch mit einer ausführ lichen, ernsten Darlegung seines Lebensplanes für die nächsten Jahre und mit dem Vorsatz, der Geliebten tätlich auf diesen Blättern die innersten Falten seines Herzens zu öffnen und ihr über alle Vorkommnisse im Institut, das sie so genau kannte und so sehr liebte, zu berichten. Selbstverständlich über wiegen die rein persönlichen Nachrichten, und das unerschöpfliche Thema der Sehnsucht eines wahrhaft und innig Liebenden nimmt den breitesten Raum ein; es ist aber selten so vielseitig und mit so eindringlicher Sprachgewalt be handelt worden. Wir müssen uns darauf beschränken, das mitzuteilen, was für das Leben und Treiben im Institute bezeichnend ist. Kawerau hat an Süvern berichtet: „Um 4 Uhr des Morgens fangen unsere Lectionen an und endigen um 8 Uhr abends, und nur 4—5 Stunden davon sind dem Essen und den eignen Arbeiten und der Bewegung be stimmt . . . übrigens ist jedermann hier von 6 Uhr des Morgens bis 8 Uhr des Abends in den Klassen beschäftigt, so daß die Kinder immer unter Auf sicht der Lehrer sind, die selbst in den zwei oder drei Freistunden zwischen der Arbeit immer um sie sein müssen.» (Pest.-Stud. III, II6.) Ebenso Hen ning: „Uebrigens bin ich täglich von 5 Uhr morgens bis 10 Uhr abends in Thätigkeit» (daselbst III, 132. 154). Damit stimmt vollkommen überein, was Blochmann im Tagebuch schreibt: Erfahre, mit welchen Vorsätzen ich vom Tage meiner Rückkehr nach Jferten das Jahr unsrer ersten Trennung beginne. Eie haben sich mir in den Stunden meiner Betrachtung aus der Reise gebildet und hier auf der Insel, in der Stube des unsterblichen Rousseau, wo so viele und große Gefühle mich bestürmen und wo ich in Gott und in Deiner Liebe lebe — hier habe ich mir diese Vorsätze zur festesten Grundregel meines Thuns, zum unverbrüchlichen Gesetz vorgenommen. Von ihrer Erfüllung will ich Dir jeden Tag mit Wahrheit und Treue Rechenschaft geben. Der Ge danke an Dich, an Deine Liebe wird mich stärken und meine Gewissen haftigkeit soll auch Zeuge meiner Liebe sein. Meine Vorsätze betreffen: l) ökonomisch die größte Sparsamkeit, um meine gute Mutter fortdauernd recht unterstützen, und um in kurzem Alles, was ich hier noch schuldig bin, bezahlen zu können. Auch will ich täglich einem Knaben noch eine Klavierstunde geben und den Ertrag da von zurücklegen, um übers Jahr ein ansehnliches Reisegeld er übrigt zu haben, da ich ja den größten Theil der Schweiz durch reisen will.