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35 Dich gestern Abend so beunruhigte und worüber Du mir voll zartester Teil nahme und Liebe einige Winke gabst, hat folgende Veranlassung: Herr Pro fessor Ladomus hat gestern in einem Schreiben Pestalozzi, Krüsi, Schacht, Henning, Dreist und mich zu einem vinsr im rothen Hause für diesen Mittag eingeladen; nun ist mir dieser Mensch von jeher unausstehlich und ver ächtlich gewesen und ich hatte dieß auch oft schon Niederer gesagt. Daher hatte ich auch schon gestern Abend Pestalozzi, als er mir die Einladung sagte, bestimmt erklärt: ich werde nicht kommen. Pestalozzi wünschte, ich möchte gehen, weil er und Krüsi nicht kommen würden, und weil es sonst zu sehr auffiele; allein ich erklärte ihm sogleich, daß es mir unmöglich sei, daß mir kein Bissen schmecken würde. Nun werden Schacht, Henning und Dreist allein gehen. Ladomus hat große Streitigkeiten mit Niederer gehabt und überhaupt schlecht an dem Institut und seinen Teilnehmern gehandelt. Nun wirst Du Dir erklären können, warum Niederer durchaus nicht wollte, daß überhaupt jemand hingehen solle, und warum er besonders von mir behauptete, ich würde bestimmt nicht hingehen, worin er sich auch keinen Augenblick täuschte." Ladomus war »mit hoher Instruktion vom 4. Mai 1810" bei Pestalozzi.*) Wie aus dem Auszug seines Berichts, der 1813 (s. u.) erschienene ist, hervorgeht, war er zu dem Resultat gelangt, daß Pestalozzis Erziehungs idee dem Zwecke der allgemeinen Volkserziehung entspreche, denn die ihr zu Grunde liegenden Fundamente seien aus dem Wesen der Menschennatur ge schöpft; auch die Pestalozzische Methode beruhe auf unwandelbaren, auf jedes Individuum anzuwendenden Grundsätzen, nur sei sie noch nicht für alle Gegen stände bearbeitet oder noch nicht in vollendeter Form vorhanden. Die Ab neigung Niederers und Blochmanns gegen Ladomus mag also nur auf per sönlichen Gründen beruht haben. Von Hofwyl schreibt Schacht am 19. Oktober 1811 u. a. an Bloch mann: Viel muß ich reden über Pädagogik, meine Ueberzeugungen andern gegenüberstellen, meine Ansichten nach andern berichtigen; was minder richtig über die Mängel unsres Institutes verbreitet ist, hab ich ange fochten und eine wahrhaftige Idee von dem unscheinbar Guten, was bqi uns zu finden, nach meinen Kräften zu erwecken gesucht. Pestalozzi steht mir zu hoch, als daß ich's dulden könnte, wenn Männer, deren Beginnen und Denken ich achte, ungleiches von ihm hören und ungleich danach urtheilen. Wenn in Pestalozzi gleich etwas Höheres gelegt ward, als eine leidige Griechische Grammatik, so ists doch falsch, wenn man sein Be ginnen in dieser Lache nur von der schwachen Leite betrachtet. Warum er's will, und wie er's will, hab ich hier auseinandergesetzt und verthei- digt, denn thörigte Urtheile über das Griechenzen waren hier unlängst an gekommen. 2) . . . nur ist der Unterschied zwischen dem hiesigen Institut 1) Kawerau u. a. benutzte den längeren Aufenthalt des Professors Ladomus aus Karls ruhe, nm sich von ihm in die höhere Mathematik einführen zu lassen (Pest.-Stud. IV, 54). Ladomus hat 1805 ein Heft einer Zeichnungslehre nach Pestalozzis Grundsätzen, 1807 Pesta lozzis Nnschaunngslehre der Zahlverhältnisse in Beziehung auf die Arithmetik als Wissen schaft, und 1813 eine kleine Schrift: Über Pestalozzis Grundidee der Erziehung und dessen Methode, veröffentlicht. 2) Dreist berichtet an SUvern (Pest.-Stud. IV, 57): „In der Ausführung verstößt Pestalozzi oft auf wunderbare Weise gegen seine eignen Ideen ... er wist jetzt mit kleinen Kindern das Griechische ansangen und zwar mit dem Auswendiglernen aller Stammwörter." In dem Briefe Süverns an die preußischen Eleven vom 7. Dezember 1811 heißt es: „Wenn