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32 werden. Welche Eindrücke gaben mir diese Worte, welche Freude lebte in meinem Innern; und wie glücklich bin ich jetzt: Du willst mir diesen Wunsch erfüllen, Du willst mir dieses Glück bereiten .... Der Vater liebt mich, aber die weite Entfernung, mein Lieber — das wird ihm viel Mühe kosten, er wird mich nicht von sich, oder vielmehr aus der Vater stadt lassen wollen. Doch Hoffnung und Glauben verlassen uns beide nicht " Wider Erwarten darf Renate noch bis in den Sommer des folgenden Jahres (1812) im Institut bleiben. Der Briefwechsel ist ziemlich vollständig erhalten; das junge Mädchen bildet sich sichtlich nach dem Vorbilde des ihr an Wissenschaft und stilistischer Gewandheit weit überlegenen Geliebten. Ein ernster, tief religiöser Zug geht neben den Versicherungen treuer, nie erlöschender Liebe einher, der den Leser ergreift und die tiefste Sympathie für die Lie benden erregt. Blochmann versorgt die Geliebte mit Lektüre, die er sorgfältig auswählt, und er versucht es, sie dahin zu bringen, ihm ihre Gedanken über wichtige Fragen des täglichen Lebens und der Erziehung unbefangen mitzu teilen. Im Sommer 1811 verbrachte Renate etliche glückliche Wochen auf der Höhe des Jura in Bület in Gesellschaft der Verlobten Hennings, Martha Pfenninger, und der Schwester der Verlobten Niederers, Antonie Segesser. Blochmann benutzt jeden freien Sonntag, um die Geliebte zu besuchen. Ins besondere gelingt es ihm, sich die drei Tage, da „das ganze Institut auf die Wanderung auf Höhen und in Thäler geht", von der Aufsicht frei zu machen und sie in Bület zu verleben. H Auch die Freunde Henning, Niederer, Ka- werau und Schacht verbringen längere oder kürzere Zeit auf der luftigen Höhe, und Blochmann schreibt auf einem Plätzchen am Kanal, von dem aus er Bület auf der Höhe liegen sieht, Tagebuchblatter für seine „Schäferin auf den Triften von Bület". An einem der letzten Sonntage kann er jedoch nicht kommen: „meine Gegenwart unter den Kindern ist morgen durchaus notwendig", schreibt er am Sonnabend, und Renate antwortet resigniert: „Der Pflicht treu bleiben geht über alles Vergnügen, wenn es noch so süß ist." Die Lehrer sind überhaupt in ziemlicher Bewegung: Bloch mann geht seinem jüngeren Bruder Ernst entgegen, der in der Druckerei im Schlosse beschäftigt werden soll.?) Ende April l81l über Bern reisend, wo er Auf träge Pestalozzis und seiner Frau besorgt, trifft er den Bruder in Morgen thal. Henning reist mit dem Geographen Ritter nach Lausanne, Rams- auer kehrt mit Patzig aus Italien zurück, und Bloch mann begleitet An fang September den Vizekanzler Tietze aus Bautzen, der vom^ Kanzler Herrmann daselbst veranlaßt, Jferten besucht, nach dem Genfer See. Dieser ') Kawerau berichtet an Süvern: „Im Sommer (1809) machte das ganze Institut eine Alpenreise von etwa 14 Tagen. Blos ein paar Knaben mit einem Aufseher blieben heim, alle übrigen gingen nach dem Verhältnis ihrer Kräfte. Preuß und ich haben mit mehreren Erwachsenen und der größten Klasse eine Reise nach Genf, dem Bernhard, dem Montblanc und nach Wallis gemacht, und wenn es uns nicht zu lang gedauert hätte, wären wir mit der Klasse bis an die boromäischen Inseln im Lago maggiore gegangen; so aber, nm nicht Zeit zu verlieren, gingen wir durchs Berner Oberland nach Hause. O so eine kleine Alpen reise auf die Gletscher und in die hohe, erhabene Natur ist etwas anderes, als eine Spazier reise in unserm ebenen Preußen. Zu derselben Zeit war Herr Pestalozzi selbst verreist in die Versammlung der Pädagogischen Gesellschaft in Lenzburg, wohin ihn Henning begleitet hatte. Bei solcher allgemeinen Reise ist sein Wunsch, daß jeder reise, und es ist wahr, alles arbeitet darnach mit doppelter Kraft." Pest.-Stud. III, 150. 2) Man druckte damals u. a. Niederers umfängliches Werk: Pestalozzis Erziehungs unternehmung im Verhältnis zur Zeitkultur. Mors IV, 298.