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.80 s i e sehen, mit ihr gehen — so riefen tausend Stimmen in meinem Innern, und die begonnenen Briefe flohen auf die Seite. Und — wie dank ich dir, Genius der Liebe, daß du meine Füße beflügeltest, daß du mich lei tetest zu Ihr, in deren Nähe Freude und Entzücken ist; wie viel ärmer an seligem Genuß wäre mein Leben ohne diesen Tag! Wie dank ich auch dir, geiziger vandois, daß du uns deinen Weinberg nicht anders als für HZ Fr, öffnen wolltest. Deinetwegen zogen wir nun auf eine grünende Wiese, wo wir im traulichen Kreise um unsern kindlichen Krüsi gelagert, Herders Sagen der Vorzeit sinnend lauschten, und wo Sie, die Königin des Herzens und des Festes, alles Glück, alle Wunder der Vorzeit in einen seligen Traum der Gegenwart mir verwandelte. Bald nachdem sich Alle mit den süßen Früchten des Weinstocks gelabt, floh der heitere Verein zu einem ländlichen Tanze auf grünenden Rasen, doch Sie, von der mein Blick, mein Herz nicht wich, ging mit zwei Freundinnen auf die nahe Straße, war es möglich, ihr nicht zu folgen? dreht sich die Blume nicht nach ihrer Sonne? Da ging ich nun still und schweigend an ihrer Seite .... Noch zwei unvergeßliche Momente hatte dieser herrliche Tag. Lin wunderschönes Abendroth umzog bei unsrer Heimkehr Len ganzen magisch erleuchteten Himmel; Alles war von der Größe und Majestät des Schauspiels entzückt und in freudiges Staunen verloren. Meinen begei sterten Blicken schien eine andre, seligere Welt sich aufzuschließen, auf jeder Purpurspitze der glühenden Wolken wähnte ich sie zu erblicken in ihrer Anmuth und Schönheit, mächtig mein Herz zu sich erhebend und den Himmel eröffnend. Aber ich konnte nicht in ihre Arme stürzen, nicht nassen Blickes der Wunder Gottes, der Seligkeit des Lebens an ihrer Hand mich freuen, wie mein glücklicherer Freund, wie Henning es konnte mit seiner Martha. M Renate, werde ich es je können? Hat das Leben noch diese seligen Stunden für mich? Traurige, furchtbare Ungewißheit .... Mein ganzes glühendes Herz wollte ich dir (beim Abschied) geben und — konnte nur mit zitternder Hand die Vergißmeinnicht dir reichen, die meine Liebe dir geweiht; umarmen wollt ich dich, und — konnte nur mit leisem Drucke einen Finger berühren; aber welch begeisterndes Feuer, welch ent zückende Ahnung einer Gegenliebe strömte mit dieser Berührung in mein innerstes Wesen! Armes hoffendes Herz, wenn du an Schattenbilder dich hingst, wenn dein Glaube ein nichtiger Traum wäre? wenn sie dich nicht liebte? O meine Renate, wann wird das entscheidende Wort einst von deinen Lippen tönen? O Kraft meines Glaubens, o Hoffnung des kommenden Tages! Dienstag früh den 30. Gktbr von 7—8. Da sitzest du, liebes Mädchen, und schreibst mit gelehrigem Sinne unsers Krüsi elementarische Sprachlehre nach; ohne es zu bemerken, be obachten dich meine Blicke, und mein Herz ist glücklich in deiner Nähe. Dir gegenüber wandle ich sinnend auf und nieder; der gute Krüsi meint vielleicht, ich vertiefe mich in die Ansichten seiner Wortbildung, ich zeichne interessante Gedanken mir auf; denn, meine Schreibtafel in Händen, sieht er von Zeit zu Zeit einige rasche Zeilen mich schreiben; — ach, wüßte der Gute, wie ich hier in die Elemente der Herzenssprache dringe, und wie ich, während er dir, herrliche Seele, i«n der Auslassung der Selbst laute das Beispiel dictirt: ,d — rv — g — l —st —n Th — r', ich mit zitternder Hand auf meine Tafel schreibe: ,—ch l — b— d — ch —n —s-