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Dich erheitern. Und nun Alles, was Dich erfreuen und beruhigen kann in ein paar Worte zu fassen, so vernimm: ich bleibe beim guten Vater Pestalozzi. Aber wie? der Festentschlossene H schon wieder verändert? — Es war ein großer, harter Kampf, geliebte Renate; aber ich hab ihn, fühl ich, zur Ehre meines Herzens und zu meiner Beruhigung und Würde ge kämpft. Das tiefe, unaussprechlich starke Vaterlandsgefühl, meine große Sehnsucht nach Theilnahme an diesem heiligen Kampfe habe ich — der Dankbarkeit und Liebe und der Heiligkeit einer näheren großen Pflicht ge opfert. Als Deine Erfüllung meiner Bitte 2) mir keine äußere Schwierig keit mehr in den weg legte, als nun sogar mein Freund aus Genf (Hering) vorgestern ankam und ich Pestalozzi sagte, daß ich nun unverzüglich abzu reisen gedächte -— liebe Renate, da hatte ich eine Unterredung mit Pesta lozzi, die einen so starken, tiefen Eindruck auf mich machte, die mir die Größe und Liebenswürdigkeit dieses Mannes aufs neue so herrlich zeigte, die alle Gefühle des Dankes und der Liebe für ihn so mächtig aufregte, daß ich ihm ans Herz fiel und — versprach zu bleiben. Er sagte mir, in welchen entscheidenden Umständen sich jetzt gerade das Institut befinde, wie die Lüdke meines Abganges gerade jetzt empfindlicher sei, als sonst, wie er mich brauchen könne, wie er auf meine Dankbarkeit gehofft, er sagte mir, wie viel er sein ganzes Leben hindurch gelitten, entbehrt, gear beitet, um sein Werk auf diesen Punkt zu bringen, und mit welchem Kummer er nun, wenn ihn nicht Alles mit der größten Anhänglichkeit, Liebe und Aufopferung unterstützt, der Möglichkeit einer Auslösung entgegensähe — kurz er sagte so vieles, meine Renate, das mir an's Herz griff, er sagte es wie ein Vater mit so vieler Liebe und Herzlichkeit und die innere Stimme meines Dankgefühls sprach so laut, daß ich nichts mehr sah und empfand, als die Heiligkeit meiner Pflicht zu ihm, als die Größe meines Danks, und daß ich gerührt ihm sagte: lieber Vater, ich bleibe bei Ihnen. Er küßte mich herzlich und schüttelte mir mit einem Blick die Hand, der nur süßer Lohn für das gebrachte Opfer meiner Vaterlandsliebe war. Und vor wenig Augenblicken, bei der rührenden Morgenfeier seines Geburtstags, faßte er mich und fragte mit seinem herzlichen, seelenvollen Blicke: nicht wahr, ihr seid noch gern bei mir und es reut euch nicht, daß ihr heute morgen nicht fortgereist seid? saget au ja! — und ich sagte es ihm mit einer Thräne der Liebe und des Dankes. Und so bleib ich nun, nachdem die einzige und höchste Versuchung zum Fortgehn, der laute Ruf meines Vaterlandsgefühls, in tiefster Seele über- H Der Entschluß war Blochmann selbstverständlich nicht leicht geworden; erst als er die Nachricht von dem Tode seiner Mutter erhalten hatte, der er den Schmerz ersparen wollte, der Gefahr des Todes sich auszusetzen, hatte er seine sonstigen Bedenken überwunden. 2) Sie hatte siir Blochmann, salls er im Kampfe fallen sollte, dem Institut in Jferten gegenüber für 25 Louisdor, die Blochmann diesem schuldete, gut gesagt. s) Theodor Schacht schreibt am 3. Febr. 1812 an seine frühere Schülerin: „Pestalozzi liegt jetzt krank . . Die überschwengliche Menschenliebe des Mannes bete ich an, wie ich Socrates und Christus anbete, und für die Wahrhaftigkeit seiner Grund-Ideen laß ich mein Leben. — Er freut sich, daß ich ihn jetzt verstanden habe und daß ich sein echter Schüler bin. Gestern stand ich an seinem Bette, — und er sah mich unbeschreiblich freundlich an — er drückte mir die Hand und sagte: ,es freut mich recht sehr, daß Du unser bist/ Wenn man solch Wort hört aus dem Munde eines erhabenen Greises, so verschwindet aller Welt Kleinlichkeit und irdisch Trachten aus unserm Herzen. O, ich begreif es, wie Jo hannes Jesum liebte! — Ehemals habe ich's nie begriffen, nie so tief empfunden. " A- a. O-, S. 54.