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12 So ist Blochmann zu Pestalozzi gekommen. Was er in den bewegten, krisenreichen sieben Jahren, die er in Jferten blieb, erlebte, hat er in seinem Buche Heinrich Pestalozzi beschrieben, das »zur Dresdener Feier des hundert jährigen Geburtstages dieses im Gebiete der Erziehung neue Bahn brechenden und mächtig anregenden Schweizers am 12. Januar 1846" einladet. Sein Gesamturteil über seinen Aufenthalt in Jferten lautet: »Unvergeßlich, voll er hebender Eindrücke und reicher Erfahrungen, von dem entschiedensten Einflüsse auf meine Berufsbildung sind diese Jahre meines Lebens. Die tägliche Be rührung mit einer so großartigen Persönlichkeit, aus welcher eine Fülle gei stiger Anschauungen und eine noch größere Fülle starker, reiner, sich auf opfernder Liebe unaufhaltsam hervorquoll, das von einer großen Idee durch drungene, lebenskräftige und begeisterte Streben Aller nach einem hohen Ziele, die immer neue Berührung mit wichtigen, durch Wissenschaft, Kunst und Lebensstellung ausgezeichneten Reisenden, die Kämpfe selbst, die um so tiefer und drastischer das Innerste erregten, als sie von charakterkräftigen Naturen um das unveräußerliche Gut der Überzeugung gekämpft wurden, — Alles steht mit seinem Lichtglanze wie mit seinen tiefen Schatten so lebensvoll im Bilde meiner Erinnerung, als die Felsenwände des Jura und der Alpen, die blühenden Matten und der himmelblaue Spiegel der Seen, welche Zeugen dieses reich bewegten Lebens waren. Ich kam noch sehr unerfahren und un reif in der Kunst des Lehrens und Erziehens nach Bverdün . . und es ist mir jetzt schwer begreiflich, wie ich den Muth hatte, in solch einen Kreis mich als Lehrer zu wagen, aber einmal darin stehend, nahm ich meinen Weg in einer Anstalt, deren Lebenselement ja die Methode war. Zu den erhebendsten Rückerinnerungen und zu einem dem Gemüthe durchs ganze Leben gebliebenen reichen Ertrage zähle ich insbesondere noch die innigen Befreundungen, die in diesem jugendlich frischen und geistig bewegten Leben mich dauernd an die trefflichsten Männer geknüpft haben. Manche dieser treuen Freunde sind schon heimgegangen, Niederer, Krüsi, Dreist, Ka lo er au. Anderen, an denen mein ganzes Herz mit alter Treue hängt, Schacht, Ackermann, Henning, v. Muralt, Ramsauer, K. v. Raumer, K. Ritter, Collmann, v. Türk, Krüger, Stern, Dittmar w. sende ich mit diesen Zeilen den Gruß einer Liebe, die nach fünfunddreißig jähriger Bewährung auf Erden auch die Bürgschaft einer ewigen Fortdauer in sich trägt.« Einen Namen aber, der seinem Herzen am teuersten war, an den sich die seligsten und zugleich auch die schmerzlichsten Erinnerungen seines Lebens knüpften, hat er in dem Buche nicht genannt: Renate! Der Grabhügel der einst so unaussprechlich Geliebten war noch frisch, als er das Buch schrieb, und wie Hases »Briefe an die künftige Geliebte« erst nach dem Tode der Empfängerin ans Licht getreten sind, so versteht man wohl, daß Blochmann über seine Jugendliebe, die ihm zwar auch tiefstes Leid brachte, die aber doch nie in seinem Herzen erloschen ist, in dem Buche geschwiegen hat. Wir müssen uns zunächst der sentimentalen Zeit erinnern, in die Bloch manns Jugend fällt. In einem Büschchen bei Dresden hat er einst »mit thränenden Augen seine Arme gegen den Himmel gestreckt und Gott mit In brunst gebeten, ihn ein Herz finden zu lassen, das ihn wahrhaft glücklich mache«. Und an den Freund Wolf schrieb er bald nach seiner Ankunft in Jferten: »Mir ist so wohl, die Sonne eines neuen schöneren Tages geht vor den entschleierten Blicken auf — das Leben im Geiste, in der Hoffnung und