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Ill verlangte er, daß die Schüler zugleich im Zeichnen geübt würden, während der zum Lehrer creierte Zögling ihnen jene Sätze zu mehrmaligem Nach sprechen vorspreche. Man konnte dem feurigen Alten die Sache nicht schnell genug einrichten. Er machte sich selbst daran und saß Tag und Nacht vorm großen Scheller, i) Er versammelte auch viele Zöglinge seines Instituts und begann den wunderlichen Unterricht selbst, den man, trotz aller Verehrung des genialen Lehrmeisters, oft nicht ohne Lachen anhörte. In der Zerstreuung, da sein eigener Geist von dem Geschäfte natürlich nicht befriedigt wurde, ging er zuweilen aus der Thür und die Treppe hinab, den zuletzt ausgesprochenen Satz, z. B. Manus wanum lavat, noch mehrmals vor sich hinmurmelnd, während oben die schon durch's Nachschreien aufgeregte Jugend lustig durcheinander fuhr. Auch das Griechische ward vorgenommen. Sobald hierin der mne monische Gang soweit eingeleitet war, daß man diejenigen Namen aus dem Kalender, die griechischen Ursprungs sind, samt ihren Stammwörtern und einiges andre ausgezeichnet hatte, ging der erfreute Alte in die Klassen und rief in wahrer Kindlichkeit: Wer will Griechisch lernen, der hebe die rechte Hand auf! — Der Jugend war's etwas Neues, also hob eine ziemliche Zahl Freiwilliger, kleine und große, die Hand auf. Ohne zu beachten, daß erst eine Änderung im Stundenplan vorzunehmen sei, entführte er die neugierige Knabenschar ihrem Unterricht und fing das Griechische an; und wie er Alles mit ganzer Seele treibt, so mußten die kleinen Griechen schon früh am Morgen und außerdem mehrmals des Tages dran, bis der Stoff ausging, die Lust in den Kindern erlosch und nach wenig Wochen das hitzig Begonnene schon ver altet war, um bald gänzlich aufzuhören. Ein vorzüglicher Mann mag sich immerhin einmal mit einer Thorheit befassen; und ist er originell, so haben wir ihm auch eine originelle Thorheit zu gute zu halten. Drum würden wir die eben erwähnten Kuriositäten hier raum berührt haben, wären sie nicht dem Institute und der Entwickelung und Verbreitung der Methode schädlich gewesen. . . . Pestalozzi hat, sobald er über Erziehung spricht, stets das kleinere Kind im Sinne und denkt niemals an die Bedürfnisse des älteren Knaben und Jünglings. Daraus erklärt sich, daß er auch diese versammeln kann, um mit ihnen kindliche Versuche anzustellen. Statt sich zu begnügen, Knaben, die erst das Lateinische anfangen, für seine Experimente zu benutzen, mußten auch ältere Zöglinge herbei, die sich bereits im Virgil vorbereiten konnten. Mit Recht haben sich manche deshalb beklagt, daß man es ihnen unmöglich mache, vorwärts zu kommen. . . . Was das Experimentieren selbst betrifft, so lag die Verirrung beson ders darin, daß den Versuchen keine Untersuchung des Stoffes vorausgegangen war. Das gab Anlaß zur Verbreitung irriger Ansichten über die Methode. Denn mancher sah wohl den Irrtum ein und fand darin einen Beweis, daß Pestalozzi den von ihm aufgestellten Begriff des Naturgemäßen in seinem eigenen Kopfe noch keineswegs geläutert habe und mehr mit der Imagination taste, als mit Verstand suche. Andre aber mochten das Tasten für's echte Suchen oder gar schon für ein entschieden methodisches Verfahren halten; i) „Pestalozzi arbeitete Tag und Nacht mit beispielloser Anstrengung in seinem Zimmer an Sprachübungen, schrieb Cahiers über Cahiers und dachte nichts als diese Cahiers. Diese sollten das Haus retten. Mit der hartnäckigsten Überzeugung sagte er jedem, diese Arbeit werde dem verlorenen Kredit glänzend und mit einem Schläge aufhelfen. . . . Wer auch jagt: es geht nicht, wir sind verloren, um Gottes Willen seht, wie es steht, der wird auf die Cahiers vertröstet. . . . Daß ich nicht daran glaubte, empörte ihn." Rosette Kasthofer an Muralt 8. Juni 1813. Morf IV, S. 415.