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lesen; und ich denke, der alte Blochmanu, wie ich den angehenden Jüng ling einst kannte und vor vielen seiner Gefährten in gleicher Laufbahn lieb gewonnen hatte, ist aus den Zerstreuungen, denen er sich einige Zeit zu sorglos und durch die nicht günstigen Umgebungen zu mächtig angezogen, seiner selbst vergessend hingegeben und einen Theil seiner edlen Selbständig keit fast geopfert hatte, zu sich selbst zurückgekehrt; er hat sich, wie ich es immer zu der Zeit ahndete und hoffte, mit seinem eignen bessern Selbst gefühl, welches nur periodisch schlummerte, um bald mit desto lebhafterer Regsamkeit wieder zu erwachen, ausgesöhnt, und aus der langen und gefahr vollen Krise ist der veredelte Mensch desto kräftiger und hoffentlich auch desto sicherer vor ähnlichen periodischen Verirrungen hervorgegangen. Wer so zurückkehrt von einem Irrwege und mit einem so ernsten, sich selbst richtenden Blicke die Vergangenheit und die Gegenwart beurtheilt, der darf nicht fürchten, daß er die Achtung und Liebe der Verständigen für immer verlohren habe, und so, mein theurer Blochmann, drücke denn auch ich Sie mit inniger Freude, als einen meiner talentvollsten und wackersten jungen Freunde, und als einen für seine höhere Bestimmung früh geretteten und ganz wieder gewonnenen jungen Mann, an meine Brust, und preise mit Ihnen tief gerührt die Vorsehung, welche Sie einen Weg führte, auf welchem Sie durch so manche günstige Umstände unterstützt, bald die vestig- keit des Herzens, die Harmonie Ihrer Gefühle und den innern Frieden der Seele, welche in dem vorhergehenden Rausche der Sinnlichkeit schwankend geworden waren, zu Ihrem wahren Heil für die Gegenwart und Zukunft am leichtesten und besten wieder gewinnen konnten. — Es ist ein köstlich Ding, daß das Herz vest werde, und wer da stehet, der sehe wohl zu, daß er nichtfalle, dies wahre und schöne Wort des heiligen Gottesmannes, dem wir beide nicht werth sind, die Schuhrieme auszulösen, diene auch Ihnen in der neuen Periode Ihres Lebens zur kraftvollen Ermunterung und Warnung. Die Erfahrungen verschiedner Art, welche Sic in dem Gange Ihrer sittlichen Bildung in den letzten Jahren gemacht haben, haben Ihnen einen schönen Gewinn für wahre Selbsterkenntniß und Menschen- und Weltkenntniß verschafft, und daß Sie diesen Erwerb auch darum, weil er nicht so wohlfeil von Ihnen erkauft wurde, auf die best möglichste Art nicht weniger für sich, als für die, welche Ihrer Leitung und Fürsorge für Ihr geistiges Wohl anvertraut sind oder noch künftig werden möchten, mit gleicher Einsicht und Bedachtsamkeit, als sorgsam pflegender und bewahrender Liebe und strenger Gewissenhaftigkeit benutzen werden, das glaube und hoffe ich vest von Ihnen, theurer Blochmann, und wie sollte diese Hoffnung, die Sie gewiß nicht täuschen werden, mich nicht noch inniger an Sie ketten und mir den Gang Ihrer künftigen Lebcnsschicksale und Er fahrungen doppelt interessant machen?^— Wie aber dem jungen Kandidaten der befremdliche Entschluß, zu Pestalozzi zu gehen, gekommen ist, hat er selbst in der Vorrede zu seinem „Heinrich Pestalozzi» so erzählt: „Als ich im Frühling 1809 meine theologischen Studien in Leipzig vollendet hatte und einige Monate in Dresden bei der treuen Mutter ver weilte, ward mir die Stelle eines Erziehers in dem Kurländischen Hause des Baron v. Manteuffel unter sehr günstigen Bedingungen angetragen. Ich war im Begriff, den Kontrakt zu unterzeichnen und' nach Riga abzureisen, als eines Nachmittags ein Universitätsfreund mir am Seethor begegnet und mich