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schlummernden Vorstellungen und wird der Herzenskündiger seiner Geschöpfe. Zweifellos Hot sich König Heinrich vor Horfleur (III., 1 und 3) und in der Unterredung mit dem Gesandten (IV., 3) kürzer gefaßt, aber daß sein Geist, der seine Truppen beseelen möchte, darnach verlangt, dies auf dos Nachdrücklichste zn thun, daß sich dies Verlangen dichterisch ausathmen muß und nicht in einem „Vorwärts, Marsch!" stecken bleiben darf, ist ebenso natürlich. Ganz ähnlich steht es mit der Rede an den Commandanten, mit der leidenschaftlichen Schilderung der Greuel, die über die Stadt hereinbrechen werden, wenn sie sich nicht auf Gnade ergeben werde — Vorstellungen, die des Königs Seele sehr wahrscheinlich beschäftigten, wenn er ihnen auch iu der wirk lichen Situation, auf dem den wenigsten Menschen vertrauten Instrument der Sprache, keinen so breiten und dichterischen Aus druck verliehen haben würde. Der Fehler bleibt nur, daß die Bilder der jeweiligen natürlichen Empfindung nicht immer entsprechen, sondern stellenweise gesucht und manierirt klingen, z. B.: „Dann leiht dem Auge einen furchtbar'» Blick Und laßt es durch des Haupts Stückpforten schann wie ehernes Geschütz" u. s. w., und daß, wenn sie au und für sich dem natürlichen Empfindungs- und Vorstellungskreis des Redenden wohl entsprächen, sie doch zu reichlich verwandt werden. Dieser Vorwurf trifft aber, wie gesagt, nicht das berechtigte Priucip des Dichters, seine Personen selbst dann ihre Empfindungen aussprechen zu lassen, wenn sie dies im wirklichen Verlauf der Dinge nicht gethan haben würden, sondern die Art und Weise dieser Aussprache, der bei den lichtesten Schönheiten wieder die häßlichsten Auswüchse eigen sind. Bedenklicher übrigens als die langen Reden sind einige Fanfarvnnaden, die dem König in der dritten Scene des vierten Actes mit unterlaufen: „Der heut'ge Tag heißt Lrispianus-Lest: wer heute überlebt und heil nach Haus kommt, Der wird sich recken, wenn der Tag genannt wird, Sich rühren bei dem Namen Lrispians.