95 ich kannte sie gleich, und als ich aufmachte und er mich sah, sprang er von seiner Zeichnung auf, umarmte mich und sagte: „Ihr kommt mir wie ein Schutzengel!" — In seiner Stube herum hingen viele Zeichnungen von den schönsten Gegenven Neapels, die er alle an Ort und Stelle ausge nommen hatte. Die Arbeit, womit er sich eben beschäftigte, war für einen Holländer, dem ich ihn von Rom aus em pfohlen hatte. Es fehlte ihm gar nicht an Bestellungen; aber seine Preise waren zu gering und er arbeitete zu lange an seinen Sachen, weil er Alles auf's Genaueste ausführen wollte. Dabei konnte er nicht bestehen. Als er hörte, daß auch Goethe in Neapel sei, stieg seine Freude noch höher, und er ging gleich mit mir, um ihn zu sehen. Dem gefiel er und von nun an war er täglich bei uns. Goethe be stellte bei ihm Zeichnungen von neapolitanischen Gegenden, und ich rieth ihm, statt meiner den Kniep mit nach Sicilien zu nehmen; der könnte ihm die schönsten Gegenden auf der Reise zeichnen, und so entstände daraus ein doppelter Vortheil: für Kniep wäre diese Reise ein Glück aus zeitlebens und Goethe erhielte durch die Zeichnungen ein sichtliches Andenken daran. Dies wurde denn auch beschlossen; Kniep reiste mit. Eines angenehmen Tages erinnere ich mich, den wir in Bajä zubrachten. Prinz Christian von Waldeck, der zu der Zeit in Neapel war, lud uns ein, mit ihm jene Gegend zu sehen. Nachdem wir den Golf von Bajä durch fahren und die Gegend durchwandert hatten, speiseten wir in einer Villa, welche einem Freunde des Prinzen gehörte. Sie lag auf der Höhe der Solfatara und hatte die schönste Aussicht auf den Golf von Pozzuolo. Der Prinz von Waldeck war mir sehr gewogen, bestellte verschiedene Arbeiten bei mir und bezahlte sie sehr gut. Er kaufte auch eine Sammlung Medaillen, antike Bronzen,