56 Lrenrlanä Oberlsusiß I^r.Z Die ^ntv/icl<lung cler?extilinclultne in 6ko6köliksc!o^, öketnig uncl Dmgegenc! Von Ioh. Schmidt 4. Die im Mittelalter nach dem Ästen zu gerichteten Koloni sationsbestrebungen veranlaßten die Markgrafen von (Meißen und der Lausitz, fränkische und tbürinaische Leute in Bewegung zu sehen und sie in den vielen Mußtälern östlich der Elbe bis zur Spree und Neiße seßhaft zu machen. Nur wagemutige, gesunde, kräftige und Willensstärke Manschen find es, die sich von der beengt gewordenen heimatlichen Scholle losen und sich für das kämpferische Leben eines Kolonisten entscheiden. Nicht mit kriegerischen Wessen oder mit Schwert und Blut, sondern in friedlicher Entwicklung nur mit Art und Pflug und im Schweiße harter Arbeit baben diese fränkischen und thürin gischen Kolonisten um das ^ahr l200 das neue Land erworben und in dieser Gegend in Reihen- und Straßendörfern gesiedelt. Der Erfola dieser Germanisierung der Lausitz im Rahmen des großen Aufbruches des deutschen Volkes nach Osten, der be deutendsten Tat der Deutschen im (Mittelalter, zeigte sich bald in einer größeren Ertragssteigerung ländlicher Produkte und Hebung der Landeskultur, die auch von der wenig vorhandenen slavischen Bevölkerung willig angenommen wurde. Der gewerbliche Hausfleiß der Siedler neben ibrer Land wirtschaft entwickelte sich besonders auf dem Gebiete des Webens, sodaß sich später die Weberei selbständig machen konnte und die lausiher (Weberdörser im Reiche bekannt wurden. Bis ins vorige Jahrhundert war der Machsbau Ostsachsens bedeutend und gepflegt, ebenso namhaft ivaren die (Wollerträg- uisse der Schafzucht. Etliche (Wiesen der Talgründe dienten zum Rösten und Bleichen des Flachses: ausgedehnte Weide plätze standen den Schäfereiaütern zur Verfügung. Sachsen stand einmal in der Schafzucht in Deutschland an erster Stelle: es hatte ans Spanien .Merinoschafe eingefübrt, deren Ver breitung und durch sie erfolate Veredlung solche Fortschritte machte, daß die sächsische Wolle an Feinheit die spanische übertraf und in London die höchsten Preise erzielte. Die Leinen- und Wollwarenweberei hatte sich in den Muß tälern der südlichen Hälfte Sachsens aut entwickeln können infolge der Rohstoffversorgung teils durch das Land Sachsen selbst, teils durch die angrenzenden Länder Bödmen und Schle sien. Dem Absatz der Erzeugnisse half ihre Gediegenheit und Preiswürdigkeit. Bis an die großen Waldgebiete der Dresdner Heide heran reichte das oberlaufitzer Teptil-iWirtschaftSaebiet dessen Handelsmittelpunkr die Stadt Zittau war. Das Ver langen nach sächsischen iWebwaren, vornehmlich nach laufitzer Linnen, veranlaßte die Nürnberger Kaufleute, sich in den Handel mit der Oberlaufih einzuschalten. Sie hatten in vielen Orten — in Zittau seit etwa 4600 — ihre ständigen Ver treter, welche die Erzeugnisse der Weber aufkauften. Sie finan zierten ferner das ganze Leinengewerbe und erfaßten dadurch monopolartig das Gebiet der Oberlaufitz mir dem angrenzenden Schlesien und Nordböhmen von Schluckenan über Reichenberg und weiter ostwärts. Eine Vorstellung von der Macht und Größe solcher Nürnberger Handelshäuser vermittelt das(Werk „Die Entwicklung der oberlaufitzer Textilindustrie" von Dr. Her bert Schurig, der darin berichtet, daß ein Handelshaus Nürn bergs im ersten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts bis zu 2500 Meistern mit ihren Gesellen und Lehrlingen beschäftigte. Dazu kommen noch die zahlreichen Spinner und Spinnerinnen. Der Leineneinkauf dieses Hauses belief sich auf etwa 250 000 Reichstaler. Viele Weber besuchten selbst mit ihrer Ware die Märkte und Messen; einige betrieben das Verlagögeschäft. Durch die vielseitigen Handelsbeziehungen gelangten die ober laufitzer Leinenwaren in ferne Länder. Die Nürnberger Kauf leute brachten die Leinwand über Nürnberg und Bozen (daher Butzelleinwand) nach Italien, von ivo sie teils nach dem Orient gelangten. Dieser Handel wurde mit rohgarnigen Leinwänden betrieben. Als sich später der Handel vom Mittelmeergebiet mehr nach dem europäischen Westen verschob und ihn hambur gische, englische, holländische und spanische Kaufleute an sich rissen, kamen weißgarnige oberlaufitzer Leinenwaren über Hamburg, London usw. nach Nordamerika und über Eadiz nach Südamerika. Die Umstellung von rohqarnige auf weißgarnige Linnen gelang vornehmlich mit Hilfe der böh mischen Bleichen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts kamen Tüchel und Buch- und Matrosenleineu hinzu. Letztere fanden hauptsächlich Verwendung zu Hemden und Schürzen für Neaer in den Plantagen der südlichen Vereinigten Staaten und in Mittel- und Südamerika. Oft wurden Webwaren gegen Kolonialwaren getauscht, sodaß auch der Kolonialwarenhandel in der Oberlausstz gefördert wurde. Infolge solchen Austausch handels find damals die bekannten Abraham Dürningcr'scheu Zigarrenaeschäfte entstanden. leilanlick» «1er ltaclt Lrollrökrrriork nach einem Gemälde im Wartesaal 2.1tlasse des Hauptbahnhof« zu Dresden Nicht immer harre diese Eurwicklung einen gleiten An stieg. Kriege und Wirtschaftskrisen haben sie beeinträchtigt. Im dreißigjährigen Kriege zogen raubend, mordend und brand schatzend demoralisierte Heeresteile und Horden durch die Ober lausitz und hemmten das Gewerbe und den Handel. Der sieben jährige Krieg traf nicht minder schwer die Bevölkerung. Die Stadt Zittau wurde 1757 von den Minden beschossen. Der amerikanische Freiheitskrieg schädigte das Überseegeschäft durch den Boykott des englischen Handels und seiner (Waren.