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lie Sildestres gar bald in mißliche Verhältnisse, die eine Unter stützung Schenau's unmöglich machten. So war Schenau nun auf sich selbst angewiesen. Da gab es harte Zeiten der Not; auch Krankheit kam dazu. Er schreibt darüber 4757 an seinen Lehrer Beßler: „Was aber die Krankheit anlanget, in welche ich verfallen, wissen Sie vielleicht noch nicht; weil demnach hier ein ganz anderes Klima, ferner auch eine ganz andere Lebens art und das Wasser im Anfänge sehr ungesund ist, so bin ich in eine dermaßen große Krankheit verfallen, daß Docter und Balbier mir das Leben schon abgesagt, und ich mich auch zu einem seligen Ende nach Möglichkeit schon bereitet hatte: WAl es aber nicht des Höchsten Walle gewesen, mich mit einem seligen Ende zu begnadigen, so bin ich wiederum ganz gesund, und bin die 4 Wochen, als ich gelegen, nicht aus dem Krankenhause kommen, welches von denen Evangelischen hier unterhalten wird, worin man Docter und Arzneyen, Essen und Trinken, wenn man nehmlich zur Besserung gelanget, umsonst hat, und auch verpflegt und gewartet wird, ohne das geringste zu bezahlen; usw." „Aber der Mut verließ ihn nicht", steht in einer französischen Biographie. „Unter dem Druck der äußersten Not arbeitete er Tag und Nacht, er machte Zeich nungen und Kupferstiche." Dank seines tresslichen Charakters standen ihm bald einflußreiche Gönner zur Seite, unter denen der Kupferstecher W ille die erste Stelle einnimmt. Durch diesen kam er besonders mit den ersten und beliebtesten Künst lern des damaligen Paris zusammen, wie Vanloo, la Tour, Boucher, Chardin und Grenze. Sie waren es, welche die Be gabung Schenau's in die rechten und fruchtbaren Bahnen lenkten, indem sie ihn auf das Gebiet des Genres wiesen. Der Geschmack des Publikums bevorzugte jene kleinen, intimen Bilder, bei denen neben einer leichten Sentimentalität bisweilen eine mehr oder minder starke Erotik stand, die alltägliche Ge schehnisse mit zierlicher, spielerischer Eleganz und moralisieren der Tendenz vortrug. — So wurde Schenau in erster Linie Genremaler. Aber auch im Porträt zeigte er seine Fertigkeit, und ein solches der Madame Pompadour, das er 4764 schus, wird als besonders ähnlich geschildert. Zm Genre schloß er sich zunächst an die einfachen Bildchen Chardins an, die Alltäg liches in aufdringlicher Sprache erzählen. So zeigen seine ersten Gemälde Frauen aus den einfachen Kreisen, die ihren Beschäftigungen nachgehen, Büglerinnen, Spitzenklöpplerin nen u. a. Schon bald aber begann sich bei ihm die Vorliebe für Kinderszenen zu zeigen, wie er ste besonders liebenswürdig 4766 in seinen Radierungen mit dem Titel „Achettez mes petites eaur-fortrs" bringt. Zmmer kehren die Kinder bei ihm wieder, ste sind bald richtige Kinder voll kindlichem Schaber nack, bald kleine Gernegroße, Vie es den Erwachsenen gleich tun wollen. Anfänglich gehören diese Kinder, wie alle Personen auf seinen frühen Bildern, durchaus den einfachen Bevölke rungskreisen an, bald aber verlegt er seine Vorgänge in die feine Gesellschaft. Das kam besonders daher, daß er mit der Zeit eine ganz besondere Fertigkeit in der ^Wiedergabe der Stoffe, des Kostümes erlangte. Wir sehen den schweren knittri gen Fall des Atlas, das Schimmern der Seide, den weichen warmen Glanz des Samtes, und wir denken daran, daß ein großer Holländer, Terborch, ähnliches schuf. Er muß damals Bilder von bestrickendem Reiz geschaffen haben. Leider ist kaum eines der Pariser Zeit bisher im Original aufgefuuden worden, wir haben nur die für eine kunsthistorische Beurteilung mit äußerster Vorsicht zu benützenden Stiche. Aber auch sie ver raten uns eine, bei der verhältnismäßig kurzen Ausbildungs zeit erstaunliche Höhe des Könnens. Man sehe sich nur einmal die „Zntrigues amourenses von Halbour", oder „Lecon de botanigue" von Chevillot nach Schenau an, um das Gesagte wenigstens einigermaßen bestätigt zu finden. Vier kleine Bil der, etwa 4770 in Dresden entstanden, aber noch ganz im Zeichen der Pariser Gemälde Schenau's (jetzt in Privatbesitz), die einzigen, die uns zur Zeit etwas von Schenaus Pariser Art berichten, entzücken uns heute noch durch die farbenprächtige, harmonische, reizvolle und feinpinselige Ausführung. Wie be liebt Schenan's Gemälde in Paris waren, verrät uns die große Reihe der berühmtesten Stecher, die nach ihm arbeiteten. Und dennoch zog eg ihn wieder nach der Heimat. Wille hatte schon längst Hagedorn, den Generaldirektor der 4764 neu gegründeten Dresdner Kunstakademie, auf ihn aufmerksam ge macht, sodaß er 4769 einen Ruf nach dorr bekam. Er leistete ihm gern Folge, und wir finden ihn von 4 770 ab wieder in Dresden. Hier stieg er schnell höher, wurde 4773 Direktor der Zeichenschule an der Meißner Porzellanmanufaktur, 4774 Professor an der Akademie, 4776 mit Casanova alternierender und 4795 alleiniger Akademiedirektor. Zn Dresden machte seine Kunst eine ^Wandlung durch, leider aber nicht zu ihrem Vorteil. Das Genre verließ er fast ganz. Eine Bestellung des Hofs, die kurfürstliche Familie zu malen (jetzt in der Dresdner Gemälde-Galerie), wies ihn zunächst auf das Familienbild, auf welchem Gebiete er einige Zahre noch Ausgezeichnetes leistete. Hochwertige Schöpfungen eines auf der Höhe seines Schaffens stehenden Künstlers, zeigen sie alle Vorzüge des Schenauschen Pinsels und seiner farbigen Palette. Es seien erwähnt die „Familie des Freiherrn von Fritsch" und die durch die Menge der lebhaft spielenden Kinder besonders reizvolle „Familie des Kammerrat Ferber", beide noch im Besitze der Nachkommen dieser Familien. Aber es war auch der Gipfelpunkt, und nun begann der Abstieg! — Da Schenau durch seine Stellung selbständig geworden war, so erinnerte er sich seines Zugend traums, Historienmaler zu werden. Es folgte dann von der Wbnde der 80er Zahre an eine Reihe religiöser und mytholo gischer Historienbilder, wie „Heilung des Aneas durch die Venus", „Petrus und Paulus vor Maria", „Cäsar an der Alexander - säule" u. a. m. Für die Dresdner Kreuzkirche schus er das Altarbild „Kreuzigung Christi", ein wohl besseres „Christi Auferstehung und Himmelfahrt" für unsere Großschönauer Kirche, über dessen lWerk viel Schriften und Gegenschriften erschienen sind. Es sind meist keine besonders glücklichen Bil der, manche nufaßlich neben dem Guten seiner früheren Arbei ten, andere fast unverständlich und vollgepfropft von symboli schen und allegorischen Zdeen. Daneben stehen freilich noch immer ansprechende Arbeiten, besonders Kinderbilder, wie „Der Knabe mit dem Grabstichel", oder „Der Knabe mir dem Streu blümchen". Sie liefern eben nur den Beweis, daß Schenau nie und nimmer ein Historienmaler sein konnte. Die Genre bilder aber, wenn wir jene novellistisch erzählenden Stücke so nennen wollen, z. B. „Der 50. Geburtstag" oder „Der ge schlossene Ehekontrakt", leiden wie die Historienbilder unter deni lWandel des künstlerischen Ausdrucks. Das Rokoko war vor über, der Klassizismus nahm seinen Platz ein! Hier lag die Schranke für Schenau. Seine Nkütter werden Heldinnen, seine Kinder nackte Putten, seine Personen alle agierende Schau spieler mit großen Gesten. Die Darstellung verliert ihre Ur sprünglichkeit, die Farbe ihre Leuchtkraft! So steht denn Schenau's Kunst in den letzten Dezennien seines Lebens im Zeichen des Niedergangs! Das darf der Kunsthistoriker nicht verschweigen. Nicht aber darf er ihn deshalb zu den Künstlern rechnen, die eine wissenschaftliche Behandlung überhaupt nicht verdienen. Dagegen spricht die große Zahl der eingangs er wähnten Genrebilder, die Familienbilder und einzelne Stücke