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Aus der Velchichte der „Nepublik" Schirgiswalde Aus einem Vortrag des Herrn Bürgermeisters Vogt, Schirgiswalde, gehalten anläßlich der Frühjahrsvertretersitzung des Oberlausitzer Heimat verbandes am 4. Miai 4941 in Schirgiswalde. Heute weiß man wieder überall im deutschen Vaterlande, daß sich unsere Oberlausitz als eine. Landschaft kerndeutscher Lebenskraft und Lebensfülle offenbart und daß in ihr ein starker Lebenswille Mr Wahrung sind Weiterentwicklung des eigenen Volkstums lebendig ist. An uns liegt es, uns immer mehr in das historisch Ge wordene, naturhaft Gegebene und kulturell Lebensbezogene liebe voll zu versenken. Diese Aufgabe verpflichtet! Heute mehr als je. Und darum glaubte ich keinen Fehlgriff zu tun, wenn ich die Ge legenheit benütze, einiges aus der Geschichte von Schirgiswalde zu erzählen. Schirgiswalde hat eine überaus erlebnisreiche Ver gangenheit, daß es als eine historische Insel nicht nur der Lausitz, sondern des ganzen deutschen Vaterlandes angesprochen werden darf. Selbst wenn diese Geschichte mehr oder weniger bekannt sein sollte, kann auch eine Auffrischung der Dinge nicht nach teilig sein. 2Vas ist also aus der Geschichte von Schirgiswalde beson ders bemerkenswert? a) Die Zeit und die Anfänge der Gründung unseres Städt chens sind — wie bei den meisten deutschen Orten — in ein ge heimnisvolles Dunkel gehüllt. Soviel aber darf mit ziemlicher Bestimmtheit gesagt werden, daß Schirgiswalve eine deutsche Gründung ist, und zwar sind die deutschen Ansiedler vom W esten aus in unsere Gegend vorgedrungen. Die Wenden, die erst später in der Völkerwanderung von Nordosten her in unsere Gegend eindrangen, liebten die Ebene, weil sie ein aus gesprochenes Bauernvolk waren und sich die ebenen Felder leich ter bestellen lasten. d) Woher der Name Schirgiswalde? Auch das läßt sich schwer feststellen. Ein Geschichtsforscher möchte den Namen auf einen Eigen namen zurückführen, und zwar auf den Namen „Sergius", der als erster christlicher Glaubensbote oder als Ritter hier in unsere Gegend vorge drungen sei, so daß die erste Niederlassung den Namen „Ser- giuswalde" erhalten habe. Andere bringen den Namen mit dem wendischen Worte „Schwachem" — denn so heißt Schirgiswalde auf iWendisch — in Zusammenhang. „Schiry" (— Sary geschrieben) heißt „Grau" und wie es den deutschen Familiennamen „Weiß, Braun, Rot, Rothe" usw. gibt, so auch „Grau". Also ein Siedler mit Namen „Grau", von den Wenden „Schirach" genannt — ein im Wendischen noch heute geläufiger Name —, habe stch als erster in unserer Gegend niedergelassen. Die ein fache Lösung des Namens Schirgiswaloe, die die meiste Wahr scheinlichkeit für sich hat, ist wohl die, die ihre Erklärung aus dem Namen „Georgswalde" herleitet. Es tut der Sache keinen Abbruch, wenn man darauf hinweist, daß doch der Ort ..Georgs walde" in der nächsten böhmischen Nähe sich wiederfindet. Das begegnet uns auch bei anderen Ortsnamen häufig. Erinnert sei nur an die verschiedenen Arnsdorf, Röhrsdorf usw. Da Schirgiswalde im Dialekt „Schorgswaale" und Georgs walde „Jorgswaale" heißt, dürfte der Dialekt sogar ein Schlüs sel zur Erklärung des Namens darstellen, freilich müßte man dann auch einer anderen, aber wenig stichhaltigen dialektischen Deutung Raum geben, jener nämlich, die das lWort Schir giswalde, besser „Schorgswalde" mit „schorgen" — schieben in Zusammenhang bringt und darauf hinweist, daß die Schirgis- walder bergige Landschaft eben fast durchweg bei der Benutzung auch der einfachsten 2Dagen und Karren ein.„Schieben" und „Schorgen" notwendig machte. Doch — wie gesagt — das stnd sehr fragwürdige Deutungen. Der Vollständigkeit halber sei hierzu nur noch das eine er wähnt, daß der Name Schirgiswalde in den vorhanoenen Ur kunden die mannigfack'ste Sebreibweise sinvet. Schirgiswalde muß sich im 12. Jahrhundert recht gut ent wickelt haben; und vom 13. Jahrhundert an sind uns die Namen seiner ältesten Besitzer bekannt (Herren von Wartenberg, Berka von Dubä, die Herren von Schleinitz, von Luttitz und von Rechenberg). 1346 wird Schirgiswalde auch schon mit Kirche und Pfarrei erwähnt. Interessant ist, daß anfänglich Schirgis walde aus drei Gutsbezirken bestand: dem Oberhof, dem Niederhof und dem Niederwald. Der Niederwald, gemeint sind die Waldungen, die zum Kälberstein aufsteigen, kam gar bald durch Kauf zum Niederhof., so daß daniit zwei Gutsbezirke er halten blieben. Diese Zweiteilung tritt nocb heute sinnfällig in Er scheinung. Der „Oberhof", gemeint sind die Fluren im „Ober dorf" und am Fuchsberg, besaß und besitzt noch heute ein Herrenhaus im „Schloß", das hinter der Schule steht. Dieses Schloß und der gesamte Oberhof gehört heute dem Domstift zu Bautzen, das die Felder aber alle nicht selbst bewirtschaftet, sondern verpachtet hat. Das Domstift besitzt auch den Nieder hof, das sind die an der Spree gelegenen Fluren, die es im Jahre 1702 käuflich erwarb, so daß es — mit Ausnahme der in Privatbesitz befindlichen bäuerlichen Grundstücke — alleiniger Besitzer von Schirgiswalde ist. Dem Heimatforscher und Geschichtsfreund ist es nun doppelt wert, daß der ehemalige „Niederhof" seine Repräsentanten noch heute jevem vor Augen führen kann. Die drei zusammenhängen den Häuser, und zwar das vom Fleischermeister Schimmeck, das vom Drogist Teubner und das Geschäft von Jakob Töppel gegenüber dem Bürgermeisteramt sind bis zum Jahre 1702 die Herrschaftshäuser des „Niederhofes" gewesen, und zwar das Töppelsche Haus — das ehern. Herrenhaus, in welcbem die Ntalerei einer einstigen Hauskapelle noch heute erhalten ist; das mittlere Gebäude enthielt die Stallungen und das Schimmecksche die Wohnung des Gesindes. Dazu gehörte die im Rücken der drei Gebäude sich anschließende Brauerei, die erst 1903 in den Besitz der Familie Riedel überging. Zu diesen erwähnten Gebäuden kam als kultureller lWirt- schaftsfaktor die Schmiede dazu, die dem Oberhof wie Nieder hof die Ackergeräte anfertigte und instand setzte und deren zen trale Lage sich , somit aus der Vergangenheit sehr leicht erklären läßt. Ans dem Gesagten ergibt sich folgendes: Das heutige dom- stiftliche Schloß, die katholische Kirche und Pfarrei, die drei zu sammenhängenden Häuser des ehem. Niederhofes mit der Braue rei und der Schmiede bilden den historischen Kern der Entwick lung von Schirgiswalde. Für die weitere Erschließung der Schirgiswalder Fluren zum Zwecke der Landwirtschaft ist ein Gebäude sicherlich noch von Bedeutung, und zwar das „Thürmchen", noch heute reprä sentiert es sich als eine Art Verwaltunasbesitz. Hier hat sicher- sich im Auftrage des Oberhofes ein Beamter die Leitung und Oberaufsicht über die neuanzulegenden Felder innegehabt. Eigenartige und schwere Seiten erlebte Schirgiswalde im 30jährigen Kriege; zunächst einmal grenzpolitisch be trachtet. Mitten im Kriege 1635 überließ Kaiser Ferdinand II. die Lausitz dem Kurfürsten Johann Georg I. von Sachsen. Schirgiswalde aber, obwohl es doch in der Lausitz liegt, blieb bei Böhmen, jedenfalls deshalb, weil der damalige Besitzer des Niederhofes, Otto von Ottenfeldt, im Dienste der böhmi schen Grafen von Rumburg und Schluckenau stand. Schirgis walde bildete somit, rings von sächsischem Gebiet umgeben, eine böhmische Enklave. Im übrigen erlebte Schirgiswalde im 30jährigen Kriege keine guten Zeiten. Kirche, Schule und Pfarrei, sowie die mei sten Häuser waren in Schutt und Asche gelegt. Der genannte Gutsherr Joh. Georg Otto von Ottenfeldt, dem die Hebung des Ortes sehr am Herzen lau, wandte sich deshalb nach dem Wiederaufbau mit der untertänigen Bitte an den damaligen Kaiser Leopold I., Schirgiswalde zur Stadt zu erheben. Die Bitte wurde gewährt. Schirgiswalde wuroe am 19. Februar 1665 zur Stadt erhoben.