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Line Wanderung durch das ludetendeutlche Paradies Von Kurt Thiem, Reichenbach OL. Ja, nur wenige Stunden Bahnfahrt von unserer Lausitz, da ist mau schon im „Paradies", nämlich im Elbetal, das Paradies Böhmens. Zahlreiche Burgen auf schroffen Felsen und gewal tige Höhen, reich bepflanzt mit edlem Wein, Mandelbäumen usw. umsäumen den deutschen Strom. Ich benutzte seinerzeit zu dieser schönen Wanderung die von hier kürzeste Strecke über Rumburg—Böhm.-Kamnitz nach Tetschen-Bodenbach. Diese Äoppclstadt mit ca. 35 000 Einwohnern wird durch den Elbe strom getrennt, jedoch durch eine gewaltige Brücke miteinander verbunden. Hier auf der Brücke bieten sich zwei malerische Bil der: Auf der einen Uferseite das Thunsche Schloß auf 40 m hohem Felsen, auf der anderen Seite die steil abfallende Schäfer wand. Ich bestieg nun die „Lößnitz", einen von den 27 herrlich eingerichteten Dampfern der Sächsisch-Böhmischen Dampfschisf- sahrtS-ÄG. und die Fahrt ging los, getreu nach dem Vers: „Ein Schifflein ziehet leise, den Strom hin seine Gleise." Die erste Burgruine war sichtbar, der Sperlingstein. Diesem drei zackigen Gesellen stattete ich einen Besuch ab. Die zweite Burg ruine taucht auf: Der Blankenstein. Nun wurde Großpriesen (berühmte Bierbrauereien) und Nestomitz (große Zuckerfabriken) berührt. Ein besonders schönes Bild bot der Ort Waldirsche mit dem wild zerklüfteten stimmungsvollen Iiegenberg. Der Elbestrom wird jetzt belebter, mein Schiff nähert sich dem gro ßen Hafen Schönpriesen, welcher die alte Handelsstadt Aussig verbindet. Das Morgenlied dieser ca. 50 000 Einwohner zäh lenden Stadt ist das Pfeifen und Heulen der Sirenen, ein hundertfacher Ruf zur Arbeit. Auch mir galt das Signal, denn ich hatte mich am Vortage zur Besichtigung der Schicht-Werke angemeldet. Hergestellt werden in den Schicht-Werken haupt sächlich Schichtal-Waschmittel, die bekannten Elida-Seifen, Elida-ParfümS, Ceres-Speisefett, Apfelsaft, Visan-Margarine, Kerzen, Oelknchen, Kokosöl nsw. Uebrigens rühmen sicb die Schicht-Werke, die größten Seifen- und Fettwerke des europäi schen Kontinents zu sein. Nach dieser Besichtigung der neuen Heit verfiel ich wieder in die alte Heit und bestieg die romantische Burg Schreckenstein. Es ist die best erhaltendste Burgruine des Elbetales. Auf steilem 444 m hohem Felsen erhebt sie sich über der Elbe. Theodor Körner besang ihn, Ludwig Richter malte das berühmte Bild „Ueberfahrt am Schreckenstein". Richard Wagner und andere große Deutsche waren begeistert davon. Ich bestieg nun zum letztenmal auf dieser Wanderung das Dampf schiff. Doch meine „Ueberfahrt am Schreckenstein" wurde mir dadurch versauert, daß der Dampfer ca. Hf- Stunde im Bau der Staustufe festlag. Der von den Tschechen erfolgte große »Schleusenbau hat dem Schreckenstein viel an Reiz genommen und die Gegend arg verschandelt. Nun brachte mich der Dampfer erst in den Kern des Para dieses. Riesige Obstgärten, in denen Pfirsiche, Aprikosen, wohl schmeckende Kastanien nsw. prächtig gedeihen, umsäumen die Orte Sebusein, Salesel und Praskowitz. Hier blühen die Bäume be deutend eher als bei uns und ist die ganze Landschaft an der Elbe im Frühjahr ein einziges Blütenmeer. Droben, auf den Höhenzügen bei Praskowitz, steht die Kapelle, das traute Du- bitzer St. Barbara-Kirchlein, und schaut still ins Tal hinab. Hier ist der sogen. „Malerwinkel", den schon der berühmte Maler Dorell erkannte. Dem Malerwinkel schließt sich der herrliche Winzerort Groß-Czernosek an. Deutsche Mönche vom Rhein hatten hier bereits im Jahre 4440 die günstige Lage zum Weinbau erkannt und fand ich in den Kellereien des Wein gutes viele „ovale" Fässer mit den Jahreszahlen früherer Jahr hunderte. Den Dampfer hatte ich längst verlassen und wanderte dauernd durch ^Weingärten die Höhen hinauf. Auf der Höhe bietet sich ein wunderbares Bild: Im Tale der anheimelnde Ort Czernosek, die Elbe und im Rahmen des Hintergrundes die hohen Trabanten des Mittelgebirges wie Lobosch, Donnersberg, Radelstein nsw. Mein nächster Besuch galt der Burgruine Kamaik mit ihrem düsteren Wartturm, welcher im Inneren einem alten Schornstein gleicht. Hierauf bestieg ich die anssicbts- reiche „Radebeule", welche mit einem acht Meter hohem Eisen kreuz gekrönt ist. Die Elbe beschreibt um die Radebeule herum einen großen Bogen. Im schönsten Sonnenglanz liegen die Städte Lobositz und Leitmeritz vor mir. In Leitmeritz ist die End station der Sächs.-Böhm. Dampfschifsahrts-AG. Sehenswert ist die bischöfliche Residenz (Bischofssitz seit 4655), an der male rischen Treppenstraße die Iesnitenkirche, am 200 in langen und 400 rn breiten Stadtplatz die alten Patrizierhäuser, das Kelch haus, das Rathaus und die Stadtkirche. Berühmte Brauereien tragen den Ruf als Bierstadt weit ins Land. Leitmeritz war Mittelpunkt des gesamten nordböhmischen Militärs. Als Schulstadt ist es ebenfalls sehr bedeutend, es besitzt u. a. ein Priesterseminar, eine Obst- und Weinbauschule usw. Bei Lvbo- sitz nahm mich der Lobosch (572 m) in Empfang, an besten Hängen die erste Schlacht im Siebenjährigen Kriege am 4. Ok tober 4756 durch unseren „Alten Fritz" gewonnen wurde. Weingärten, Hopfenplantagen und Mandelbäume geben der Landschaft ein südliches Gepräge. Hier finden die rauhen Nord- und Ostwinde keinen Einlaß, die hohen Gebirgsketten schützen das „Paradies" und können die warmen Südwinde ungehindert die große Pracht des Elbetaleö entfalten. Es ist die wärmste Gegend des früheren Böhmens. Der freundliche Bergwirt er klärte mir die Gegend und zeigte mir die schönen Unterkunfts räume der Schwarzenberg-Hütte, welche dem Deutschen Mittel gebirgsverein gehört. Wiederum durch zahlreiche Weinbaugebiete erreichte ich nuu den König des Mittelgebirges, den Milleschauer Donnersberg (835 m), welcher mit einer Wetterwarte 4. Ord nung versehen ist. Einer der prominentesten Bergkenner, Alexan der von Humboldt, bezeichnete den Blick vom Donnersberg als den drittschönsten seiner vielen Reisen. Man sieht die Burgen und Höhen des Mittelgebirges, das Erzgebirge, das Elb- gebirge, das Riesengebirge, das Lausitzer Gebirge usw. An der. Ruine Kostenblatt (566 m) vorbei gelangte ich zum Ber schen (538 m) nahe der Kurstadt Bilm. Der Borschen ist ein steiler, wild zerklüfteter Klingsteinfelsen und sieht von weitem wie ein „ruhender Löwe" aus. Aus seinem Gestein gedeihen Blumen und Pflanzen der fernen Alpenwelt. Dieser Berg hat zu den dortigen Gebirgen überhaupt keine Verwandtschaft und ragt seine nackten Felsenwände nur einzig und allein empor. Es ist der seltsamste Berg, welchen ich bis jetzt bewundern konnte. Im Jahre 4840 hatte ihn sogar Goethe bestiegen und auch er, wie andere berühmte Männer, waren voll des Lobes. Am Fuße des Berges liegt die seit Hunderten von Jahren geschätzte Sauerbrunn-Kuranstalt. Von Bilm brachte mich der Omnibus durch das Brüx—Duxer Braunkohlengebiet nach der welt bekannten Thermenstadt Teplitz-Schönau (ca. 30 000 Einwoh ner). Die heißen Ouellen von 46 Grad haben der Stadt von altersher einen Weltruf verschafft. Besonders sehenswert sind der herrliche Stadtpark und die Claryschen Bäder. Goethe schuf in Teplitz die „Wandelnde Glocke", den „Getreuen Ekkehard", Richard Wagner begann seinen „Tannhäuser" und vollendete sein „Liebesverbot", kleb er Soborten wanderte ich nach der alten Bergstadt Graupen und befand mich auf einmal im Erz gebirge. Hie Rosenburg und der Mückenberg (806 in) sind weitere Glanzpunkte. Von hier aus präsentiert sich das gesamte Böhmische Mittelgebirge zu einem einzigartigen Panorama. Mariaschein, der nächste Ort meines Besuches, grüßte mit sei ner doppeltürmigen ^Wallfahrts-Basilika. Das Innere der Kirche ist besonders sehenswert. Auf meinem weiteren lWege durchwanderte ich das Gebiet der Schlachtfelder von Kulm— Noliendorf. Ohne diese Schlacht im August 4843 hätte es keine Völkerschlacht zu Leipzig gegeben. Hier hatte General Kleist von Nollendorf mit Hilfe der Verbündeten eine große Schlacht gewonnen. Ein 48 m hohes sehenswertes österreichisches, ein preußisches, ein russisches Monument sowie zahlreiche andere Denkmäler sind die stummen Jengen des damaligen großen Rin gens um Deutschlands Freiheit, lieber die Nollendorfer Höhe (704 rn) erreichte ich nun die Sommerfrische Tysia mit den romantischen Tyssaer Wänden im Bereich des Elb- gebirges. Es ist eine Felsenstadt ähnlich dem Adersbach-Wekels-