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und ich hatte dann kein Licht zu meiner beliebigen Verwendung. Beim Kien- oder Buchenspan, der alles außer den Webstühlen beleuchtete, fand ich keinen Platz. Es blieben mir ctlso nur die Sonn- und Feiertage, die aber zum großen Aerger meiner Eltern redlich benutzt wurden. Sie wollten, daß ich zu den anderen Kindern des Dorfes gehen sollte, um an deren Spielen mit teilzunehmen. Brauchte ich Farbe oder Papier, so arbeitete ich etwas über meine Aufgabe welches mir bezahlt wurde und die Erreichung meiner Wünsche ermöglichte. Da ich nebenher mit großer Liebe baute und schnitzte, was auch zugleich eine Lieblingsbeschäftigung meines Vaters war, so wurden jene Abende häufig dazu verwandt, womit ich aber wegen der ab fallenden Späne in häufige Kollisionen kam. Ganz besonders wurde meine Leidenschaft für die Kunst durch die biblischen Geschichten rege gehalten, die in PLasser- farben an den Emporen der Kirche gemalt waren, welche an fangs bewundert, dann nachgeahmt wurden. Sie waren Ur sache, daß ich selten etwas von der Predigt wußte, wenn ich über sie examiniert wurde. Ein böhmischer IN aler , der sich einige Aeit in unserem Dorfe aufhielt, und Bildnisse in Pastell malte, er weckte in mir den Wunsch, dasselbe zu versuchen, das natür lich nicht gelingen wollte, Ich blieb noch lange auf kleine Sachen und Landschaften beschränkt, welche zum Teil nach der Natur gemalt und nachher glücklich verkauft wur den. Jetzt, da das Malen mir doch etwas einbrachte, erlaubte inir der Vater zuweilen etwas mehr Aeit, zumal, wenn eine nicht gar zu unwahrscheinliche Spekulation damit verbunden war. Diese liefen bei mir gewöhnlich auf den Kunstsinn des Apothekers hinaus, die mir beinahe immer, da ich ein erklärter Liebling derselben war, gelangen. Mittlerweile war auch die Aeit gekommen, wo ich mich im Portraitmalen versuchte und mir eins in Lebensgröße so gelungen war, daß es erkannt wurde, woran aber wohl, da es ein auf Urlaub befindlicher preußischer Soldat war, der Bart das Erkennungszeichen sein mochte. Die Bahn war aber doch gebrochen. Mein Talent wurde anerkannt und neue Bestellungen waren die Folge davon. Die erste dieser war eine Kopie des Bildes eines eben verstorbenen sehr verehrten Leh rers. Das Original aber war in Pastellfarben gemalt. Ich hatte keine solchen Farben, und es waren auch in Aittau, welches immer aushelfen mußte, wenn unsere Apotheke mich im Stiche ließ, keine solchen zu bekommen. Ich mußte also selbst welche fabrizieren, wobei mir die Leute, die den schon er wähnten Böhmen hatten seine Stifte bereiten sehen, mit Rat an die Hand gingen. Zinnober, Berliner- und Neublau, gelbe Erde und weiße Kreide boten mir die nötigen Mittel und in Verbindung mit Kohle und schwarzer Kreide hatte ich für den Moment alles, was ich mir wünschen konnte. Die Kopie wurde gemacht und gefiel. Mein Glück war im Steigen! Das Bild war auf Subskription meiner Mätschüler entstanden und wurde in der Schulstube aufgehängk. Ich malte nun mehrere Por- traits, auch mein eigenes,, doch dienten mir zu den meisten Leichen zum Vorbilde, sodaß mich oft die Leute, be sonders auch meine Mntter mit Granen betrachteten, wenn ich nach mehreren allein bei Leichen verbrachten Stunden zurück kehrte. Die Sache machte mir aber Vergnügen, und mein da mals sehr strenger Vater hakte dagegen nichts einzuwenden, in dem ich dabei ein schönes Geld verdiente; denn ich bekam für jedes Bild 46 Groschen und, wenn ich recht nobel bezahlt wurde, sogar einen preußischen Taler, was für mich, sowohl als für alle Dorfbewohner eine sehr schöne Summe war, indem sie in spätestens drei Tagen verdient war. Da sich aber nun meine beschränkten Mittel immer mehr als unzureichend heransstcllten, ich auch in Erfahrung gebracht, daß Pastellsarbenkästen in Leipzig zu haben seien, so bekam ich vom Vater die Erlaubnis, mir einen solchen ans meinen Ersparungen anschaffen zu dürfen. Es wurde also einem im Dorfe wohnenden Fuhrmann, der regelmäßig nach Kolonialwaren, welche damals der nahen Grenze wegen sehr stark verbraucht wurden!, dahin fuhr!, die Bestellung aufge geben, und in kurzer Aeit war ich so glücklich ordentliche Farben zu besitzen. Doch war dies nicht das alleinige Glück. Mein Vater ließ mir sogar ans meine Bitten und das Anreden anderer Leute Stunden geben. Mein nunmehriger Lehrer war ein gelernter Bäcker, der ein sehr schönes Talent für M alerei hatte, aber durch widrige Um stände verhindert worden war dasselbe auszubilden. Er war als Geselle weit herumgekommen, hatte vieles gesehen und immer mit Liebe seiner Neigung nachgegeben, ohne indes die mindesten ernsten Studien machen zu können. Dieser Mann lebte dann in meinem Geburtsorte, und ich war so glücklich wöchentlich zweimal zu ihm in die Stunde gehen zu dürfen. Bald aber er klärte dieser, daß ich in manchem ebenso weit wäre wie er und mir sein Unterricht daher nicht mehr viel nützen könne. Aus Engelhards „V a t e r l a n d ö k u n d e" wußte ich, daß in Dresden eine Kunstakade mie sei, wo man unentgeldlich Unterricht bekomme. INein alleiniges Trachten war nun, dort in die Stunde gehen zu kön nen; aber mein Vater wollte davon durchaus nichts wissen. Trotzdem aber, daß er mir die vernünftigsten Vorstellungen scwohl in Güte als auch im bittersten Ernste machte, daß er mir Schilderungen entwarf, die (sich) leider nur zu oft als Wahrheit Herausstellen, war ich von meinem am Ende mit mehr als Beharrlichkeit geforderten Vorsatze nicht abzubvingen. End lich gab er seine Einwilligung. Es wurde zu dem Awecke Pfingsten 4827 eine Reise nach Dresden unternommen, um die nötigen Erkundigungen einzuziehen. Wir wendeten uns, daselbst angekommen, an einen lieben M ann, der in Reichenau geboren, durchs Militär von dort weggenommen, nun aber in Dresden im Dienste des Kommerherrn von Mießenig sich befand, und von dem jeder Neichenauer wußte, daß er alle möglichen Gefälligkeiten gern zu erfüllen bereit sei. Durch diesen bekam mein Vater die nöti gen Notizen nebst einem gedruckten Formulare wegen der Auf nahme in die Akademie. Mit dieser Reise nun waren meine Hoffnungen auf der einen Seite wohl sehr erhöht, auf der anderen aber auch sehr wieder herabgestimmt worden. In mei nem Vater, der keine angelernte Bildung, wohl aber einen sehr natürlichen Verstand hat, waren die schon früher ausgesproche nen Gegengründe durch Beobachtung in der Nähe wieder sehr gestärkt worden, und es schien am Ende, da ich zu Ostern 4828 nicht Aufnahme fand, daß meine Neigung mit unnachsscht- lichster Strenge niedergedrückt werden sollte. Am Ende aber siegten doch die beharrlichen Bitten der Mutter und die meinigen. Ich be kam die Erlaubnis, daß ich nochmals um Aufnahme mich be werben durfte, welches dann mich sofort geschah. Und welche Freude! Ich erhielt den wohlgesieaelten und unterschriebenen Brief, der mir meinen einzigen Wunsch als gewährt bekannt machte. Doch nur versuchsweise durfte ich von dem Glücke Gebrauch machen. Wenn es zuviel koste, mehr koste als der Vater imstande sei zu tragen, müsse ich nach einem Jahre wieder zurück. Doch aber wurde ich, da mich das erste Jahr nur 54 Reichötaler einige Groschen und Pfennige gekostet hatte, welcher Aufwand zum großen Teile mit aus meinem Ersparten und den Patenpfennigeu gedeckt wurde, das nächste Jahr nicht abgerufen. Auch in der Folge wurde es meinen Eltern nicht,zu drückend, obgleich sie in Verhältnis zu ihren Mitteln viel für mich taten. Durch Vermittelung des eben schon erwähnten Landsmannes nahm mich die mir stets nnvergcßlick» bleiben wer dende Frau von Weßenig, die Tochter des ehe maligen Direktors der Dresdner Kunstaka demie Casanovas, die stets eine sehr große Teilnahme für Kunst und Künstler bewahrt hatte, unter ihre Prodektion. Ihrer wahrhaft mütterlichen Fürsorge habe ich einzig und allein zu danken, daß ich nicht wie so viele andere weniger Glückliche gleich von Anfang an zu Brot zu arbeiten nötig hatte, sondern im Gegenteil meine Studien möglichst sorgenlos machen konnte. In die Akademie ein getreten, begann ich meine Studien in der untersten Klasse, wo ich bei den ersten Elementen mit den Angen anfangcn mußte; denn vom Einteilen hatte ich zuvor auch nicht den entferntesten Begriff. Den Professoren Arnold und Rensch hatte ich dort das meiste zu danken. Letzterer lehrte mich durch seine Strenge ausführen und fertig machen, indem er nur mündlich angab, wo es noch fehlte, und die Arbeit dem Schüler selbst