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Lin handschriftlicher Lebenslauf des Llberlaulcher Malers Lari Vottlieb Nolle Im August 1830 veranstaltete der H u IN b o l d v c r e i n zu Ebersbach im Heimatmusea m der Laufitzbaude eine Sonderschau „Handschriften und Dokumente aus sechs Jahrhunderten". Damit erhielt die Öffentlichkeit zum erstenmal Einblick in eine bisher unbekannte Seite der Arbeit dieses haupt sächlich durch seine naturwissenschaftlichen und volkskundlichen Schätze weit bekannten Museums. Die Schau beruhte aus der reichen Urkunden- und Dokumentensammlung des verstorbenen Erulantenforschers A. Bergmann. Unter dem dr'ss dem Sammeleifer A. Bergmanns vor dem Untergang bewahrren Gut finden sich viele Stücke von besonderem geschichtlichen Wert. Um diese wichtigeren geschichtlichen Zeugnisse einem größeren Kreise zugänglich zu machen, ist ihre Veröffentlichung an ge eigneter Stelle geplant. Sehr aufschlußreich für die Kunstgeschichte der Heimat ist die handschriftliche Lebensbeschreibung des 4814 in Reichenau geborenen Historienmalers Earl Gottlieb Rolle. Die TÜerke des Künstlers zieren noch heute bedeutende Gemäldesammlungen. Eine schöne Auswahl aus seinem Schaffen konnte man in der Ausstellung „Obcrlausitzer Kunst im 10. Jahrhundert" 1035 in Zittau sehen. Die Handschrift umfaßt von Rolle selbst engbeschrie- bene Folioseiten. Der Maler schildert hier, sprachlich freilich oft recht unbeholfen, seinen künstlerischen Werdegang bis zum 10. Januar 1845. Seine letzten Lebensjahre bis zu seinem 1862 erfolgten Tode sind also nicht mehr mit beschrieben. Der in Ebersbach aufbewahrte Lebenslauf berührt sich an vielen Stellen mit der Abhandlung Nolles „Mein Verhältnis zu einem Teile der tonangebeiwen Künstlerschaft Dresdens", die P. E. Richter aus den hinterlassenen Schriften am 5. August 1901 in der wissenschaftlichen Beilage des „Dresdner Anzeigers" veröffentlichte. Durch die eingehende Beschreibung des dörflichen Lebens in Reichenau vor über 100 Jahren besitzt der vorliegende Lebenslauf für die Volkskunde der Oberlansitz jedoch noch be sondere Bedeutung. NeberdieS läßt uns der schwere Kampf, den Rolle in den ersten Jahren mir Not und Armut zu bestehen hatte, den Künstler auch menschlich besonders nahe treten. Sein Wrg vom väterlichen Weberhaus bis zum ersten künstlerischen Erfolg ist ein bezeichnendes Beispiel für den zähen iWillen und Lebensmut des heimatlichen Menschenschlages. Der Lebenslauf lautet: „Ich, Endesunterzeichneter, wurde geboren am 15. August 1814 zu Rgichenau bei Hittau, wo meine Eltern noch leben und der Vater Häusler und Wi ebcr ist. Von noch zwei Brüdern bin ich.der älteste, Schwestern habe ich nicht. Da in der ersten Heit ich teils kränklich, teils sehr bequem war, so wurde ich sehr zeitig in eine autorisierte W i n - kelschule, welche ein alter Einwohner hielt, geschickt, um neben der Buchstabenkenntnis mir auch, da diese der Wohnung meiner Eltern ziemlich fern lag, das Gehen anzuergnen. Später kam ich in die Hauptschule, in welcher ich dann bis zu meiner mit 1Z Jahren erfolgten Konfirmation verblieb, wo ich aber nicht durch die Schuld meiner Lehrer wohl aber meinem wenigen Streben zufolge sehr wenig lernte. Als ich sie verließ, konnte ich kaum eine Heile ohne Anstoß lesen. Unter den nicht eben mannigfaltigen Lektionen fesselten mich am meisten G c - schichte n n c> Geographie. Da mein Vater nie mit meinem Wunsche, Maler werden zu wollen, einverstanden war, mir aber zu jedem anderen mög lichsten Beistand zu gewähren versprach, soweit es nur immer seine, leider nur geringen INittel gestatten würden, so mußte ich vorläufig den W eg aller Reichenauer , freilich mit dem unsäglichsten !W iderwillen , den hinter den !W e b st n h l a n L r e t e n , an welchem ich bis zu Oktober 1828 gekettet blieb, von welchem ich dann der Erfüllung meines Wmnsches entgegen ging. Ich kam nach Dresden, und am 20. d. IN. ging ich überglücklich das erste Neal mit dem Reißbrett unter dem Arme in die Äkavemie. Wodurch die unbesiegbare Liebe zur Nachbildung sichtbarer Gegenstände in mir entstanden (ist), weiß ich nicht. Leichter aber ist es zu sagen, wodurch sic genährt wurde. Ich lasse daher einiges darauf bezügliches folgen, wovon manches aber einer Heit angehört, von der ich nur die unbestimmtesten Erinnerungen habe, das aber doch durch Erzählung, namentlich der Mutter wieder Nebelbildern gleich in mir auftaucht. Diesen zufolge nialteich schon als Kind von 4 Jahren und zwar derart, daß man doch erkennen konnte was ich darstellen wollte. Das erste Material, was ich dazu verwendete, war die weiße Kreide, mit der ich alle Wände und Dielen vvllschmierte, so daß mir diese auf alle Weise unzugänglich gemacht wurde. Bald aber genügte mir aber die Kreide nicht mehr. Ich wollte mit dem Pinsel ordentlich malen, was ich bei dem Tischler oft sah, wo Kommoden und Schränke mit bunten Blumen bemält wurden. Da meinem Verlangen nach Pinsel unö Farbe aber durchaus keine Folge gegeben wurde, so mußte ich mir diese, so gut es gehen wollte, selbst zu verschaffen suchen. Farbe war bald gefunden. Emsig wurden Hiegel geklopft, deren schöne rote Farbe mich besonders anzog. Aber Pinsel — das war eine schwerere Aufgabe! Doch auch für diese wurde in den Stielen der Birnen, den Hweigen der Rutenbesen, deren Spitze gekaut wurde, ein anfangs genügendes Surrogat gefunden. Es muß aber sehr bald eine Aechtung meiner Kunst ersolgt sein: denn ich sah mich in wahrscheinlich sehr kurzer Heft auf die Stube mei ner Großmutter, die als Auözüglerin im Hause war,, beschränkt, mW auch da muß meine Freiheit nur auf einem sehr kleinen Fleck reduziert gewesen sein. Die Großmutter war Näherin und saß Vemnach den ganzen Tag ruhig am Tische. Sie ging, wie es auf dem Lande gebräuchlich, barfuß und hatte nur schwarze Lederpanrosfel an, die ich rann für meine Hpoecke sehr geeignet fand. Ich saß also bei ihr unter dem Tische und malte nach Herzenslust diese voll Figuren, unter denen Tannenbäume und Häuser besonders häufig vorkamen. Waren die Pantoffel voll, so wurüe auch das bloße Bein als Gruiw nicht verschmäht. Da ich aber mittlerweile kleine Pinsel in Kielen gesehen hatte, die aiwere Kinder besaßen, so genügten mir die bölzcrnen nicht mehr. Ich wollte nun solche aus Haaren haben, aber mein Wunsch war noch immer vergebens. Ich war wieder auf Eigen hilfe verwiesen. Federkiele fanden sich überall und Haare, frei lich nicht die rechten, auf meinem eigenen Kopfe! Mir war dadurch so leidlich geholfen; doch aber wollten vicse Fabrikats nicht lange halten, und meine eigentümliche Frisur fiel bald auf. Ich wurde von der Mutter deshalb ins Verhör genom men. Da ich aber gar nichts böses darin finden konnte, erklärte ich die Ursache ganz offenherzig, was (mir) dann ein strenges Verbot znzog, auf welches ich dann auch schr gern cinging, als mir die Mutter zu diesem Hwecke ihren Kopf zur Disposition stellte. Die ersten Tuschfarben, welche ich bei einem anderen Knaben sah, machten mich sehr glücklich, und es blieb dieser solange mein INagnet, bis ich endlich selbst jo glücklich war einen mit 8 Farben zu besitzen. Da ich kleiner Purz Poch besser malte als der große Knabe, so durfte ich jene oft be nutzen, um für ihn Bilder damit zu malen. Oesters aber mußte ich wieder abziehen, ohne das Glück genossen zu haben mich ocs schönen Anblickes zu freuen und mit ihnen zu malen. IN ittlcrwcile aber war nun die Heit ge kommen, wo ich in die Schule gehen mußte, und nicht lange nachher auch wie cs Brauch von per Beschäfti gung meiner Eltern meinen Teil auf mich nehmen, woonrch mir meine Heit auf sehr betrübte Weise gekürzt wurde. Ich durfte jetzt, wo ich Farbe, Papier und Bleistift besaß, erst zu meiner Lieblingsbeschäftigung greifen, wenn ich öas Hicl meiner aufgegebenen Arbeiten erreicht hatte. Im Sommer blieb mir sann, wenn ich miä) recht beeilte wohl nocb eine Stunde oeS Tages übrig. Im !Winter hatte ich an mW für sich noch einen Teil des Abends nötig, um meiner Pflicht Genüge zu leisten.