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Lin adliger Leichenlchmaus'vor 270 Zähren Von Albert IN ünnich, Sohland/Spree „Der BCohledelgeborene, Gestrenge, INanuveste, Hoch- und Wohlbenambte Herr Hanß Heinrich von Eberhardt ans Nieder- Sohland" war am 6. Dezember 4669 nach kurzer Krankheit „mit Tode abgegangen", seine dritte „Ehelichste", Anna Sophia geborene Schwanitzin, auf seinem Rittersttz als Wittib und die drei unmündiaen Söhne Caspar Rudolph, Joachim Heinrich und Gottlob Benjamin aus seinen drei Ehen als Wai sen zurücklassend. Wahrend er starr und kalt auf dem Totenbette lag, Hub auf dem kleinen Herrenhose am Zusammenfluß von Rosenbach und Spree ein reges Leben und Treiben an, das eigentlich schlecht in die große Stille paßte, in die der von Eberhardt nun ein gegangen war. Aber „Noblesse oblige" und das standesgemäße Leichenbegängnis, das aus den 9. Januar 4670 angesetzt war, verlangte umfangreiche Vorbereitungen und Zurichtungen. So mußte denn der Tote fünf lange Wochen warten, bis er endlich mit großem Gepränge in die Gruft der Ahnen übergeben wurde. Die IDinterstürme umtosten derweil das einfache Herrenhaus, die Adventszeik ging dahin, der Weihnachtsabend senkte stch still vom Tsrühlinqsbera auf die wenigen ärmlichen Bauernhütten, des Jahres letzte Stunde verhallte, feierlicher als sonst, vom fernen Kirchturme — und der Tote wartete. 24 Tage lang läutete der Schulmeister die Sterbeglocke für das Seelenheil des Verstorbenen. Aber die Wittib, das Gestnde und die angenommenen Dienst leute, was hatten die nicht alles in diesen Wochen zu schaffen. Wiederholt war die schwerfällige Herrschafks-Kalische auf den grundlosen Weaen nach Budisstn gerumpelt, um die Arau Eber- Ha rdtin sambt Jungfer Anna Catherinen zu Einkäufen dorthin zu bringen. Tagelang war der Schulmeister gesessen und hatte -43 Stück Begräbnisbriese geschrieben, die Boten zu Auß und zn Pferde nach den benachbarten und nach entfernten befreundeten Adelssttzen brachten, um die Standesaenossen zur Leichenfeier zu bitten. Die Trauerkleidung für die Familie und das ganze Ge stade mußte geschneidert die Herrcnstube zur Aufbahrung wür dig heraerichtet werden. Da waren Fenster und Oefen zu repa rieren, Gläser und Geschirr für den Leichenschmaus zu entleihen, und nicht zuletzt war zu schlachten, zn kochen, zu braten und zn backen wie nur je. War können die mannigfalkiaen Vorbereitungen noch heute bis ins kleinste weiter verfolgen. Vor uns liegt ein Aktenbündel „Administrationsrechnungen", welche die Vormünder kür die un mündigen Erben des seel. von Eberhardt führten. Wir finden darin neben anderen originellen Dokumenten eine „Specifica- tion derjenigen Kosten, welche aus meines seeligen Eheliebsten des cum titul. Wenland Herrn Hanß Heinrich von Eberhardts aus Nieder-Sohlandt den 9. f^anuary Anno 4670 gehaltenen Leichenbegängnis ausgelaufen und gewendet worden". Die Auf stellung, die die Unterschrift der "Witwe trägt, schließt mit der beachtlichen Summe von 232 Talern. Aus den zahlreichen Posten der Liste, die mit reinlicher Sorgfalt jede nur irgendwie mit dem Begräbnis in Zusammenhang zu bringende Ausgabe erfaßt, können wir den Ablauf des Leichenbegängnisses rekon struieren. Da lesen wir na.: „Als die Arau Eberhardtin sambt Jungfer Anna Cathe rinen mit dem Gutschen und Waaenhalter wegen nötiger Ein- kaufnng in Budißin gewesen, verzehret 46 Groschen, Daßelbige mahl vor nöthige Beschlag- und Scharfmachung der Pferde 40 Gr. Herrn Peter Stephan wegen genommener Trauer- waahren laut Auszuges -44 Thaler, 2 Gr. Vor 2 Stück Lein wandt der Arau IDittiben zu Schseiern 4 Thaler 6 Gr. Vor 4 Scbock und 6 Ellen, welches zu dem Leichen-Tuche und vor das Gestnde erkauft worden 9 Tkllr. 6 Gr. Vor 4 Stück Schwäbisch (Tuch) 6 Tblr. 6 Gr. Vor der Söhne drey Trauerhüte 4 Tblr. 4 Gr. Vor Caspar Rudolfs Trauer- Schuhe 20 Gr. Vor Hänsels des Dieners 7 Ellen schwarz Tuch ä 43 Gr., 3 Thlr. 49 Gr. Vor 4 Ring Hästel 4 Gr. Dem Schneider vor der ganzen Trauer-Arbeit 5 Thlr 4 Gr. Dem Boten, welcher Joachim Heinrichen seine Trauer-Sachen nach Nennersdorf bracht, 4 Gr. Dem Herrn Schulmeister vor Schreibung 43 Stück Be gräbnis-Briefe 4 Thlr. 49 Gr. Vor 4 Buch Schreibe-Papier gegeben 7 Gr. Vor Einen Calender (!) 2 Gr. 6 Pfg. Dem Boten, welcher nach Oelsa Begräbnis-Briefe getragen, 8 Gr. Dem Boten, welcher nach Klein-Bautzen solche überbracht, 3 Gr. Den 47. Decembris Anno 4669 meinem Bruder Chri stoph Gottloben wegen Einkaufung der Trauersachen nach Bu- öißin vermöget. Und hat selbiaer nebenst einem Knecht und 2 Pferden Übernacht verzehret 4 Thlr. 5 Gr. Vor einen versilber ten Degen auf die Baare 4 Thlr. 6 Gr. Vor ein paar ver silberte Sporen und gehörige Leder 4 Thlr. Vor die Wappen zu mahlen 2 Thlr. 4 Gr. Vor "/§ weiße Leinwandt zu dem Crenze 6 Gr. Vor Iwecken 4 Gr. Vor 2 Schock Brettnagel 4 Gr. Vor nothwendige s^ensteranrichtung 4 Thlr. 8 Gr. Vor einen Ofen anzurichten 2 Gr. Vor ein Vorlege Schloß 4 Gr. 9 Pfg. Dem Schullmeister Christian Gampe wegen Schreibe gebühr, 24 Tage zu Lauchen und andern, laut eingegebener Specification, 4 Thlr. 44 Gr. 9 Pfg. Die Iahlen, die nun folgen, wirken entschieden am pla stischsten. Es sind die Ausgaben für den Leichenschmaus und ste zeigen so recht die Eßlust und d.ie aröbere Sinnenfreudiakeit, die damals zu Geselligkeit und Feierlichkeit gehörten. Selbst wenn man in Betracht zieht, daß die Begräbnisfeierlichkciten drei Tage dauerten und daß allein 43 Personen bezw. Familien durch die Begräbnisbriefe eingeladen worden waren, so muß man doch dem wahrhaft gesegneten Appetit der Traueraesellschaft die größte Achtung zollen. Es ist nach unseren Maßstäben einfach ungeheuerlich, was für Gebirge von Fleisch und sonstigen Spei sen in die Mäaen der Trauernden wanderten. Doch lasten wir die nackten Iahlen selbst sprechen: „Vor 2 Rinder 4 4 Thlr. Vor 2 gemcste Schweine 6 Tblr. 42 Gr. Vor 3 Kälber 3 Tblr. Vor 5 Schöpse 5 Tblr. Vor 3 Schaase 4 Thlr. 48 Gr. Vor 47 Karppen ä 2 Gr., 3 Thlr. 22 Gr. Vor 30 Hechte ä 2 Gr., 2 Tblr. 42 Gr. Vor 4 Kanne Speisefische 45 Gr. Vor 5 Türkische Hühner 3 Thlr. 42 Gr. Vor 47 Gänße 2 Thlr. 6 Gr. Vor 33 Hühner 2 Thlr. 47 Gr. Vor 8 Stück Enten 46 Gr. Vor ein geschänckt Rehe Tranckgeld 40 Gr. Vor 3 Haasen Tranck- geldt 3 Gr. Vor einen gekauften Haasen 5 Gr. 7 Psa. Vor ein Schock Heringe 4 Thlr. Vor 4 Schock und 4 Mandel Käse 48 Gr. Vor 4 Kanne Honig 8 Gr. Vor Brodt uno Semmel 2 Tblr. 7 Gr. Vor Speck 40 Gr. Vor Aepfel 4 Gr. Vor Pfefferkuchen 3 Gr. Vor 2/4 ^Weizenmehl 4 Thlr. 42 Gr. Vor Salz 4 Thlr. 8 Gr. Vor Krien und Iwie- beln 42 Gr. Vor 5 Pfd. ungar. Pflaumen 4 Gr. Vor Euer 4 Thlr. 22 Gr. 6 Pfg. Vor Garten-Ieua der Köchin 4 Thlr. 4 Gr. Vor */« Hierse 5 Gr. Vor Grüze 2 Gr. 8 Pfg. Vor Erbsen 2 Gr. Vor Warze 5 Tblr. 46 Gr. Vor 4 Viertel Mein 48 Thlr. Vor Confect 45 Thlr. (!) Vor 43 Kannen Brandtwein 4 Thlr. 2 Gr." Aürwabr, das kann man wohl mit Ang und Recht eine „feudale" Gasterei nennen und man weiß nicht, was man mehr bewundern soll: die vertilgten Ouantitäten oder die billigen Preise, da 4 Kalb noch 4 Taler, 4 Rind 5^ Taler und ein Karpfen oder eine Ente 2 Groschen kosteten. Bei etwaigen Preisvergleichen vergesse man aber ja nicht die damaligen Ein kommen, die noch viel niedriger als die Preise waren, in Ver gleich zu setzen. So erhielt z. B. nach dem gleichen Aktenstück die, Kinderfrau auf Schloß Nieder-Sohland einen Iahreslohn von 2 Talern! Selbst der neumodischen Sitte des Tabakrauchens konnte beim Leichenschmause gcsröhnt werden. Allerdings scheint die Arau Eberhardtin den „Doback" mehr zur „Parade" oder für einen einzelnen weltmännischen Genießer anaeschasft zu haben, denn auf einen Massengenuß lassen die folgenden Posten nicht schließen: „Vor Pfund Doback 4 Gr. Vor Doback-Pfeifen 6 Pfg. (!)"