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Leben mit Mchern Vor: Rudolf Kreuz, Bautzen Leb>n mit Büchern? Steht nicht das Buch heute in unser aller Aben? Ja — und doch nein! Nicht ein jeder, der ein Buch liest, lebt mit diesem Buch. Es gehört auch mehr dazu, ein Leben mit Büchern zu führen, als ste nur zu besitzen, ja sic vielleicht sogar alle einmal gelesen zu haben! Hu einem Leben mit Büchern gehört Mehr, mein freund Hans kann hier ein Beispiel sein! Vorigen Sonntag haben wir ihn wieder einmal besucht. Das geschieht nicht oft, obgleich er nur knavpe zwei Radstunden von hier im Osten der Lausitz wohnt. Fast zwei Jahre hatte ich ihn nicht mehr besucht in dem schmucken, sauberen ^ndnstricdorfe' an bestem kulturellen Leben er so lebhaften Anteil nimmt. Zweistöckig steht das Haus an der glatten Asphaltstraße. Ein schmales Blumengärtchen schmückt seine Front, während an der rechten Seite ein Gras- und Obstgarten die Gelegenheit zur VEäschebleiche gibt und der im Herbst seinen Aepfelsegen schenkt. Hinter dem Haus ist nicht mehr viel Raum, denn in einem tiefen Bette fließt langsam ,.die Baach" vorbei, von alten, hohen Bäumen am anderen, höher liegenden User über schattet. So liegt denn das Haus, außer in den Morgen- stnnden, selbst im Sommer in einer gewissen Kühle, die sich auch den Zimmern — vor allem im Erdgeschoß — mitteilt und die in den UebergangSmonaten zum frühzeitigen Heizen zwingt. So bullerte auch an diesem sonniaen Herbstsonntagmorgen ein lebhaftes Feuer in dem hohen Kachelofen, als wir mit Hans und seiner Fran nm den Tisch in der großen, vielfenstrigen Stube saßen und von so vielem sprachen, das uns bewegte und interessierte. PNährenö kleiner Gesprächspausen wanderten meine Augen im Zimmer umher. Zwischen rwei Fenstern stand noch immer der Tisch mit dem aufgesetzten Regal, auf dem an Stelle eines noch fehlenden Bücherschrankes der größte Teil deö Bücher schatzes ausgcstapelt war, der zu meines Freundes wertvollstem Besitz gehört! Teure und vielbändige ZOerke sind wenige dabei, rn solchen großen Ausgaben fehlten bisher immer die Mittel. Denn als Hans heiratete, zeigten sich die ersten Anzeichen der Inflation. Frühzeitig kamen dann die beiden Kinder. Arbeits losigkeit und Krankheit stellten sich im mehrfachen Drechsel ein. Wohnungsveränderungen nach außerhalb verursachten mehrmals -wößere Unkosten. Und schließlich überfiel die Frau eine schwere, seit fahren anhaltende Krankheit, die immer neue Geldausgaben erfordert! Unter solchen Umständen war keine Gelegenheit zum Er werb teurer Bücher. Aber der Preis allein macht cs ja nicht! P8ir haben in Deutschland so viele und so hübsche billige Buch reihen und Sammlungen, die wertvollstes deutsches Kultur- und Gedankengut enthalten. Und aus diesen billigen Ausgaben be steht zu einem wesentlichen Teil der Bücherschatz meines Freun des Hans. Viele dieser Bändchen tragen eine ^Widmung: „Zum Geburtstage", „Zu TLeihnachten". Für ein kleines Bändchen Gedichte von Schiller, Hölderlin, Storm, Rilke, für Goethes „Briefe an Frau von Stein" waren trotz aller materiellen Not in den Jahren der Arbeitslosigkeit einige Groschen — vom Munde abgedarbt! — da. Manche Bändchen sind stark abgegriffen, ein Zeichen für ihre lebhafte Benutzung. Hans hat in den schweren Jahren der Not oft zu ihnen gegriffen, und seine Frau hat in den vielen schlaflosen Nächten ihrer Krankheit aus ihnen Trost und neuen Lebensmut getrunken! Aber nicht nur die Ehegatten beschenken sich mit Büchern, auch die beiden Madels, die inzwischen über das Kindesalter hinauogewachsen sind, haben die schöne Sitte ausgenommen und erfreuen ihre Eltern gelegentlich mit kleinen Buchgaben. Be sonders die ältere, 49jährige. die in einer Stadt Mittelsachsens ibr Pflichtjahr verbringt, schickt zuweilen, von ihrem geringen Taschengeld erstanden, ein schmales Bändchen von geistigem Gewicht an die geliebten Eltern, wobei das Vorsatzblatt fast immer ein eiaenes Gedicht des ernsten, künstlerischen Neigungen buldigenden Ntädels entbält. Schließlich finden sich aber auch Bücher von Freunden des Hanfes unter den einzelnen Stapeln. Da ist ein Studienrat aus der Großstadt, ein begabter Lyriker, der Hans mehrere eigene Gedichtbände geschenkt hat. Und Oskar Schwär, der in einem der Nachbardörfcr alljährlich einige Urlanbswochen verbringt, besucht dann fast immer seinen ehemaligen Schüler und läßt beim Abschied ein Exemplar seines letzten Werkes zurück, damit die nicht kleine Abteilung der Deimatliteratur aus der Ober lausitz, die sich in des Freundes Besitz befindet, vergrößernd. Das ^Wesentliche aber ist, daß die Bücher für Hans kein toter Besitz sind! Zhr Fnhalt wird in ihm lebendig und regt ibn zu seinen kleinen Arbeiten über die Lausitzer Heimat, ihre Schönheit, ihre Menschen und ihr Brauchtum an. die er nach des Tages Arbeit meist in mitternächtiger Stunde schreibt. Und die Zeitungen nehmen diese Arbeiten gern ab weil in ihnen ein frohes und dankbares Herz und ein gläubiger, aufgeschlossener Sinn wie eiü reiner, voller Glockenton schwingen! . . . Ein Leben mit Büchern? Nkein Freund Hans in dem schmucken Oberlausitzer Fndustricdorf führt es! öilderausdemoberlauliiserZultiZlebenvergangenerZalsrkunderte Von Albert sM ü n !Wenn wir von den Urteilen unserer Oberlausitzer Gerichte aus längst vergangenen Zeiten lesen, so sind wir wohl zunächst entsetzt über deren Härte und über die Grausamkeit des Straf vollzugs. Wir müssen uns jedoch bemühen, diese oft barbarisch aumutende Strafjustiz aus ihrer Zeit heraus zu verstehen. Die hoch entwickelten städtischen Gemeinwesen des Mittelalters lebten in Zünften, Gilden, Bauhütten und Städtebünden ein straff gegliedertes, auf dem Prinzip der gegenseitigen Hilfe aufgebautcs Gemeinschaftsleben, das in den wunderbaren Bauwerken der Gotik seinen besten Ausdruck gefunden hat. Schutz der Gemeinschaft vor allen Störern und Verneinern dieser Ordnung war oberster Grundsatz, Abschreckung durch här teste Strafen und schonungslose Vergeltung — Äug' um Äuge, Zahn nm Zahn — waren die Mittel der Justiz. Darum wur den alle Delikte, die eine Verletzung des festgefügten gesellschaft lichen Baues bedeuteten, wie Eigentumsvergehen und Brand stiftung, mit dem Tode bestraft. Das letztere Verbrechen, das bei der feuergefährlichen Bauart der Städte und Dörfer fast immer eine Vernichtung oder Gefährdung deö ganze» Gemeinwesens wich, Sohland/Spree bedeutete, wurde besonders nachdrücklich geahndet: Mit Stiefeln und Sporen am Galgen. Ans denselben Gründen, in die jedoch auch machtpolitische Fragen hineinspielen, verfolgten die Städte mit äußerster Schärfe den Straßenraub und das Strauchritter tum und knüpften ohne Gnade manchen adeligen ^Wegelagerer ans. „Eine solche Exekution war Ao. 1482, den 6. Dec., vor genommen worden, indem der Magistrat zwcy solche Personen, die ihren Adelsstand mit Straßenraub besudelt, bey anbrechendem Tage, mit Stiesel und mit Sporen an die Hustiz knüpfsen lassen," schreibt Großer 4744 in seinen „Lansitzischcn LNerck- würdigkeiten" aus der Geschichte der Stadt Görlitz. Auch andere, zeitbedingte Einflüsse machten sich freilich oft in der.Justiz gel tend. Noch war der Nkensch im Geister- und Dämonenglauben tief verstrickt. Konfessionelle Unduldsamkeit beherrschte das Feld und in gewissen Perioden des Niederganges wucherten Ver rohung und Verdummung in allen Schichten des Volkes. In den Oberlausitzer Chroniken finden wir ein reichhaltiges Nläkerial über Gerichtsurteile und Strafvollzug, da die Chro nisten mit Vorliebe Prozeßberichte und Berichte von den öffent-