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28 OderlÄusii^er keimst I^r.S besonders aus. Solche Weihnachtsleuchter sind auch in anderen Gegenden des Lausitzlandes zu finden, aber sie sind kein boden ständiges Gewächs, sondern wohl aus dem Erzgebirge einge führt, wie sich ja auch die nordböhmische Krippenkunst entlang der alten Grenze in einzelne Häuser verpflanzt und da ansehn liche Sprossen getrieben hat. Das Ebersbacher Miisenm gibt überhaupt von der Verflechtung des Volkstums zwischen „hüben und drüben" ein paar markante Beweise. So hat man ans Oberlausitzer Familien alte Bilder erworben, die nicht gemalt, sondern aus Glasstaub, bunten Steinchen, Leder- und Stoff resten gebastelt sind. Sie sind zweifellos nordböhmischen Bastlern abgeguckt, wie auch die vielen bunten Gläser in den Vitrinen kein Oberlausitzer, sondern böhmisches Kulturgut darstellen. Wie weit dagegen die Gewohnheit der Alten, den weiblichen Familiennamen ein „in" oder „inne" anzuhängen (Hauserin, Hübnerinne), ans sudetendeukschen Einschlag zurückgeht, muß der Sprachforscher untersuchen. Ein alter, eigenwillig gemalter Kleiderschrank im Museum, der diese weibliche Nachsilbe im Namenszug trägt, kann darüber keinen Aufschluß geben; andere, teilweise noch ältere Schränke und auch die diversen Brothäusl verzeichnen diese Eigentümlichkeit nicht. Man er kennt gerade an diesen Schränken und Truhen aber etwas anderes: Das Gebrauchsgut des Hausrates war noch im 18. Jahrhundert in fast allen Oberlausitzer Familien ziemlich gleichwertig, nur ganz wenige Stücke ragen durch ihre bessere Oualität kaum merklich hervor. So wenig unterschiedlich war damals auch die soziale Schlichtung unserer Vorfahren. T8ie aber Ebersbach später durch die Mechanisierung und Indu strialisierung sich entwickelt hat, auch das ist im Heimatmuseum an historisch getreuen Darstellungen des Ortsbildes festgehalten. Wb heute Fabrikanlagen sich mehrstöckig aufbanen, lagen da mals noch Acker und iWiese als kümmerliche Kleingartennah rung, und wo so manche Herrschaftsvilla nicht immer vom guten Geschmack ihrer Erbauer zeugt, stand damals noch ein schlichtes Umgebindehaus im trauten Kreise seiner Nachbarn. Es ist eine Fülle von Eindrücken, die solch ein MuseumS- rnndgang bringt, und wie die Zeit dabei vergeht, merkt einer nicht, weil die alte Wanduhr trotz ihren drei Schwergewichten das langgezogene, gemütlich betonte Tick—Tack längst einge stellt hat. Schliefe die Urahne noch im buntkarierten Zwei- spännigen, sie würde sich „malt gähn" mit: „Voater, dr See ger sticht!" Aber auch die Lebensuhr in ihrer eigenen Brust, die zu so viel freudigen und leidvollen Stunden den Takt schlug, steht ja schon lange still. Es mag einer meinen, daß das ganze Museum stille steht, daß es uns nicht vorwärts bringe, und es wenig Zweck habe, sich mit abgestandenen Dingen zu beschäftigen. Wir sind nicht seiner Ansicht. Dann wäre auch jedes Buch ein totes Ding; denn ein Museum i st wie ein Buch, in dem die Lettern und die Ziffern Gegenstände sind, die jeder einzelne ganze Kapitel erzählen. Und wie könnte die Geschichte der Heimat, die hier erzählt wird, auf taube Ohren stoßen? Es ist doch unsere eigene Geschichte; wir sind ja ein Glied jener endlosen Kette, die über die Generationen hinabreicht bis in die dunklen Jahre, da die ersten Siedler Schneisen in den Urwald brachen, der vom Ge- birgskamm über die Verberge lnnabwallte wie ein riesiger Mantel der Mutter Oberlausitz. Gewiß, wir sind Kinder einer modernen Zeit, wir haben andere und bessere Arbeitsmethoden als die Alten, wir karren keine Leinwand mehr zur Nsesse auf mehrtägigen Fußmärschen, unsere Kinder haben kaum einen Handweber mehr kennengelernt. Aber was wäre unser ganzes modernes Leben ohne die Vorarbeit der verblichenen Genera tionen? T8ir haben doch das allerwenigste aus uns selbst ge schaffen. Es ist auch beim Bau der Neuzeit ein Stein auf den anderen gesetzt worden in mühevollen Sorgen und Ringen. Das erfordert unsere Achtung, wie w i r sie erwarten von denen, die nach uns kommen; denn auch uns sind ja Kampf und Opfer nicht erspart geblieben. Gerade in dieser Zeit des härte sten Ringens um unsere Lebensrechte aber mag ein Blick in die Vergangenheit uns erneut stärken. Sollen die Ahnen umsonst gesorgt haben um diese herrliche Heimaterde und für uns, ihre Enkel- und Urenkelkinder? Haben sie uns die Stätte bereitet, wo wir schaffen und wirken, um von fremden Neidern immer nur ausgebeuket - und um das Recht zum frohen Leben gebracht zu werden? Nein! Den Schlußstein, den wir zum Bau einer glücklichen und gesicherten Ankunft Deutschlands jetzt anheben, soll uns keiner mehr aus der Hand schlagen. In solchen Gedankengängen erwachen auch die scheinbar toten Gegenstände eines Heimatmuseums zu neuem Leben, und es ist, als ob es ans allen Winkeln und Ecken wisperte und, vereint zum vollen Chor anschwellend, weit über die Grenzen des Reiches hinausdränge, überallhin, wo heute die Söhne der Lausitz kämpfen, und riefe: Packt zu! Richard Kahler t. Das Ende des Alten von IZuchwalde Zum Untergang des größten Birnbaumes der Oberlansitz Er wurzelt im tiefsten Frieden der Heimat, allwo das Lö bauer iWafser auf seiner kurzen Tieflandstrecke geruhsam und mehrarmig nach Norden zieht, durch verträumte Dörfer mit viel Gänsegeschrei, um wohlbestellte Aecker, üppige Weiden und hohe Gehölze, alten Alienwaldresten. iWie ein treuer iWächter behütete er den Eingang von Buchwalde. Weit und breit hatte er nicht seinesgleichen. Ge waltig lagerte die Krone mit mehr als 20 Ntetern in der Breite über der Straße, die nach Barnth führt. Sein Um fang betrug vier Meter, ein ganz ungewöhnliches Maß für einen Obstbaum. Sein Betreuer, der alte Bauer Zimmer mann, schätzte ihn auf 200 Jahre. Das war gewiß nicht zu hoch. Trotz dieses hohen Alters ergrünte er alljährlich bis in die letzten Zweigspitzeu. Nie Werde ich den Anblick vergessen, den der Riese im weißen, summenden HochzeitSgewande bot. Es war, als wären alle Birnbäume des Dorfes ineinander gesteckt. Seine Früchte zählten nur nach Zentnern. Mancher davon wanderte auf den Markt nach Bautzen. Manch anderer in die Taschen der Buben und Mädel, die hier vorüber nach Baruth zur Schule pilgerten. Und trug er auch nicht die edelste Tafclbirue, so waren es doch gute Wggbirueu auf dem Gang ins Nachbardorf. Ja, er war ein Kerl, ein respektabler Kerl, nach dem sich mancherlei seiner Umgebung zu richten hatte: Graben und Durchlaß der Straße, auch jene häßlichen, aber notwendigeir Dinge, wie Telefon- und Lichtleitungen, die ihren Weg zum Teil mitten durch die Aeste nehmen mußten. So ragte er auf, gewaltig, einsam, ohne Alterserscheinungen, unvergänglich schein bar und zeitlos, der größte, seinesgleichen im Lande, ein Teil den Landschaft selbst. Dann kam Pin Ende in einer einzigen Nacht. Es war dea tollste Sturm der ersten Novembertaae, der sich nach Mitter nacht zum Orkan erhob, der unzählige Bäume entwurzelte, Stämme auseinander riß und meterdicke Aeste wie Streich hölzer rerknickte. Fauchend und heulend verfing er sich in des Alten Rieienkrone. Doch die war fest verankert in drei gewal tigen Stämmen. Stundenlang tobte das Unwetter. Stnnden- lana ächzte und stöhnte der Alte am Wege — und hielt stand. Fast schien auch diesmal des Orkans Gewalt umsonst. Da, in der sechsten Stunde, stürmte die wildeste Windsbraut heran und warf sich mit aller ÜWncht auf den stärksten Stamm. Ein Knall wie ein Kanonenschuß — Stamm und die Hälfte der Krone lagen am Boden. Des Recken Leib aber Ward ausae- risten aus Manneshöhe bis rum Grund. Nun erst erwies sich, daß der alte Birnbaum vollkommen hohl gewesen war. Was von ihm stehen blieb, ging nicht mehr auszubelserm Um Menschen und Tiere nicht zu gefährden, ward er entfernt. Nun er nicht mehr lieht, wird es erll klar, wie gewaltig nnd herrlich, wie einmalig er war, der Alte von Buchwaldek Mar Militzcr.