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Lunge und schnellt uns das warme Blut durch die Adern. Durch die Haut dampft prickelnd die Körperwärme, und wir ziehen die Handschuhe aus. Nun treten wir in den Vvald des Kälbersteinrückens ein. Tierfährten kreuzen unseren Mckg. Jedes Lichtchen ist mit der weißen, kristallenen Last geschmückt. sMy- riaden funkelnder Diamanten. Wäit strecken Buchen ihre leuch tenden Aeste in die Schneisen und unterbrechen belebend das Gleichmaß der schneebeladenen sichten. An der Wegkreuzung Schirgiswalde—Kälbersteine biegen wir links ab und folgen aufwärts dem Kammweg. Bald haben wir den Gipfel der Kälbersteine erstiegen. Die nach Nordwesten geschlagene Lichtung gewährt uns einen feinen Durchblick ins Spreetal. Eine feierliche Stille umfängt uns hier oben, da sind wir Gott nahe, wie Stifter so empfindend sprach: „Eö gibt eine Stille — kennst du sie? —, in der man meint, man müsse die einzelnen Minuten hören, wie sie in den Ozean der Ewig keit hinuntertropfen." Nun wandern wir in Richtung Huh- berg auf der Höhe hin durch eine unvorstellbare Winterpracht. Der Rauhreif hat über Nacht seine kunstvolle Arbeit an jedem Stamm, am allerschönsten aber an den unteren Zweigen und Aestchen getan. Born Rauhreif mit Eiskristallen über schüttet, senken sich die Aeste der Fichten- und Birkenstämmchen, zauberisch gestaltet in strahlender Sonne, aber auch im fahlen Nstondenlicht. Und das alles hat der von uns Wanderern oft verwünschte Nebel am Vortage getan. Am Bergeshang ballte er sich, wand sich, bäumte sich auf und kroch am Boden hin big zu uns herauf auf den Karnin. Bald treten wir in Jungwald ein. Reglos stehen die Bäumchen, vermummt in weiße Pelze, und die aus unendlichen Fernen herabfließenden Lichtströme glitzern, flimmern und schim mern darauf. Der Kammweg öffnet uns entzückende Ausblicke und Durchblicke auf das obere Spreetal bis weit hinein ins sudetendeutsche Gebirgöland. Wie frisch gepudert sieht die weite Hügellandschaft aus, und wir freuen uns herzlich dieser Augen weide. Im Huhberggasthaus halten wir Rast. Dann wandern wir noch Halbendors in der Cunewalder Wanne oder nach Neu- slilza-Spremberg oder Taubenheim ins Spreetal, wo uns die Züge in die Heimat zurückbringen. Kommt mit und erlebt auch jetzt eure Heimat, den Gesundbrunnen eures Körpers, eures Geistes und eurer Seele! A l f r e d H i n k e l m a n u. Das deutsche Wandern Vom deutschen Vschnderkichrec Ministerpräsident a. D. prok. Dr. ferner Wie sich das deutsche Volk, einig in seinen Stämmen und im Sturm der Jecken endlich zur politischen Tat erzogen, in nie gekannter Größe nnd Entschlossenheit nnd Kraft um die stolze Fahne des Führers geschart hat, so stehen auch im Neichsverband öer deutschen Gebirgö- und Wandervereine un sere ^Wanderer treu und fest zusammen in ehrenhaftem Tun, dem edlen deutschen Wunderwerk nnd seinen hohen Iiclen von ganzem Herzen zugewandt. Es gibt auf Erden nichts vollkommen Gleiches, und auf der Unterschiedenheit baut sich die ganze Welt auf. Mannig faltigkeit, Vielgestaltigkeit aber sind erst recht die Kennzeichen deutschen Lebens. Und wenn jede Landschaft im Vaterlande ihr eigenes Gesicht trägt, jeder Volksstamm ein besonderes Gepräge zeigt, so hat auch jeder deutsche Wanderstamm, will sagen: jeder deutsche Gebirgö- und Wandervecein sein nur ihm ge schenktes Vaesen. Rechtverstandenes deutsches lWandern ist an Blut und Boden, an Heimat und Halde, an Land und Leute, an Volks tum und Volksgemeinschaft gebunden;, es geht vom deutschen Menschen aus und mündet im deutschen Menschen. Unter den rüstigen Füßen die heilige Erde, über dem Haupt das große Wander des Himmels mit Sonne und Mond, mit TLvlkcn und Sternen — so geht des rechten deutschen ^Wanderers !Weg. Drei Gesetze aber sind ihm Wegweiser und Halt: Volks tum, Volksgemeinschaft und der geistige Mittelpunkt des ganzen ^Weltalls. Und nur der wird den Segen geleisteter Wanderschaft voll empfinden, in dem sich Völkisches und Gött liches die Hände reichen und der sich dem Bruder im Blute verbunden fühlt, so daß er in der kurzen Spanne seiner Erden fahrt stets hoher Pflicht eingedenk bleibt, die ihn zwar bindet, al er auch hebt und ihm dann in geweihter Stunde des Lebens alle Erdenschwere nimmt, indem sie seine Seele beflügelt, die sich beglückt anfschwingen darf in den unendlichen Raum. Rechtverstandenes Wandern ist mehr als ein nur sport mäßiges Gehen, es bedeutet eine im höchsten Sinne des lWor- tes innere Angelegenheit, die alle silbernen Glocken der Seele lebendig aufkliagen läßt. Der rechte Wandersmann kommt ganz von selber zu je nem Verehrungsgefühl, das uns alle zieren sollte, und indem er sich, mit Goethes ,,Türmer" zum Sehen geboren, zum Schauen bestellt, die schöne deutsche Heimat erschrecket, um sie als heiliges Erbe wirklich zu besitzen, wird er ganz von selber edel, hilfreich und gnt. Wirkliches Wandern bedeutet Einfühlen, Erfühlen, Er fassen; heißt Gliedern nnd Iusammenfügen, Angleichen und Vergleichen, Eindrücke des äußeren Lebens: Farbe, Licht, Ton, Bewegung, das heißt: das Antlitz der Landschaft in sich „ver ¬ wittern" und ins Unbewußte absinken lassen, bis sie in höchsten Augenblicken, wie ein seltsam wandelndes Singen ans dunkler Tiefe steigen und, als abermaliges höheres Erlebnis, die Stun den unvergänglich segnen, in denen sie wirken dürfen. Unser wird auf unfern Wanderwegen so die deutsche Land schaft, deren Nutzen in der Selbstlosigkeit liegt, in der sck uns ihre Schönheit darbietet, unser wird fo die alte, deutsche Stadt, deren Turm- nnd Tor- nnd Mauerkranz jene Geschichte und eigenartig verschleierte Ueberlieferungen haben, um die uns die Männer aus dem Lande des „Busineß" beneiden müssen, weil liier Unwägbarkeiten liegen, denen ihre mitunter schmerzhafte Materialität nichts entgegenzusehen hat- Das Mcksenhafte im Antlitz deutscher Landschaft aber erfaßt keiner, der sie in barsch Platz fordernden Autos durchrast, sondern der „fahrende Ge sell", der frisch ausrückt, der Sorgen ledig, des Kommenden gewärtig, des Aufzunehmenden froh. Das Recht des Alltags ist das Gegebene. Es besagt die unumgängliche Bedingung des erdig gebundenen Seins; der Wandertag muß daher als Feiertag angesprochen werden, er soll ,,Ferien vom Ich", viel mehr noch Dienstfreiheit für das Ich bedeuten, sowohl durch seine geringere ssahl, als die der langen Reihe der Alltage den Eindruck des Ungewohnten, Un gewöhnlichen, Seltenen, Unvergänglichen erwecken und bewäh ren. Reich ist die Ernte für jede wirkliche Wanderfahrt. Du brauchst nur die Tore weit anfzumachen zu Deiner Seele Scheunen, Dich liebevoll zu versenken in die deutsche Landschaft heimatlicher Prägung, so daß ein wohltätiger Einfluß auf die „Landschaft des inneren Lebens" entsteht, von der einmal Schlüter in einem Briefe an die große Droste spricht. Denn schließlich wissen wir, daß das höchste Erleben be dachten, bewußten Wanderns ein Einmünden in das Göttlich- Ewige bedeutet, das zur lebendigsten ^Wirkung kommt, wenn wir in der heiligen Frühe eines sonnigen Sonntags auf Berges höhen den „Tag des Herrn" mit ganzer Seele empfinden. lWenn dann aus allen Tälern weit in der Runde die Glocken als die Jungen der Landschaft zu sprechen beginnen, wenn feierliches Geläute die Hänge emporflutet, dann, ja dann ist Wanderers höchstes Erleben, dann erwandert sich seine Seele über die irdische Landschaft hinaus die ewige Heimat. Unter seligem Erschauern empfindet er den Ring des unbegrenzten Lebens und zugleich die unsichtbaren, aber unzerstörbaren Bande, die diese Welt mit dem Ewigen verknüpfen und sieht, im tief sten Sein bewegt, das „Vaterland in seiner Fülle" vor sich liegen und in dem Maße, wie ihn das Göttliche ergreift, wird ihm auch die irdische Aufgabe bewußt, die ihm an seinem Platze zugeteilt ist.