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Die 42 Mächte Am Heiligen Abend und in den folgenden 42 Nächten orakelt es überall geheimnisvoll. Bekannt ist im Bauerntum der Zwiebelkalender, der Antwort auf die Mage nach dem Wetter des kommenden Jahres geben soll. Die Bäuerin entschält eine Zwiebel in 42 Teile und streut Salz in die Schalenhohlungen. Das Salz zerläuft, und am Nkorgen untersucht sie sie Schalen auf ihren Wassergehalt. Entsprechend werden die Miouate naß oder trocken sein. Eine andere Wettervoraussage für das neue Jahr ist das seit alter Zeit in Taubenheim bekannte „Kalendermachen". Jeder Tag der 42 Nächte bedeutet, sofern der Himmel klar ist unv die Sonne scheint, in der Reihenfolge für das ganze Jahr 4. Glück, 2. Teuerung, 3. Uneinigkeit, 4. Masern und Blat tern der Kinder, 5. gutes Obst, 6. gute Viehweide, 7. keine Teuerung an Korn, 8. viel fische und wilde Vögel, 9. glück liche Handelschaft den Kaufleuten, 40. gefährliche Gewitter, 44. große Uebel und Krankheiten, 42. Krieg und Blutvergießen. Wir sehen also, wer viel glaubt, dem widerfährt viel. So ist es auch mit oen Träumen in den 42 Nächten, die hin und wieoer noch gedeutet werden. Auch hier gleicht jede Nacht einem Monare im kommenden Jahre. Am Heiligen Abende verborgen und verkaufen die Bauern nichts. In den 42 Nächten jaucht der Bauer nicht, mistet nicht aus und verkauft kein Vieh, aber er sät gern, wenn er noch einen Streifen zu säen hat und das iWetter günstig ist. Die Bauersfrau näht und. wäscht nicht und überzieht kein Bett, es möchten sonst Krankheit und Tod einziehen. * Zu Silvester — der Taubenheimer Volksnah nennt ihn „Villseffter" — war das Bleigießen früher allgemein gebräuch lich, doch wird dieser Brauch der Zukunftsdeutung nur verein zelt noch geübt. Er ist aber überall noch bekannt. Glückwünsche zum neuen Jahre waren hier von altersher gebräuchlich. Die Kinder und das Gesinde in Taubenheim brach ten ihren Eltern und Brotherren folgenden über 400 Jahre alten Neujahrsglückwunsch dar, der ivahrscheinlich über Jugan, Schluckenau zu uns gekommen ist: „Ich wünsche Euch viel Glück und Segen zum neuen Jahr, Zwillinge, Back und Türkenwein von der Mosel, von dem Rhein, von der fetten Donau Strande und an dem Hambannerlande; weißen, braunen, grünen Kohl, Rüben, Schoten, Küh und Ochsen, Hirsche, Hasen, Rehe, Schweine, Hühner, Gänse, groß' und kleine, ja auch eine Torte, eingemachte Kellersorten. Das wünsch ich Euch, gesund und frisch, heut zu Eurem Neujahrstisch." Viele Leute geben am Neujahrstage kein Geld aüs. Sie wollen das ganze Jahr ohne Geldnöte sein. Am Morgen be gegnet man gern einem Kinde, es trägt einem Glück zu, aber alte, gebrechliche Leute sieht man nicht gern. Zu Mittag aßen die Taubenheimer Klöße^ oder Hirse zum Schweinefleisch. Das sollte ihnen Reichtum bringen. So ist die Weihnachtszeit nicht nur für die Kinderschar und die Jugend, sondern auch für die Großen von heimlichen Bräuchen erfüllt gewesen; vieles ist vergeßen, aber sie bannt uns immer wieöcr in den magischen Zauber von Nacht und Licht. A. H. Krippenkunlt und Krippenfreude Als die Ellgauer im Jahre 4852 ein Kvippel für ihre Kirche erwarben, das sie bei dem Bildhauer Anton Oueiß in Jglau (Mahren) hatten anfertigen lasten, beschloß der Kirchen- buchführcr seinen Eintrag mit den iWorten: „So hatten wir nun unsere Kindesfreude für ^Weihnachten." Nkögen in diesem Manne bei seiner Niederschrift auch religiöse Gefühle mit geklungen haben, so spricht dennoch aus diesen einfachen, kind lichen Worten echt deutsches und frommes Gemüt, das zugleich urtümlich und charakteristisch die Seele unserer sudetcndeutschen Brüder offenbart. Ja viels von uns, die wohl die Botschaft hören, denen aber der Glaube fehlt, könnten diese so einfachen, unbeschriebenen und glücklichen Menschen beneiden. Sie können sich noch am Bescheidenen freuen, sie können sich noch an kleinste Dinge mit unendlicher Liebe verschwenden, sie bringen die Zähig keit auf, immer wiederkehrenden Rück- und Jehlschlägen zu trotzen. Das zeigen uns alle die Meister der Schnitzkunst im nordböhmischen Niederlande in ihrer langsamen, aber stetigen Entwicklung. Liebe, Ruhe und Geduld, Andacht und Glaube, die dieses leidgeprüfte Volk auszeichnet, haben bei all den vielen prachtvollen Holzplastiken unserer Niederländer Nachbarn Pate gestanden und ihre Hand still geführt. Wohl der köstlichste Hausschatz des Niederländers, der allein ihn kulturell weit über die Slaven erhebt, ist das Krippel. ZAie armselig ist dagegen die slowakische Bilderbogen-Schopa! i-ärrr offenbarte einmal ein Schluckenauer Nkädchen, das im Tschechi schen gedient hatte, das Geheimnis der sudetendeutschen lWeihe- nacht, als sie mir einfach und schlicht sagte: „Als es W-eih- nachten wurde, mußte ich nach Haus. Im Tschechischen gibt es kein Krippel. Ich wäre krank geworden, wenn ich nicht hätte unser Krippel schauen und unser TOeihnachten feiern können." Das ganze Sinnen und Trachten des Krwvlers ist auf die hohe Weihnachtszeit ncrichtct. Bereits im Sommer durchstreift er Busch uni) Wald nach berknorrten Wurzeln, seltsam ge formten Aesten: im Herbst kriecht er auf Jelsen herum, um Möchten und Mioose abzuschneiden, und in der Schneidemühle sucht er Holzstaub und Sägemehl. Und dann die Meude am Aufbau der Krippe! In jeder freien Stunde treffen wir ihn in der Krippelstube an, die einer ^Werkstatt gleicht. Hier hämmert, pocht, färbt, probiert und studiert er, denn jedes Jahr wird die Krippe anders aufgebaut. Und hat er nun glücklich sein lWerk zu Ende geführt, so ist er zufrieden und — das kann nicht ver schwiegen werden — auch stolz, und er läßt alle Vaelt daran teilnehmen. Geht nur einmal hinein in solch ein Krippelstübel! Wie willkommen ihr seid- wie da die Augen des Kripplers leuchten und sein Herz höher schlägt, wenn ihr freundlich An teil nehmt und Anerkennung zollt! So spricht aus der Weihnachtskrippe die Seele dieses treuen Volkes, das Blut der Heimat, das unvergängliche Volkstum, das dies in Sitte »und Brauchtum verwurzelt ist. Die Krippenbaukunst schaut auf eine lange geschichtliche Ent wicklung zurück. Die Weihnachtskrippen, vermutlich aus kirch lichen WÄHnachtsspielen hervorgegangen, in denen die Holz krippe im Mittelpunkte stand, haben sich im Mittelalter über große Teile Deutschlands verbreitet, in den Sndeteuländern, in Oberbayern, in Tirol, Oberösterreich, im Rheinland und in ^Westfalen, also vorwiegend katholischen Ländern mit Ausnahme von Sachsen, wo die Berührung mit den Sudetendeutschen kul turell auch außerordentlich stark war und außerdem der Brauch durch Schnitzvereine (Erraebirae) gefördert wurde. Der deutsche Barock befruchtete die Holzschnitzkunst in ungeahnter Weise und wirkte noch auf die großen iMeister Nordböhmens nach. Nach Rückschlägen in der Aufklärungszeit förderte die lWärme und Gefühlstiefe der der katholischen Kirche nahe stehenden Romantik mit liebender Hand die Arbeit des Holzbild hauers von neuem. Jührend wurde — und wir müssen dies vom völkischen Standpunkte aus sehr bedauern — die orientalische Richtung, an ihrer Spitze Joses Ritter von Jührich unv Schnorr von Carolsfeld Ihr Einfluß und ihre Vorbilder auf den Krippenstil waren so groß, daß die Volkskunst Nordböh mens fast nur orientalische Krippen heroorgebracht hat unv eine