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Wanderungen durch die Lausitz - Anno 1714 Iusammengestellt von Der allzufrüh verstorbene Hans Schemm prägte das schone Wort: „Man kann das große Vaterland nicht lieben, wenn man die Heimat nicht im Herzen trägt!" Dieser Satz hat uns in seiner Schlichtheit und Kürze unendlich viel zu sagen. Alle guten Geister der Heimat und der Kindheit werden wach, wenn man die Worte leise vor sich hin spricht. Aber nur der wird seine Heimat im Herzen tragen, der sie wirklich kennt und ihrer vielfältigen Schönheit auf hundert stillen Pfaden nachgegangen ist. Dessen Augen müssen mit Blindheit geschlagen sein, dem sich in: reizvollen Wechsel von Berg mW Fluß, Tal und lWald, Heide und See nicht die über alle Maßen liebliche Schönheit unserer Oberlausitz lststnbart. Doch Heimat ist nicht nur das unserem Ange Sichtbare, ist nicht nur Landschaft und Gegenwart, Heimat ist ebenso das 'geistige Vermächtnis unserer Vorfahren und Kunde aus fernen Vätertagen. Sich mit ein wenig Liebe in die Geschichte der Oberlansitz zu vertiefen, ist deshalb alles andere als eine trockene Angelegenheit. So wie sich unsere Landschaft durch eine be schwingte, wechselvolle Schönheit anözeichnet, so ist das Charakte ristikum . der tausendjährigen Geschichte unserer Heimat das Wechselspiel, die Vielfalt. Wie ein prächtiger Farbenfilm, aus zahllosen packenden Einzelbildern und Episoden zusammen gefügt, rollt die Geschichte der Oberlansitz vor unseren Augen ab. Heute wollen wir einmal unter zeitgenössischer Führung kreuz Und quer durch die Heimat streifen, um sie in dem Zu stande zu betrachten, in dem sie sich vor rund 240 Jahren den Augen unserer Ahnen bot. Unser Reiseführer ist der ehrwürdige Samuel Großer, ehemals Rektor des Görlitzer Gymnasiums, ein Zeitgenosse des Barock, der sich dadurch der Nachwelt Ruhm erwarb, daß er als erster im ^ahre 4714 ein zusammenfassendes Werk über die beiden Lansitzen in deutscher Sprache herausgab. Aus eben diesem Werk, den „Lausitzischen Merckwürdigketen", einem umfangreichen Folianten, wollen wir ihn nun selbst zu Worte komme» lassen, indem ec uns in seiner drastischen und gemütlichen Art von allerlei interessantem und Merkwürdigem aus der Oberlausitzer Geographie und Wirtschaft um das Jahr 4700 erzählen soll. Der Titel des wertvollen Buches lautet wörtlich: „Lau- sitzische Merkwürdigkeiten Darinnen Von Beyden Marggraff- thümern in fünf unterschiedenen Theilen Von den Wichtigsten Geschichten, Religions- und Kirchen-Begebenheiten, Regiments- Verfassung, Beschaffenheit der Schulen und Literatur, Landes- Art und Fruchtbarkeit, Vstie auch Gewerben, Handthierungen und Commercien, zulängliche Nachrichten gegeben, Nsiit gehö rigen Documenten und Anmerckungen bestärcket, Wae auch ge hörigen Kupffer-Blättern erläutert worden, von Samuel Großem, Des Görlitzischen Gymnasii Rectore, und der Königl. Preußischen Societät der Wissenschaften Mik-Gliede. Leipzig und Bndißin, Verlegts David Richter, Anno 4744. Gedruckt bey Immanuel Tietzen." Von den Flüssen und Gewässern in Lausitz Die Spree so von denen Lateinern insgemein Svevus genennet, desem ihrem Nahmen nach aber von etlichen Philo- logis in Streit gezogen, und daher lieber Sprea genennet wird, entspringet an dem Böhmischen Gebürge, ohnweit Schluckenau. (Manlius rcferiret, daß nicht nur ihr Vvasser, sondern auch die Fische wegen der vielen Erlen, so an ihrem Ufer stehen, gantz schwartz wären.) Ihr Anfang ist gar schlecht und seichte, allein weil sich in ihrem Fortfließen unterschiedene Bäche darein stürtzen, nimmt sie fast zusehend zu: also, daß. sie nicht nur gar bald unterschiedene Mühlen treibt, sondern auch bey Bndißin bereit zu einer gar ansehnlichen Breite gediehen ist. Von dar wendet sie sich bey Nieder-Gurck in zwey eine große Insul formierende, aber bey Spreewitz wieder zusammen laufenden Armen, gegen Nieder Lausitz, und macht nicht nur bey Sprem- bcrg wiederum, sondern auch nachmals unterhalb Cottbus in dem Vstelt-berufeneu Spree-Vsalde bey Lübenau mit ihren unter schiedenen Armen gleichsam Insuln: schwinget sich so dann bey Albert M" ünnich Lübben und Beßkau vorbcy gegen die Mittel-Marck: scheidet die beyden Städte Berlin und Cölln von einander, also, daß sie zu dem berühmten Canal aus der Oder bis zu ihr Gelegen heit gegeben, denen Lausitzern aber Anlaß eröffnet hat, ihre Victualien auf Kähnen nach Berlin zu schaffen: und endlich stürtzct sie sich bey Spandau in die Havel, mit der sie gleichsam conjunctis viribus letzlich bey Havelberg in die Elbe fließt." Lausitzer Fischrcichmm Nachdem Großer alle anderen Flüsse der Lausitz in ähn licher Art beschrieben hat, kommt er ans den Fischreichtum unserer Flüsse zu sprechen, ein Thema, daß nicht nur die Angler und Feinschmecker interessieren wird: „Diese Flüsse führen nicht nur schöne Fische und schmack bar Krebse, sondern auch allerhand andere merckwürdige Ra- menta oder Fäserlein von ^Metallen und ^Mineralien in sich. Denn die Pulsnitz giebct, unter andern herrlichen Fischen die Steinbeißen, so die Lateiner Gobios nennen: die Spree, die — weit und breit beruffne Schmerlen und Gründlinge, die Neiße überaus delicatc Carpen und Barmen, auch bey Guben bis weilen aus der Oder eintretende Lachse und Vstelße, oder Störe, sonderlich aber um Fast-Nacht viel Neunaugen oder Brücken: der Ouciß bißweilen aus dem Bober eintrctende Brücken ooer Neunaugen, ingleichen schmackbare Forellen: überhaupt aber geben die Flüsse schöne Person, Alruppen, Weißfische, Iappen, Peißker, Karauschen, Kreßen; manche führen auch Muscheln, in denen die Natur einen Ansatz zu Perlen zu versuchen scheinet." Gold in den Bächen Anschließend bringt unser Referent eine Nachricht, oie zwar im Zeichen des Vierjahres-Planes äußerst aktuell ist, deren Verantwortung wir jedoch' Herrn Großer überlassen müssen. „So hat auch D. Johann Francke in seinem Fragments Lusatiae aus dem Thurneissero angemerckt, daß in Ober-Lausitz ohnweit der Stadt Löbau, ein Wässerlein aus dem Gebürge herab rinnet, so seinen Laufs Dstestwärts in die Spree nimmt, und Goldschliech, wie auch Kupffer mit sich führe: also, daß vermittelst der Scheide-Kunst, aus jedem Centner Kupffer I Loth 3 Ov. theil Gold, ingleichen 9 Loth, I Ouo. Silber ehemals gezogen worden: ingleichcn solle auch das 'Wasser dieses Flüßleins, vermöge der mit sich führenden ^Mineralien, vor die Gelbsucht, Uebergang der Galle, Ver stopfung der Leber, wie auch Geschwulst und Wassersucht gar gut befunden worden scyn. Gleicher Gestalt soll auch in der Herrschaft Hoyerswerda, in einem unten an dem so genannten Jungfer-Stein hervor kommenden und ebeher maßen in die Spree rinnenden Bächlein Gold- und Eisenschliech gefunden worden: also, daß ein Centner des gewaschenen Eisen-Schlichs I Loth 2 Ov. Goldes, so nach dem Durchgießen bey 23 Carat in sich hatte, gefunden werden. Ohnweit Senftenberg entspringt ein Bächlein, so seinen Laufs ostwärts in die Spree nimmt und gar feines Kupfer mit sich fährt. Ob nun selbiges wohl mit etivas wilder Art vermischet ist, und sich also einem bereits einmal geschmoltzenen Kupffer- Kieß vergleicht: so hat man bey der Waschung docb in dem Centner 2 Loth und 4 Ouv. Silber befunden, ja auch unter schiedene Mal in dem Vst ass er dieses Bächleins selber unter- schiedne Proben guten gediegenen Silbers angetrofen. Daher mnthlüasset erwehnter Thurncisser, daß in selbiger Gegend gar ein reicher Kupfer-Schatz, jedoch ziemlich tief verborgen liegen müsse. Das Wasser dieses Bächleins ist auch wider das Nase- Bluten, wider die Krätze, rothe Ruhr, ingleichen Husten und kurtzen Athem oftmals gar heilsam befunden worden." Von den Lausitzischen Wäldern Hier interessiert uns besonders der Wrldbestand, unter dem wir manches Tier als heimisch finden, daß es heute nur noch in oen zoologischen Gärten des Landes gibt: