Volltext Seite (XML)
getroffen hakte, wie z. B. die auf Ausschalten unliebsamer Kon kurrenten gerichtete Ausschließung des fremden Arbeitsmarktes, eine Maßnahme, welche die in ihren blinden Haß verrannten Weber nicht als ihren Nutzen erkannten oder besser nicht er kennen wollten. Deshalb stellte der König seine neue Unter tanen unter eine starke Kontrolle von Kommissaren, welche sehr bald die Böcke von den Schafen zu unterscheiden wußten. 2Dcnn auch gesagt werden muß, daß der größere Teil der ausgewan derten Weber ernstlich bemüht war und es auch erreichte, sich durch Fleiß im neuen Lande eine neue Existenz aufzubauen, gab es doch auch viele Abenteurer, welche glaubten, auf Kosten des Königs ein faules Leben führen zu können, indem sie die In betriebsetzung der Stühle endlos hinauszögerten, von den ver traglichen Nahrungsgeldern sozusagen wie von einer Pension lebten und den lieben Gott den frommen Mann sein ließen. Da aber Friedrich der Große bekanntlich nichts mehr haßte als unfähige und faule Menschen und außerdem ein genauer und knausriger Rechner war, ließ er diese unproduktiven Drohnen elemente gnadenlos fallen. Er entzog ihnen die „Nahrungs gelder" und steckte sie kurzerhand als „lästige Ausländer" unter die Soldaten, wenn sie nicht vorzogen, das ungastliche Land vor her zu verlassen. Mehrere dieser gescheiterten Existenzen kamen mittellos nach Großschönau zurück, wo sie vom Hittauer Rat „liebevoll" emp fangen, d. h. ins Gefängnis gesteckt und dann meistens nach vem Borbild des Preußenkönigs als Kanonenfutter dem sächsi schen Heer einverleibt wurden. ^Weiterhin ließ es sich der Rat angelegen sein, unter Hinweis auf „die als Bettler Heini gekehrten die Auswanderung nach Preußen als eine Unterneh mung hinzustellen, die für die Weber, da der König offenbar seine Versprechungen nicht halte, anstatt zu einer neuen Exi stenz, zu völliger Verarmung und Unglück führe". Aber diese „wohlmeinende Warnung eines fürsorglichen Rathes" scheint auf die Großschönauer TLeber keinen besonderen Eindruck gemacht zu haben, denn diese wurden durch ihre freunde aus der Fremde über die wahren Zusammenhänge genau orien tiert, und zwar durch Briefe, welche die preußischen Kuriere nach Großschönau brachten. Und da nun aus verständlichen Gründen dieser Kurierdienst nur den erfolgreichen, d. h. tüch tigen Webcrkolonisten zur Verfügung stand und diese wieder im eigensten Interesse nur Freunde zum Nachkommen ermunter ten, die sie als ihnen gleichveranlagt kannten, fand mit der Heit eine natürliche Auslese statt, welche nach und nach zu einer so gut wie völligen Ausmerzung der unzuverlässigen Elemente führte und, da nun das immerhin abschreckende Beispiel heim kehrender verkrachter Existenzen wegfiel, die T8eber erst recht zur Auswanderung ermunterte. In zabllosen Verordnungen au den Großschönauer Richter gibt der Hitkauer Rat seiner ohnmächtigen Wut Ausdruck. Vor allem jammert er, „daß die pflichtvergessenen Unterthanen, nicht genug, daß sie zum Feinde übergegangen seien, auch noch hohe Stcuerrückstände zurückgelassen hätten". Die Häuser, welche die Geflohenen vielfach im Stich gelassen hatten, ohne über sic etwas zu bestimmen, wurden vom Rate beschlagnahmt und ihre Besitzer für vogelfrei erklärt. Mehrere dieser Häuser gerieten in Verfall, einfach weil sich niemand um sie scherte. Als die siegreichen Preußen kurz nach Beginn des Jahres 4746 die Oberlausitz verlassen hatten, hörten die VveberauS- wanoernngen wie abgeschnitten fast völlig auf. Das kam einmal daher, weil der Zittauer Rat nun wieder Herr im eigenen Hause war und die Weber schärfer an die Kandare nehmen konnte. Hum andern legte sich die Regierung nun endlich ins Mittel, da sie einsah, daß diese unhaltbaren Hustände nicht länger weiter bestehen könnten. Durch kluges Hureden wußte sie die beiden einander widerstrebenden Parteien an den runden VerbandlungStisch zu bringen. Die Verhandlungen, die sich jahrelang hinzogen, blieben jedoch erfolglos,, da jeder Teil glaubte, von dem anderen über das Ohr gehauen zu werden, und gelangten ebenso plötzlich, wie sie ausgenommen wurden, zum Abbruch, als der siebenjährige Krieg begann, der ähnliche Hustände wie der zweite schlesische Krieg schuf und die Aus- wandcrwelle, wenn auch nicht in gleichem Maße, erneut an- jchwcllcn und erst langsam gegen Ende der Jahrhundertwende zum Stillstand kommen ließ, nachdem durch das endliche Hu- standekommen einer beide Teile befriedigenden „Damastordnung" segensreiche Früchte zu tragen begonnen hatte. Nach dem Bericht des bereits oben genannten Chronisten Richter soll Friedrich der Große für seine „Damastcampagne" die für damalige Verhältnisse gewaltige Summe von 400 000 Thalern aufgewendet und direkt oder indirekt nahezu 500 Da- rnastweber aus Großschönau wegaeführt haben, wodurch das auffallend geringe Aufsteigen der Einwohnerzahl im 48. Jahr hundert zu erklären ist, die sich hingegen in den ersten drei Jahr zehnten des folgenden Jahrhunderts nahezu verdoppelte. Der sächsische Churfürst Friedrich August, König zu Polen, ließ bei allen Friedensverhandlnngen der schlesischen Kriege kate gorischen Protest gegen den „völkerrechtswidrigen llnterthanen- raub" einlegen, den aber die preußischen Unterhändler kalt lächelnd und nicht ohne Ironie mit dem Hinweis zurückwiesen, „daß die Großschönauer Weber freiwillig und ohne allen Hwang zu ihnen gekommen seien". Die böhmische Damastweberkolonie In gewissem Sinne beging auch Friedrichs Gegenspieler, nämlich Oesterreich, in Großschönau Untertanenraub, ohne daß, zunächst wenigstens, der Hittauer Rat eine Ahnung hiervon hatte. Denn in den Jahren 4755 bis 4772 entstand in Birk stein in Böhmen eine blühende Damastindustrie, die von dem Großschönauer sehr geschickten Damastweber David Krause ge gründet und gemeinsam mit seinen nachaezoaenen Freunden zu hoher Entfaltung gebracht wurde. Als Verbindungsleute kom men die seinerzeit von den Großschönauern illegal beschäftigten und wieder nach Hanse zurückgekehrten „Warnsdorfer Put schen" in Fraae, welche dem böhmischen Grafen Kinsky unter tan waren. Dieser interessierte hierfür die Kaiserin Maria Theresia berw. den Kaiser Joseph, welcher für jeden aufgerich teten Stuhl eine Prämie von 25 bis 50 Gulden und ähnlich wie der preußische König weitere pekuniäre Unterstützungen be willigte. Mit diesem Angebot lockte Graf Kinsky erst den Wieder Krause, und für späterhin,, da der Kaiser — anders wie sein wortbrüchiger Vorgänger — seine Versprechungen getreu lich hielt, die anderen nach Birkstein, von wo aus sich die Manu faktur auch nach Rumburq und Georgswalde ausbreitete. Nach Krauses Tode zerfiel die Großschönauer TDeberkolonie und die Damaststühle wurden von Warnsdorfer Fabrikanten er worben. Die bisher strittige, von dem mehrfach zitierten Chronisten Richter bejahte, in Großschönauer Fabrikantenkreisen viel fach verneinte Frage, ob in 2D arnsdorf selbst jemals Da mast fabriziert wurde, konnte der Verfasser erst kürzlich dahin klären, daß dies nach der zweifelsfreien Beweisführung eines alten Warnsdorfer Textilfabrikanten eine — wenn auch nur kurze — Heit tatsächlich der Fall war, ohne daß allerdings auch nur im entferntesten qualitativ und quantitativ der Hoch stand der damals noch blühenden Großschönauer Damastmanu- fuktur erreicht wurdet Noch im Jahre 4804 sind im benachbarten Grenzgebiete 447 Damaststühle festgestellt worden, die jedoch sämtlich nach kaum Jahresfrist, eben als Großschönau seine letzte Hochblüte erlebte, endgültig zum Feiern kamen, bis auch in Großschönau, der so viele Pioniere in die V>clt hmausscbickenden Vvaeac der deutschen Damastmanufaktur, Jacquardmaschine und Baum wolle trotz verzweifelten, jahrrehntelangen Kampfes der immer mehr zusammenschmelzenden Damastweberinnunq das alte edle Kunstgewerbe zum Erliegen brachten, welches als teures Väter erbe zunächst wenigstens in der Tradition und darüber hinaus womöglich für eine bessere, einem erneuten Aufstieg vorbehal tenen Hukunft zu erhalten, Aufgabe der Gegenwartsgeneration ist. welche dieser Verpflichtung mit Verantwortungsfrende und Pietät nachkommt, wie bereits in der den thematischen Aus gangspunkt darstellenden Einleitung unseres Aufsatzes festgestellt wurde.