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rende Skeuerbelastung" von Zittau brüsk abgelchnt worben waren und ein dieserhalb bei der Regierung angestrengter Pro zeß sich jahrelang ohne Entscheidung, und zwar — wieder wenig stens nach der MAnung der Weber — in: Zittauer Interesse hingezogen hatte, schritten die iibec die Borenthaltung ihres (wirklichen oder auch nur vermeintlichen) Rechts empörten Weber zum Steuerstreik und schließlich zu offener Empörung und schimpflicher Gewalttat gegenüber dem Rat, die durch die sen mittels einer vom Churfürsten erwirkten militärischen Exe mtion „gerächt" wurde, den bei der Regierung noch immer schwebenden Prozeß automatisch zu Zittaus Gunsten entschied und die Weber rettungs- und bedingungslos der Willkür und Racke des Rates ausliescrte. Etwa 50 der Haupträdelsführer wurden in Ketten nach Zittau und Bautzen geschleppt, zu schweren Geld- und Frei heitsstrafen verurteilt, teilweise auch öffentlich gestäupt und des gefaulten Vermögens für verlustig erklärt. Die jahrelang auf gelaufenen Steuerrückstände wurden bei allen rücksichtslos durch Pfändung oder auch mit Brachialgewalt eingetrieben. Biele Weber waren, um sich der drohenden Strafe zu entziehen, in das benachbarte Böhmen oder wohl auch in das — damals, noch österreichische — Schlesien geflohen. Die meisten dieser Flücht linge kehrten, da der österreichische Kaiser seine anfänglichen Versprechungen nicht gehalten hatte, völlig mittellos in die Hei mat zurück, wo sie nachträglich das gleiche Los ihrer zurück gebliebenen Spießgesellen ereilte. Künftige Verstöße gegen das Damastmandat stellte der Hittauer Rat unter die gleichen schweren Strafen. Die so geduckten und gedemütigten Wieder wagten nun nicht so bald wieder, offen gegen ihre Hittauer Hwingherren auszmuucken, sündigten aber dafür im Geheimen weiter, indem sie aus purem Trotz und ohne eigenen Vorteil Webstühle ver kauften und böhmische Burschen beschäftigten. Mehr als 20 Jahre aber glomm seit dieser im Jahre 4723 erfolgten Demütigung unter der Asche der nun auch auf die jüngere Generation übergesprungene glühende Haß und Ber- geltungswille und wartete auf die gelegene, die befreiende Tat bringende Stunde, die den Webern endlich mit Anbruch der schlesischen Kriege schlagen sollte. hatte, mit welchem er gewohnt war, alle Erscheinungen seiner Heit zu verfolgen und, wenn Lrgendmöglich, nutzbringend in seine weitläufigen Pläne einzubeziehen. Er hatte also den richtigen „Riecher" gehabt, daß die Großschönauer Damastmanufaktur, deren Ruhm nicht nur bis an seinen Hof gedrungen war, son dern deren Erzeugnisse er selbst besaß und schätzte, bei Ver pflanzung in seine wirtschaftlich arg darnieder liegenden Stamm lande und vor allem in die neu erworbene, wenn auch vorder hand noch heftig umstrittene Provinz Schlesien, ein recht geeig netes Mittel sein müßte, den gesunkenen Wohlstand der Be völkerung zu heben und damit gleichzeitig dem ewig hungrigen Staatssäckel neue Steuerquellen zu erschließen. So ging er mit gewohnter Umsicht und Tatkraft ungesäumt daran, seinen vorerst nur von Weitem erwogenen Plan in die Tat umzusetzen, wobei ihm die Unzufriedenheit der mit dem Hit tauer Rat zerfallenen Weber so das richtige Master auf seine Mühle war. Er schickte — mittlerweile hatte der zweite schlesische Krieg begonnen — die gleichen Leute wie das erstemal und in gleicher Verkleidung nach Großschönau, diesmal aber als Werber, die sich heimlich den Webern als Sendboten des Königs zu erkennen gaben und ihnen in dessen Namen folgendes Auswanderangebot unterbreiteten: „Garantiert ungefährdetes Verlassen Großschönaus. Freie Ausreise der Auswanderer mit der gesamten Familie nebst allem (Mobiliar. Voller Ersatz des letzteren im Falle des Hurücklassens, ebenso der Immobilien. Während der Reise und bis zur voll ständigen Einrichtung im neuen Wohnort für jeden Erwachse nen 4 und für jedes Kind täglich 3 Groschen „NahrnngSgeld", ferner freie Unterkunft und schließlich für jeden arbeitsfähigen, d. h. in Betrieb gesetzten (Webstuhl ein Handgeld von 40 Tha- lern. Dazu ein Jahr völlige Steuerfreiheit und nachher eine erträgliche Besteuerung, die von einer preußischen Kommission im Einvernehmen mit den Webern festgesetzt wird." Die Weber verhielten sich zunächst, sei es nun ans Angst vor der eigenen Courage oder aus Mißtrauen, oder sei es aus Politik, abwartend. Sie benutzten aber das Angebot, die Re gierung unter einen gelinden Druck zu setzen, indem sie nochmals nm die Auswanderungserlaubnis einkamen und dabei, ohne Der Unterthanenraub Friedrichs des Großen Das Churfürstentum Sachsen stand an der Seite des ver bündeten Oesterreichs im Kriege gegen den Prenßenkönig Fried rich II. Görlitz und vor allem auch Hittau waren wichtige mili tärische und kriegswirtschaftliche Centren des Churfürstentums. Wie aus den noch im Original erhaltenen Großschönauer Verordnungsbüchern, in denen die Richter oder auch die als Gerichtsschreiber fungierenden Schulmeister alle Erlässe und Verordnungen der Regierung, des Rats und der sächsischen, so wie später auch der preußischen (Militärkommandos eintragen inußten, hervorgeht, wimmelte es bereits im Jahre 1740 nicht nur von preußischen Spionen und Rekrutenpressern, sondern anch von fridericianischen — wenn auch vorerst vom Hittauer Rat noch nicht als solchen anerkannten --- Emissionären, welche die Verhältnisse der Großschönauer Damastmanufaktnr aus kundschafteten, indem sie als auswärtige Fuhr- oder Handels leute bei ausgiebigem Freitrunk im Kretscham den Webern die Würmer aus der Nase zogen und alles erfuhren, was zu er kunden ihnen ihr königlicher Auftraggeber befohlen hatte. Denn, zumal als ihnen das Bier und der Schnaps in den Kopf ge stiegen war, machten die Weber durchaus keine Mördergrube aus ihrem Herzen und erzählten ganz entgegen ihrer sonstigen Hurückhaltung Fremden gegenüber, daß sie trotz der guten Ver dienstmöglichkeiten sehr unzufrieden seien„ ja einige Heißsporne erklärten frank und frei, indem sie offen mit ihrem Haß gegen den Hittauer Rat auspackten, „daß sie lieber heute wie morgen auswandern würden, wenn sie hierbei nur von dem rächenden Hugriff ihrer despotischen Stadtherrschaft sicher wären und die Gewähr hätten, als freie Menschen und ohne durch untragbare Steuern ausgepowert und in ihrer persönlichen Freiheit ein geengt zu werden, ihrem Gewerbe nachgehen zu können." Als der Preußenkönig hierüber ausführlichen Bericht von seinen Kundschaftern erhalten hatte, durfte er mit Genugtuung feststellen,, daß ihn wieder einmal sein Scharfblick nicht getäuscht natürlich einen Namen zu nennen, darauf hinwiesen, „daß andere auswärtige Herren eine größere Einsicht als der Hittauer Rat besäßen, daß ein so wichtiges und difficiles Gewerbe wie die Damastfabrique sich nur bey größter Freyheyt und behutsamer Schonung zu einem g'edeylichen Flore entwickeln könne, aber durch Tourboulierung zugrunde gerichtet würde". Als das Gesuch sehr ungnädig abgelehnt wurde, warfen sich die ergrimmten (Weber — zuerst die radikalsten — blindlings den preußischen Werbern in die Arme. In einer einzigen Nacht waren plötzlich ihrer fünf verschwunden, und von nun an ver ging kaum eine Woche, in der nicht mehrere Weber Groß schönau heimlich verließen, von preußischen Schleppern sicher außer Landes gebracht. Als der Hittauer Orat, der vor Wut schäumte, anfangs aber noch im Unklaren war, wer hinter dieser Bewegung steckte und wohin die Reise ging, durch systematische Bespitzelung her- ansgebracht hatte, was gespielt wurde, erließ er an den Groß schönauer Richter eiueu geharnischten Ukas, der gleichzeitig interessante Streiflichter über die damaligen Kriegsverhältnisse wirft und daher nachstehend im vollen Wortlaut wicdergegeben sei. Der stadträtliche Erlaß lautet: „Demnach einem Hochw. und Hochw. Rache der Stadt Hittau hinterbracht worden, welchergestalt sich in der Gemeinde Großschönau verschiedene auswärtige Personen finden sollten, welche sich angelegen sein ließen, unter Vorstellung allerhand zu gewartender Vorteile die alldasigen Fabrikanten zu bereden, mit Hintansetzung ihrer aufhabenden Unterthanenpflicht sich in frembde Lande zu begeben und daselbst die erlernte Damast- fabrique zu betreiben, also ergehet hiermit an die besagten Ge richte zu Großschönau die obrigkeitliche Verordnung, daß sie bei einem zu haltenden Eingebothe die Gemeinde nachdrücklich er mahnen, sich durch dergl. vortheilhafftig erscheinende Angebothe durchaus nicht von ihrer Schuldigkeit abbringen zu lassen. (Fortsetzung in nächster Nummer.)