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Stehe ich draußen, wenn morgens im Frühnebel die Sonne aufgeht, wenn die Schwaden langsam über den Wiesen ver schwinden, wenn das Korn stäubt, wenn im nahen Teiche die gelbe Schwertlilie blüht, oder, wenn die Sonne untergeht, wenn nebenan die Birken duften und drüben über den Bergen das letzte Gold an den Wolken erscheint: Dann, sa dann fühle ich mich nicht allein. Dann fühle ich: Du bist Teil, und das alles ist Deine Heimat. Ilkan braucht hier keiner öden Naturreligion zu huldigen. Denn Boden ist das, aus dem wir geworden — und Heimat. Wir werden nicht die Natur als solche ansehen, wir werden auch nicht sede Gegend schön finden, sie würdigen zu erwandern. Aber immer werden wir das mit der Heimat tun. Wo anders können wir schließlich nur reisen. Die wunderbare Gvttesnatur Die einen sagen: Ihr dürft nicht soviel Wissenschaft trei ben, nicht soviel zeigen. Aber was wollen wir? Wollen wir durch die Heimat laufen oder wollen wir sie erkennen, erlau schen, kurzum erwandern? Doch erwandern wollen wir sie, nicht bewandern, begehen. Denn ein Neues, ein Schönes, ein TDich- tigcs kommt zu anderen. Da sind Blumen am TLege: Seltene, geschützte, gewöhn liche! Wie wäre es, ivcnn wir einmal einen kleinen Blick, ei nen kleinen nur, in die Unendlichkeit ihrer Formen, ihres Auf baues, ihres Lebens werfen würden? Da stehen Gräser, eine ganze Wiese voll! Wer sieht in dieser nichts anderes als nur einen grünen Teppich? Nein, das ist er nicht! Seht Euch Dürers „Kleines Rasenstück" an und Ihr werdet erkennen, daß auch der Künstler keinen grünen Fleck darin sieht. TDie wäre es nun, wenn wir uns einmal von ei nem Kenner die Mannigfaltigkeit einer solchen Wiese zeigen lassen würden? Oder die eines schattigen Buchenwaldes, eines blühenden Weihers, eines pustenden Moores? Es kann alles lebendig sein! Da sind Tiere! Da singen Vögel ihr Lied in den Tag hinein. Da sliegt ein Fischadler, dort ein Schwarm Stare! Warum Vorbeigehen? Warum nicht sehen wollen? Hier ist eine Blindschleiche, dort sonnt sich eine Ringelnatter, hier sitzt auf einer Blüte ein farbenprächtiger Schmetterling. Sind das nicht alles Erlebnisse, der Erkenntnis, unserer Beachtung wert? Und wie ist es mit unserer Mutter Erde? Mit ihrem Aus bau, ihren Schichten, ihren Zeitaltern, ihren Gesteinen? Ist das nicht alles wunderbar? Sollen wir, die wir den ganzen Tag in den Betrieben und Schreibstuben arbeiten, daran Vor beigehen? Nein — und wen interessiert es nicht, wie seine Heimat beschaffen ist, wenn er daheim vielleicht jedes Ding in seiner Schublade kennt? Ist vielleicht die Heimat weniger wich tig?. Und noch eines! Da droben sind die Sterne, da ist das unendliche Firmament, das wunderbarste vielleicht, das es gibt und das unergründlichste! "Warum wollen wir nicht aufsehen zu ihm, wo es doch Geistesfürsten wie Kant und Raabe getan haben? Die Heimat und ihre Menschen Da stnd Siedlungen! Reihen- und Haufenstedlungen: Dör fer, Städte und Markte. Kirchen, Stadttore, Burgen, Schlös ser und Gärten. „Andere Städtchen, andere Mädchen" heißt es in jenem Liede. Aber auch andere Städte, andere Geschichte, anderes Erleben, andere Menschen. Was tragen wir dabei nicht alles an Schätzen heim — nicht verkäufliche, aber geistige — wenn wir uns darüber unterrichten, erzählen lassen und selbst aufmerksam betrachten. Da arbeiten Bauern: Hier ein Schmied, dort ein Wald- arbeiter, ein Köhler, ein Flößer, ein Winzer, ein Gärtner, ein Müller, ein Fischer. Welch Einblick in das Volk, in die Hei mat, wenn man mit offenen Augen durch das Land geht! Nichts ist zu klein, nichts unwert beachtet, nichts unwichtig, beobachtet zu werden. Da sind Berge mit eigentümlichen Namen, da Täler, da Flußläufe in Windungen, da ein Steilabfall, ein Sandbrnch, ein Bergrutsch! Sind das nicht alles Dinge, die für unsere Heimat wichtig sind? Auch winzige Beobachtungen können oft große Bedeutung haben, und sei es vielleicht vorerst nur für uns. Wir wollen ja nicht Wissenschaft an sich treiben, wir wollen Erkenntnis schöpfen: Erkenntnis unserer Heimat! Ernst wollen wir es tun, und nicht als Spiel, als Zeitvertreib! Wir wollen ins Land fahren Und die Romantik sagen die anderen? Die Schönheit: „Ich will zur schönen Sommerszeit ins Land dec Franken fahren" singt Scheffel. Wollen wir nicht auch fahren? Wallen wir uns nicht überraschen lassen? Warum schon mit einem Vor satz hinaus gehen? Ist da nicht die gluckernde Ouelle am Wege? Singt dort nicht der Vogel im Gebüsch? Brennt dort drüben auf dem Berge nicht ein loderndes Feuer? Doch auch dieses Sehen und Hören muß gelernt sein, wie alles andere. Es kann mancher jahrelang wandern und er wird nichts sehen, nichts erkennen, nichts erleben. Ein anderer erlebt und steht jeden Tag. Hier kommt es auch auf den Menschen an: Lassen wir uns von einem Berufenen als Lehrmeister zei gen, überlasten wir uns einmal für Stunden ihm, und fangen wir dann als kleine Lehrlinge an: Der Gewinn wird da sein. Wir sollen uns aber auch nicht so stark hingeben wollen, daß wir unseren Willen dabei verlieren. Romantik vergeht zu letzt immer in Formlosigkeit: Im Menschen und im TDerk. Klassik aber ist immer Jucht. Einordnung in das große Um fassende, Einreihung. Gutes Wandern kann auch nichts ande res sein. Der Mensch soll noch wissen und soll auch noch tun. was er will. Das soll kein öder Nützlichkeitsstandpunkt sein. Nicht der, den man so oft hört^ Ist viese Pflanze gut, für was hilft je nes? Sind wir draußen, dann gilt nicht der erste Gedanke un serer Bequemlichkeit, unserem Gutergehen. Rechtes Wandern nenne ich Hinansgehen in die Heimat und Erkenntnis suchen und schöpfen wollen: Kraft, Freude, Er holung soll damit verbunden sein. Vom TDandcrn gilt auch, was Storm vom Wein schreibt: Wir wollen uns den grauen Tag vergolden, ja vergolden!" Doch müssen wir im Wandern 0en Willen immer noch zur Jucht, zur Ordnung, zur Ein reihung in das große Ganze aufbringen. Gemeinschaft im Wandern So ist es selbstverständlich, daß wir nicht ziellos auf Er kenntnis ansgehcn. Wir werden uns unterrichten wollen. Wir werden Karte und Kompaß lesen lernen. Wir werden uns Bücher und Karten an schaffen. TD ir werden unsere Heimatzeitschrift lesen. Wir werden Natur- und Heimatschutz treiben. Wir werden uns anderen anschließen: Wir werden mit Gleichgesinnten eine Gemeinschaft einaehen. Denn nur so können wir etwas schaffen, etwas höheres Geisti ges, das wieder der Heimat zu Nutzen werden soll. Allein wandern ist schön, wunderschön! Aber noch schöner ist es, zu wissen: Die anderen stnd im Geiste bei mir, sie, die nicht mitkonnten. Komme ich dann heim, dann freue ich mich, alles Erlebte und Gewonnene mit ibnen besprechen zu können. Später führe ich ste auch hin, sie, die nicht das Glück hatten, dabei sein zu können, und zeige ihnen alles. Sie werden mir auch das Ihre zeigen — und alles ist ein Stück Gemeinschafts arbeit. „Einer für den anderen!" — ohne diese Devise hat das Leben keinen Sinn und Iweck, weil ich sonst garnicht weiß, warum ich cs tue und wofür, und damit mein Tun gegenstandslos wird. ülch bin Oll /I/ und Du bist ich! In Erfüllung unsrer Pflicht ( finden wir uns. Kühlen klar das, was Deutschland war, (. wird es niemals wieder sein. Dafür stehn wir VV c) alle ein! t?