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Der Wiegemeister Von Johannes Lohmann, Heidenau Hauptweqcmeistcr oes Gebirgsvereins für die Sachs. Schweiz Wiie sich der Vorstand eines Gebirqsvercins im allgemei nen ans dem Vereinsführer, dem Kassenwart, dem Schriftfüh rer und ihren Stelloertretern sowie zur Erledigung anderer wichtiger Vereinsarbeiten aus einer Anzahl von Beisitzern zu- sammensetzt, so wiederholt sich diese Gliederung in der Füh rung jedes seiner Hweige. Wenn nun auch gewöhnlich der Vor sitzer, der Kassierer und der Schriftführer als die Hauptperso nen eines jeden Vercinsvorstandes gelten, so stellt sich in einem Gebirgsverciu und in seinen Zweigen hinsichtlich 0er Bedeutung oiesem Triumvirate noch der Wcgemeister zur Seite. Gewöhnlich wird der Posten des Wiegemeisters einem der Beisitzer übertragen. Die Ätnter des Vorsitzers, Kassenwarts und Schriftführers werden bei den Vorstandswahlen von den Ver einsmitgliedern mit allem Vorbedacht vergeben, mit der Beset zung des Wegcmeisterpostens dagegen, zu dessen llcbcrnahmc sich oft nicht so leicht jemand bereit findet, weil er reichlich mit Arbeit und Mühe draußen im VereinSgcbict verbunden ist, wird, wie es schon oft beobachtet werden konnte, meist nicht so viel Tbesens gemacht: nicht selten wird das erste beste ^Mitglied, das zufällig zur Vorstandswahl in die Vereinssitzunq gekommen ist, von dem Vorsitzer dazu bestimmt. Die übrigen anwesenden Vereinsmitglieder stimmen dem Vorschläge ihres Vorsitzers gern zu, und der Verein hat seinen Wiegemeister: ob dieser will oder nicht oder ob er derfürdenPo st en geeignete Tll ann ist, wird oft nicht weiter berücksichtigt. Nur zu schnell aber rächt sich diese Wegemeisterwahl: denn gar bald zeigt sich's, ob der neue Wegcmeister seine Sache ver steht, ob er der ihm zufallenden Arbeit gewachsen ist, ob er über haupt sich um die Instandhaltung und Bezeichnung der Wege seines Vercinsgebietes kümmert oder kümmern kann, llnd doch ist gerade seine Arbeit mit die wichtigste in einem Gebirgsvercin, vielleicht wichtiger als die Verwaltungsgeschäfte des Vorsitzers, Kassierers und Schriftführers; denn der Hustand und die Be- reichnnng der W anderwege ist beute bestimmend für den Weiterbestand eines Gebiraövereins überhauvt. Die Anerken nung aller der Allaemeinbeit nützenden Gebirgsvereinsarbeit hängt von der sorgfältigen Erledigung der Tb eaemeister - arbeit ab. Tbenn die Tbege gangbar sind und die Wege bezeichnung zuverlässig ist, kümmert sich gewöhnlich kein Blan derer um den Verein, der sie geschaffen hat' die voracfundene Ordnung und Sicherheit wird als etwas Selbstverständliches hingenommen. Sobald aber irgendein Ilnwetterlchaden an den Wegen nicht aleich geheilt oder eine von roher Hand verursachte Störung der Tbeaemarkierung nicht nmaebend beseitigt worden ist, aeben bei der Vereinsleitung sofort Beschwerden ein. zumeist von Mitgliedern, die sonst nicht viel für die VereinSarsieit übrig haben, oder auch von Leuten, die selbst dem GcbiraSverei'n fern stehen oder von ihm, und seinem Wirken nur dann Kenntnis nehmen, wenn im Gelände einmal etwas nicht in Ordnung ist. Aus alledem gebt hervor, daß der Wiegemeister eine der Hauptpersonen im Gebirasvercin ist und d'e WHa hl eines W e a c m e i st e r S mit lleberleaung und Vorsicht vorrunehmcn in. Darum ist es angebracht, einmal darruleaen, wel ch e An forderungen bei der Besetzung des WeaemsisterpostenS an das für dieses Amt ansersehene Mitglied zu stellen sind. Hum Wiegemeister eignet sich das Vercinsmitalied ai. b"sten, das sich selbst aus Lust und Liebe zur Heimat und zur Gebirasvereinss-iche darn berufen fühlt, das sich vielleicht aar selbst vor der Mahl für diesen Pollen meldet und sich mit Eifer und Ausdauer des mit allerhand lMühen und mitunter auch mit Aeracr verbundenen Dienstes annimmk und nicht erst abwartet, tvas ihm vom Vereinsfnhrer oder Hauptwcaemeister ru tun auf- aetraacn wird. Der rechte Wiegemeister gebt aus eigenem An trieb seine Wicae ab. er hilft selber mit Hacke und Schaufel nach seinen Kräften nach, wo er in seinem Arbeitsgebiete schassen und werken kann. Wo größere Schäden behoben werden müssen, verläßt er sich nicht nnf die diese beschwerlicheren Arbeiten aus- führenden Arbeiter, sondern leitet und hält sie an und sorgt so dafür, daß die Wiege baldigst wieder in guten Instand gebracht werden. Auch an der farbigen Bezeichnung der Wege ist sofort zu erkennen, wo Liebe und Freude die Triebfedern zn der uneigennützigen Arbeit des Wiegemeisters sind. In seinem Gebiete kann man sich auf zuverlässige Wegzeichen verlassen: die Wegweiser zeigen die Tbanderwege genau an, da die Pfähle fest einaerammk sind, so daß sie nicht verdreht werden können: hier stehen neben den neuen sarbiaen Tbeaemarken nicht noch veraltete aus früherer ^>eit, so daß der Minderer durch die Verschiedenfarbigkeit der Tbegzeichen nicht irregeleitet wird. Kurzum, der richtige Wcgemeister hat sein Arbeitsgebiet im Schuß. Er geht in jedem Frühjahr mit Freude an die Ar beit, damit die durch die Witterunasunbilden des Winters ver ursachten Tbege- und Markicrungsschäden sofort und leicht be hoben werden. Mit Genugtuung und innerer Be friedigung kann er dann aber auch auf die von ihm ge leistete Arbeit blicken. Tllit der Lust und Liebe zur Wieaemeisterarbeit allein ist's aber-nicht getan, es wird nebenher auch das nötige Verständ - n i s und ein gewisses Maß von Sachkenntnis von dem Wiegemeister erwartet: denn gerade für den Wiegemeister gilt es, mit offenen Augen und mit lleberleauna ans Tbcrk zn gehen. Die Praris zur Wiegemeisterarbeit erlernt man auch nicht nur durch eifriaeS Lesen einschlägiger Bücher und Bro schüren, sondern hauntiachlich durch eigenes Tb andern. Darum ist bei der Tbahl des Wiegemeisters darauf zu achten, daß den Wegemeisterpvsten c i n Tb anderer übernimmt Tber wandert, der weiß die Bedeutnna einer zuverlässigen Weacbereichnuna ru schätzen- er hat vielleicht selber auf seinen eigenen Tbanderfahrten durch nachlässige Tbeaebezeichnnng Um wege oder aar falsche Pfade gehen müllen. Tber wandert, be urteilt am sichersten, wo und wie die Tbeaemarkierung zweck dienlich anzubrinaen ist. Tber wandert, lernt dabei in anderen Heimatäauen auch andere Wieacmarkiermmen kennen, nimmt dH- dort erhaltenen Anregungen mit nach Hause und versucht, llc gelegentlich in seinem Arbeitsgebiete zu erproben. Also, der W eaemeister muß ein W anderer sein, der mit verständnisvollem Blick durch die Tbclt streift und mit re-cher Sachkenntnis in seinem Arbeitsgebiete die ihm obliegende Arbeit aufnimmt und durchführt. Tbenn aber der Wiegemeister so ein verantwortungsvolles Amt nut Liebe und Lust sowie mit lleberleauna und Verständ- nis ansfüllen will, dann muß er auch über die nötige e i t verfsiaen. und an dieser fehlt eS oft den meisten Tbeaemcillern Wias nützt da alle Arbeitsfreudiakeit nnd aller ante Wille! Auch der gewissenhafteste und freudigste Mitarbeiter im Tbeae- ausschnlle verliert schließlich die Lust ru seiner Arbeit, wenn er. wie cs beute vielfach der Aall ist. durch Berufsarbeit und Partei dienst einfach nicht mebr in der Laue ist. den übernommenen und bisher auch noch erfüllten Tbcaemeisterpflichten nachrukommen. Tbenn die Heit manaelt. nützt auch der beste Wille zu dieser ehrenamtlichen Vereinöarbeit nichts. Dann ist es schon beller. bevor er llnordnnna in sein bisher gewissenhaft betreutes Ar- beitsaebiek einrcißen läßt, er gibt das ihm wohl auch lieb ge wordene Amt ab: denn als getreuer Vercinabeamtcr wird er sich selbst einnestehcn, daß er eö eben weaen Mangel an Heit nicht länger verantworten kann, den Tbeaemeistcrvollen zu verwalten. Er muß ihn dann in die Hände des Vereinsführcrs rnrückacben. so schwer es ihm auch fallen mag. Man kann nun einmal nicht zweien Herren dienen' Unmögliches kann man von niemandem verlangen, alles hat seine Grenrcn. Darum ist bei der Tbabl des Weaemeisters schließlich oder vor allem darauf mit ru grillen, daß der zur llebernahme dickes wichtigen Vereinsamtes Vor- geschlaaene auch die rnr Ausübung seiner Arbeit nötige Heit hak. Rüstige. noch tüchtig wandelnde Rentner aus dem Hand werkerstande oder Ruhelländler. besonders ehemalige Aorllbeamte. eignen stch darum rmn Wiegemeister am besten, vorausgesetzt natürlich, daß sie sich die Anstrengungen und ungewohnten Ar beiten noch zutrauen Lust und Liebe zur Sache bcaen und als alle und crvrvbte Wanderer auch das nötige Verständnis der neuen Arbeit entgegenbrinaen.