Volltext Seite (XML)
heiratetes oder glücklich ererbtes Gut setzen sich aber der echte ^>auec oder die richtige Bäuerin entschlossen em. Da tressen wir im „Sterbenden Dors" den Bauer, Ser sich nicht hinausdrängen lassen will, der sich eher unter den stürzenden (Mauern begraben läßt, als >daß er von der Stelle weicht, die er verteidigen muß mit Leib und Leben. Und neben diesem prachtvollen Vertreter echten Banerntrotzes steht dessen Enkelin, die bauernstolze Liesel. So hastet Friedrichs gesamtes Werk unlösbar verwurzelt im bäuerlichen Boden seiner Heimat. Und wenn wir erst hinein schreiten in die menschenreiche Welt, die Friedrich in seinen Schauspielen schildert, dann tauchen auch sofort die mannig- faltigsten Verhältnisse, Verknüpfungen und Erlebnisse aus, aus denen viele Lieblingsgestalten, Lidblingsgedanken und -fragen herauswachsen und die immer von neuem wiederkehren. Es sind zum Teil (Motive, die zum eisernen Bestände des alten Volks stückes gehören, weil sie im Leben aller .Menschen eine entschei- oende Rolle spielen. Im „Engelkreuzer" und in „Hennerch- Lobels Feuer" handelt es sich darum, daß jemand sein durch böswillige Verdächtigungen bedrohter guter Ruf wiederhergestellt wird. Im „Engelkrenzer" liegt übrigens auch eine Ähnlichkeit mit der (Motivierung in Kleists „Zerbrochenem Krug" vor. Man kann ohne Schwierigkeit eine ganze Reihe von mensch lichen Beziehungen und Verfehlungen, guten und schlimmen Lebens- und Charakterverhältnissen zusammenstellen, die Wil- helm Friedrich besonders nahe lagen und die er in seinen Stücken gern darstellt: ein verlorener Sohn kehrt zurück („Heimgefun den"); ein anderer macht sein einstiges Vergehen durch eine Tat, die seine vaterländische Gesinnung bezeugt, wieder gut („Gesühnt"): das Kind als Friedensbote („Onser Grün- dornschtgjong"); verfeindete Familien finden über die Kinder den (Wog zum Frieden zurück (das alte Romeo- und Iulia- (Motiv in den „Brüderhöfen"). Oft stellt Friedrich seine Man schen in verhängnisvolle MeinungS- und Charakterverschieden heit hinein: Zwiespalt zwischen Vater und Tochter („Hennerch- Lobl"); Spannung zwischen Vater und Sohn („Strohkranz"); Unstimmigkeit zwischen Schwiegervater und Schwiegersohn („Das sterbende Dorf"). In der „Franzosenzeit" steht Gustl zwischen zwei Brüdern, im „Gründornschtgjongen" Heinrich zwischen zwei Schwestern. Daß in den Friedrichschen Volks stücken das Findelkind nicht fehlt, daß manches Kind dafür büßen muß, weil sich der Vater nicht zu ihm bekennt: Franz, Mali („An der Grenze"), das „Soldatenmensch" im „Stroh kranz") Fritzl, der ,,Gründornschtgjoug", das ist selbstverständ lich für die Art des Schauspiels, das er pflegt. Friedrich weiß es, daß es die Lausitzer (Menschen mit ihrem Willensstärken, bis zu unbeugsamer Härte neigendem Charakter nicht leicht haben. Ilnd wenn, wie im „Gründornschtgjongen", der Kampf zwischen solchen entschiedenen (Menschen zum Aus trag kommt, dann erzwingt das erbitterte Ringen auch die ehr liche Anerkennung, die gegenseitige Achtung. Resolute Bauers frauen und -mädchen, stolze Banernväter und -söhne stellen sich vor Besitz und Geld. (Manchmal mag — wie in vergangenen -selten — dieser Stolz sich in Verachtung des „Häuslerpackö" Luft machen. Im allgemeinen siegt aber auch hier die Güte, die auf dem Grunde des Lausitzer Charakters ruht. Die Gerechtig keit gibt dem Sündenkind die Ehre zurück. Und so endet das schöne Schauspiel „Im Strohkranz" wie ein rührendes (Mär chen. Es ist in dieser Hinsicht zunächst ein Volksstück wie es das Volk wirklich für sich haben will; es kommt aber auch im be sonderen aus der Tiefe des kindlichen Herzens unseres Dichters. Es ist darum auch kein Iufall, daß unter Friedrichs Stücken auch zwei (Märchen zu finden find. Ilnd diese beiden (Märchen dramen gehören mit zu den erträglichen Beispielen ihrer Gattung; ja das „Rübezahl"-Märchen bezeugt wie kaum ein anderes Stück die reich sprudelnde Dichterkraft und Dichter phantasie Friedrichs. (Man darf es ruhig mit an die Spitze seines Werkes stellen. In dem „Rübezahl"-Märchen finden sich Friedrichs dichterischen Tugenden einheitlich beisammen. (Wir haben wenig von Friedrichs Schwänken gesprochen, obwohl diese einen großen Raum einnehmen und öfter auf der Bi hne zu sehen find als seine ernsthaften Dramen. Aber in ihnen liegt nicht Friedrichs Hauptleistung. Gewiß ist sein Hu ¬ mor von durchschlagender Wirkung, und es kommt ihm auch als Schwankoichter keiner gleich, aber er wußte bestimmt selber auch, gatz diese Schwänke leichter wiegen, daß jie unterhalten wollten, Saß ihre Stärke in der spaßigen Hanolung, in dem witzig luftigen Ilnterhaltuugston uno nicht -in den Charakteren liegt. Die Schwänke -bezeugen den schalkhaften Volkscnchter; der tiefe Humor offenbart sich in den großen Volksstücken. In allen pieken blitzt und leuchtet es, über dem schweren Ernst liegt die große Heiterkeit gesunden Volkstums. «licht das dröhnende Lachen oer Schwänke, sondern 0aö gütige Schmunzeln und das Belächeln der vielen kleinen Schwächen, dis jedem einzelnen an haften, das ist Friedrichs großer Humor, das ist der Humor, oer seinem Werke den goldblinkenden Hintergrund verleiht. Es gibt nicht viel Lanoschaftcn, die ein so ernst zu nehmendes oramatisches (Werk besitzen. Die meisten «Mundartdichter er schöpfen sich in unbedeutenden Schwänken, oder sie begnügen sich mit dem billigen Volksstück, in dem läppische Komik und weichliche Tränen Seligkeit in süße Rührung zusammenschmelzen. Frieorich hingegen fing das funkelnde, nach allen Seiten strah lende Leben ein, und diese (Weite und Tiefe sichert seinem V-derke die Dauer über den Tag hinaus. Es ist leicht, auch Friedrichs Schwächen nachzuweisen; aber welcher Dichter ist ohne Sünde, Undramatisch wirkt „Ge sühnt"; dünn und familienblattmäßig ist die Handlung in „Anno 66"; der -Unteroffizier bleibt in papierenen Sätzen stecken, und überall oort, wo Friedrich ins Hochdeutsche über geht, verliert seine Sprache alle Kraft und Farbe und wird blaß und charakterlos wie übler Ieitungsstil; die Gestalten aus oen hochdeutsch sprechenven Schichten fallen peinlich genug hin aus aus dem bäuerlich-dörflichen Rahmen, der Friedrichs Dra men umfaßt: all das aber beweist nur, daß Friedrich als der geborene Volks- und Mundartdichter scheitern mußte, wenn er seine Grenzen durchbrach. In dieser Hinsicht teilt er das Schick sal von (Matthes in vollem Umfange. Solche kleine Schwächen aber können den Dank nicht schmälern, den wir Friedrich schulden. Herzhaft und voll sprudelt seine Phantasie. Wer nichts zu sagen weiß, soll nicht schreiben, sonst läuft der Dialog einer Szene in breites, breiiges Geschwätz auseinander. (Wie lebendig und vollgefüllt setzen da Friedrichs Stücke ein. Solche Auftritte wie der Eingang im „Engelkreuzer" oder in „Hennerch-Lobls Feuer" sprühen von Leben, die sind nicht erdacht, die sind mit dem äußeren Auge gesehen und mit dem inneren Dhre gehört worden. So können nur unsere Lausitzer sprechen. Das gibt kein Abschweifen und Drumrumreden, kein Geschwätz, sondern alles ist zusammengeballtes Geschehen. Denn Friedrich hat ein untrügliches Gefühl für den dramatischen Gehalt einer Hand lung. Deshalb kann man auch aus seinen Schauspielen keine Novelle machen. (Man lese ein solch hartes Bauerngespräch wie die 3. Szene des 2. Aktes im „Engelkreuzer", oder die nüchterne Aussprache in „Hennerch-Lobls Feuer" (im 2. Bild), oder das sachliche Liebesgespräch im „Sterbenden Dorf" (3. Akt, Schlußszene): und man wird den Atem eines begabten Volks dichters sofort spüren. (Wie Friedrich Spannung zu erzeugen vermag, gleich einem Kriminalschrifksteller, weiß man aus „Hennerch-Lobls Feuer", und daß er die Handlung bis zum Ende lebendig im Fluß hält, bezeugt „Onser Gründornschtgjong". Glanzpunkte der Ge sprächsführung bieten Schwänke wie „'s Wunnerwoaster" oder auch die sonst sehr anspruchslosen „Letzt-n Brutmoarkn". Hier haben die Gespräche wertvollsten Ieitgehalt. Wenn dann (Mensch, Sprache und Landschaft, wie es bei Friedrich oft verkommt, eine vollkommene Einheit bilden, dann ist es ein Genuß, ihm zu lauschen und seine Menschen zu sehen. Denn wir selbst, unsere Väter und (Mütter, Großvater und Großmutter stehen auf der Bühne. Unlösbar sind Fried richs (Menschen in die herbe ehrliche (Mundart eingebettet. Vffen, gerade, ohne Umschweife sprechen sie sich aus. Das ge samte Volkstum liegt ansgebreitet vor uns. Denn Friedrich schrieb ja nicht, wie so mancher, der sich (Mundartdichtungen abpreßt, weil sie gerade in (Mode gekommen sind, sondern es brannte ihm das Herz: er mußte die Bilder los werden, die sich