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Oderlsusitzer e i m 3 i ^r.Z Lriek an einen toten Zreund Mein lieber VilhelmMedrich! Wir sind in Deinen irdischen Tagen nicht allzuoft zusammengekommen — kein Dutzend mal — und doch ver band uns eine Freundschaft, die mehr war, als das, was man gemeinhin mit diesem Namen belegt. Anfang der zwanziger Jahre war es wohl, als wir uns zum erstenmal die Hände drückten. Au jenem Abend der Oberlausitzer Landsmannschaft zu Dresden, da Du uns vorgelescn hast. Wohl schätzte ich damals schon Deine Werke, auch ein kurzer Schriftwechsel war vorangegangen, aber was Du mir wurdest, das brachte mir erst Deine persönliche Bekanntschaft. Selten habe ich beim Kennenlernen eines Menschen das Goethewort „Höchstes Glück der Erdenkinder ist nur die Persönlichkeit" so stark empfunden, wie bei dieser Begegnung! Und Du warst eine Persönlichkeit! Schon das sichere Ruhen in Dir machte Dich dazu. Aber es paarte sich mit einer Bescheidenheit, die abhold allem Lauten »nd Aufdringlichen war und Dich neidlos ließ bei Erfolgen Anderer. Im Gegenteil, Du erfreutest Dich ihrer, weil Dir die Sache, weil Dir die Heimat höher stand als manchem, der sie bei jeder Gelegenheit wortreich im Munde führt und weil Dir Mißgunst und persönliche Eitelkeit und alle geräuschvolle Betriebsamkeit fremd waren. Ein Edelmann ohne Wappen und Adels brief. Und ein echter L a u si tz e r warst Du: schlicht, gerade, gerecht, verläßlich und treu — und damit warst Du deutsch, in des Wortes bestem Sinn! Ein Charakter warst Du und ein guter Mensch! Mehr glühendes Eisen als prasselndes Funkenfeuer! Wärest Du ein Seelsorger gewesen, Du hättest den Frieden mit Dir gebracht und wärest Du Arzt geworden, schon durch Dein Wesen hättest Du geheilt! War einer, der Dich gekannt hat und Dich nicht lieben mußte? Weißt Du noch, als Du mit Deiner Getreuen an jenem sonnigen Septembertag nach Hellerau kamst und uns über den Gartenzaun weg nach unserer Veranda fragen wolltest, wo wir wohnen und wo Du dann — im plötz lichen Erkennen — lachend riefst: „Na, nu sah mersch ju glei! Doo brauch mer ne irscht froin!" Vor mir liegt unser Gästebuch, mit lieben Eintrag von Dir — geschrieben am 13. 9. 24. Erinnerst Du Dich noch unsers Besuches bei Dir, am Tage des Heimatkunstabends 1926 in Reichenau? Wer hätte geglaubt, daß in Deinem gemütlichen Stübchen, in dem uns Deine Anna zum Kaffee den Selbstgebackenen versetzte, nichr ganz zwei Jahre später Dein umflorter Sarg stehen würde? Und dann, jener Novemberabend 1927 in Dresden! Der Landesoerein „Sächsischer Heimatschutz" hatte uns gerufen und mehr als anderthalb Tausend füllten den großen Vereinshaussaal. Und Deine „Thalia" spielte Dich so echt und glänzend, daß des Beifalls kein Ende werden wollte! Denkst Du an das fröhliche Hinterher, als wir mit Deinen Spielern Gäste beim lustigen Hosrat waren? Ja, ich weiß, Du hast es nicht vergessen, denn beim Heim gehen bliebst D« auf einmal stehen und sagtest gerührt: „Das war zu schön, daß ich das noch erleben durfte!" Und dann — anderthalb Monate später — kam die erschütternde Kunde, daß Du, nach einem Abend des Er folgs in meinem Geburtsort Neugersdorf, plötzlich von uns gegangen seist, buchstäblich mit dem Lorbeerkranz in der Hand .... Mein lieber Freund, jenseits des Vorhangs, glaube mir, es war für mich eine ernste Sache, als ich neun Monate nach Deinem Tode, in Neugersdorf, auf derselben Bühne und von der gleichen Spielschar gespielt, meine „Glocke von St. Peter" sah! Durch das vortreffliche Spiel der Hetzwalder war ich bewegt und gehoben wie Du es warst »ach dem Abend Deines Spiels. Als ich dann mit meiner Frau, wie Du mit Deiner Frau, mit dem gleichen Kranz im Arm wie Du »nd mit denselben Begleitern, den gleichen Weg zum Bahnhof ging, zum selben Zuge — da fühlte ich Deine Nähe auf diesem V5ege in unerhörter Stärke! Da ward uns dieser Gang zum stillen Requiem für Dich! Rudolf Gärtner.