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Dukter-Hansl Von /M artin Leubner, Nensalza-Spremberg Tritt hoffend ein und laß die Sorgen hier, Nimm Rat und Trost von hinnen; Vertrau auf Gott den Herrn, Er segnet treuer Menschenhand Beginnen! Das war der stille /Wahlspruch des vielen Lesern sicher noch gut bekannten staatl. gepr. Heilgehilfen Karl Traugott Hänsel in Schönbach, der in der näheren nttd weiteren Umgebung unter dem Namen „Dukter-Hansl" oder „Knuchn-Hansl" bei Jung und Alt wohlbekannt war. Des Menschen Leben währet 70 Jahre und wenn es hoch kommt -sind es 80 Jahre; und wenn es köstlich war, ist es /Mühe und Arbeit gewesen. Dieses Bibelwort-hat auch für „Hansel-Traugott", wie ihn seine Nachbarn und Bekannten nannten, zugetroffen. Reich an Muhe und Arbeit war sein Leben, und er hat manche Entbehrungen und schwere Schick salsschläge ertragen müssen, bis er hochbetagt und vereinsamt abbernfen wurde. Traugott Hänsel wurde am 18. August 4848 in Lauba geboren, frühzeitig mußte er im Elternhause mit Garn treiben und seinen Eltern, die sich von Handweberei nährten, behilflich sein. Auch er erlernte nach seiner Schulentlassung -das /Weben oder „Wirken" und übte dieses Handwerk aus. bis er kurz vor dem Kriege 1870/71 mm Militär unberufen wurde. Jin Kriege von 1866 war sein Bruder, „dr grüße Hansl", geblie ben, niemand hat jemals erfahren, wo und wann er gefallen war; er blieb verschollen. Traugott Hänsel machte den fsldzug von 1870/71 als Sanitäter m>t und brachte es zum Unter offizier. In Dresden hatte er seine Ausbildung als Kranken pfleger erhalten, Im Lazarett kam er auch mit Angehörigen des königlichen Hauses zusammen, die die Verwundeten besuch ten. Gern erzählte er hiervon: insbesondere aber von einer weni ger beliebten Hofdame, die zu den g-esanaenen französischen Offi zieren äußerst nett war. während die „Sanitäts-Landser" weniaer beachtet wurden. Eines Tages kam diese Dame wieder ins Lazarett und glitt im Trepvewh-a-use infolge der Glätte aus und fiel rücklings die Treppe hinunter, ohne Schaden zu neh men. Hänsel beobachtete mit zwei Kameraden diesen Vorgang vom oberen Trepvenhanse aus, und alle drei konnten sich vor Schadenfreude nicht Kelsen, als vor Lachen -laut Heraugzuplatzen. /Wegen dieses ..ungebührlichen Verhaltens" war von der Hof dame gegen die unbekannten Sanitätssoldaten Meldung er stattet worden. Kurz darauf wurde eine hochnotpeinliche Unter suchung angeordnet. die ganze Beleaschaft mußte untreren, und der Hauptmann forderte die Beschuldigten auf, sich -umgehend ru melden. Traugott Hänsel stand zwilchen den anderen beiden /Mistetätern und stieß sie mit -den Elleboaen daß sie stch ja ruhig verhalten und nichts vsrrat->n sollten. Die Sache blieb auch ungeklärt und verlies im Sande: anderenfalls hätte es bestimmt aeraume Zeit „Schwarzen" gegeben. Anläßlich eines Schönbacher Schießens, wohl in -den 80er fahren des verfloßenen Jahrhunderts, hatte ein Dienstknecht aus Dürrbennersdorf einem Bu-denbesitzer -einen geringen Gegen stand gestohlen. Er war -festgehalten und dem damals noch in Ncua-ersdorf stationierten Brigadier /Gendarm) übergeben worden, -der ihn nach Neulalz-a zwecks Einlieferung in das Ge- richtsaefänanis bringen wollte. Auf der Staatsstraße zwischen Schönbach und Neusalza. kurz vor dem Dfarrbusch. hatte der verhaftete Dieustknecht unbemerkt sein Taschenmesser gezoaen und -dem neben -ihm gehenden Gendarm in den Leib gestoßen und -im selben Auaenblick die flucht ergriffen. Am nächsten Tage wurde er in der Behausung seines Di-enstherrn in Dürr hennersdorf erneut verhaftet und gefesselt nach Bautzen abge führt. Durch den unglücklichen /Messerstich waren -dem Briga dier die Gedärme zerstochen worden, und da -die ärztliche Kunst noch nicht aus der heutiaen Höhe stand und Hilfe auch nicht gleich zur Stelle war, mußte der bedauernswerte Beamte unter qualvollen Schmerzen sterben. Seine Leiche wurde in -der heu tigen „Säng-erstube" im Schönbacher Kretscham aufbeivahrt, wo sie vom Bezirksarzt seziert wurde. Traugott Hänsel erhielt als ehemaliger Sanitätsunteroff-izier die Erlaubnis, die a-ufge- schnittenen Körperteile des Verstorbenen und insbesondere die Kopfhaut -wieder zu- bezw. anzunähen. Diesen Auftrag hat er zur vollen Zufriedenheit des Bezirksarztes ausgeführt und er hielt dafür von -der Königlichen Amksha-upkmannschaft zu Löbau Belobigung und eine Vergütung von 5 /Mark. Der Schönbacher /Militärverein und die Schützengesell schaft gaben dem verstorbenen Gendarm, der nach Neugersdorf gebracht nno dort beigesctzt wurde, das letzte Geleit. Dieser Vorfall regte Traugott Hänsel an, -stch wieder in der Krankenpflege zu betätigen und sein "Wissen zu erweitern. Deshalb machte er aeraume Zeit später im Bautzener Stadt- krankenhause einen Kursus mit und legte dann auch die Prü fung als Heilgehilfe ab. Ans dem Nachlaß des verstorbenen Dr. m-c-d. Gocht, einem Bruder des -damaligen Rittergutsbesitzers, kaufte Traugott Hänsel wissenschaftliche Bücher und ein menschliches -Skelett; er betrieb nunmehr weiter seine Studien und vervollkommnete sein Wüsten. Alsbald wurde Traugott Hänsel bei einem Iagdunfall zu Hilfe geholt. Bei einer Treibjagd im Kuhberge hatte -ein un vorsichtiger Schütze einen Treiber angeschossen, den man -in zwischen in die durch Gustav Bayn bekannt gewordene „Brat mühle" gebracht, die am Südrande -des K-uhberges stand und zur Gemeinde Neuschönberg gehörte. Hänsel entfernte bei dem Verunglückten sachgemäß -die Schrotkugeln und sagte, als -dieser vor Schmerzen laut schrie, zur versammelten Jagdgesell schaft in seiner trockenen Art: „Do sahtersch, wie doas su an Viehche tun mvg, die Ihr o-aschißt und derno irgendwu liegen lußt!" Nunmehr begann Hänsel seine Tätigkeit in größerem Ilm fange. Im Hauptberuf jedoch betrieb er Landwirtschaft und Lohnfuhren. Er -besaß vorerst in Schönbach das jetzige .,Kloeber- Pro ftsche" Grundstück und kaufte später die am „Kynsteen" gelegene Landwirtschaft, die er -bis zu seinem Ableben besessen hat. Hier hat er auch in der Hauptsache -seine Heilpraxis ausgeübt. Vormittaas war Traugott Häusel in -der Regel auf -dem Aelde, und nachmittags machte -er Krankenbesuche. Patienten wurden abgeferkigt, wie sie gerade kamen -und wie er anzntr-effen war, ganz gleich ob in seiner Wohnstube, vor der Haustür unter der großen Linde oder — auf dem Aelde. Zähne wurden im Sommer -immer vor der Haustür auf dem Steine gezogen mit Instrumenten, die einem Bohrer ähn lich waren und -am unteren Ende ein Häkchen mit -einem darum gewickelten Läppchen -hatten. Jur Zähneziehen wurde nur ein Entgelt von 20 Pfen nigen verlangt: wie auch -die üblichen Honorare mäßig bemesten waren. Beim Zähneziehen mußte natürlich jemand dein Pa tienten den Kovf kalten, früher machte das immer -seine Juan oder -die jüngste Tochter. Nach -deren /Wenfall „de L-iebm", eine Nachbarin, die ikm die /Wirtschaft führte. In einem K-affeetöpschen wurde Mun-dwaßer verabreicht. Einem Mäd chen sollte Hänsel einmal einen Zahn mit abgebrochener Krone ziehen. Das war mit dem vorhandenen Handwerksreug nicht so einfach. Da mußte erst Platz zum Ansetzen geschaffen werden, und Duktur-Hanll zog vorerst einfach einen daneben stehenden Zahn. Als er dielen gezoaen hatte, fragte er die Patientin, was es heute zu Hause zum Mittagessen gäbe. Daraus folgte die Antwort: ..Aberuma-uke." Da sagte Hänsel: „Do muß -ich noa irstht 's Loch zu machen" und zog im selben /Moment den kranken Zahn. Es wären aus -dem Leben Hänsels manche Begebenheiten ru erzählen, voll /Witz und Humor, die heute noch manchem bekannt, doch würde dies hier zu weit führen. Im örtlichen öffentlichen Leben hat Trangott Hänsel immer eine gewisse Rolle gespielt. Er war Laiensleischbeschauer, Kom mandant der Ortsfeuerwehr und des Militärvereins, sowie /Major der -Schützengesell-sch-aft. Auch hat er lange Jahre bis zu Kriegsende Aemter im Gemeinderat und Schulvorstand be-