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gefordert, wenn seine Visionen ihn nicht gezwungen hätten, den Griffel in die Hand zu nehmen und seine „Aurora" nieder- zuschreiben, jene Handschrift, die der Rat nun in Gewahrsam hielt? Auch jetzt — er erschrak bis ins innerste Mark — spürte er, daß Visionen ihm von fernher wie aus den Tiefen der letzten Nacht wieder zuzuwehen begannen. Er erschrak; denn er fürch tete sich vor ihnen in dieser Stunde, scheuchte sie zurück, flüchtete in all die Dinge, die die Ieit der Renaissance hier in üppiger Pracht geschaffen. Sinnend verlor er sich in die reife Kunst eines Portals; aber als der Blick höher schweifte, dorthin, wo reiche plastische Füllungen in den Brüstungöfeldcrn biblische Vorgänge lebendig werden ließen, packte ihn wieder die Unruhe ver Vistonen, und nicht besser ging es ihm, als er, durch die Lauben schreitend, die Blicke gleiten ließ auf die in liebevoller Sorgfalt bunt gemalte Sonnenuhr mit all ihren seltsamen Zeichen aus dem Skerneuraum. Begannen nicht die Planeten im Sonnenqlan; zu erzittern und heftig widereinander zu streiten? Mythische Sternenstimmen drangen durch die Mit tagsstille wie Posaunen'klang auf ihn ein und drohten ihn hin zuschleudern vor Schrecken und Ergriffenheit. Da wuchs in ibm in Furcht und Glück die Erkenntnis, daß Gott nicht von ihm lassen wolle, daß er sich vor ihn gestellt auf dem Wege zu dem, der sich in Buchstaben verbissen. Er wußte, ein neuer und viel leicht bitterer Leidensweg würde ihm bestimmt sein. Dort ragte im Schneelicht das Rathaus vor ihm auf. Dort hatte man ihm seine Schrift weggenommen, daß sie nicht neues Unheil an richte. Dort hatte man ihn ins Gefängnis werfen lassen wie einen, der der Stadt Schlimmes getan, Ja, bitter würde der Weg werden, den Gott ihn gehen ließ. Tief sah er in ihn hinein. Ein düsterer Hoblwea war es, überragt von Aels und wildem Gestrüpp, und lWvlf und Bär und Luchs und Otter lauerten vor seinem Ende. Aber Gott hieß ihn den lWeg gehen, und konnte er Gott ungehorsam sein? Als der Schuster die Blicke zurückrief von seinem Schick salsort, dem Rathaus, grüßte ihn durch den letzten der Lauben bogen aus der Terne der Reichenberaer Torturm. Niemand sage, daß Stsinwcrke kalt und tot sind. Ein reiches Leben atmete der stolre trutziae Turm, atmete all seine gereckte Kraft, all seine wilde Entschlossenheit hinein in die demütige Seele des Schusters. Und als, ans der Aerne zurückkehrend, sein Auge noch einmal haften blieb auf der geliebten Gestalt der Justitia, der Göttin der Gerechtigkeit, die sich auf der halben Höhe der in edler Schwingung zum Rathaus führenden Freitreppe erhob, triumphierend und in aller Schwere entfesteltar Anmut, da löste sich auch in dem Schuster letzte Starre. Da wuchs in ihm fest liches Vertrauen. Und in ausblühender ANude wußte er, auch das Böle mußte ja in der Wielt sein. Nicht sinnlos war es, nicht wideraöttlich. Amh das Böse war Gottes Walle. Da sein mußte es, damit das Gute erst recht leuchtend werde. Lächelnd über alle Angst, die in ihm gewesen, schritt er die Neißstraße wieder hinab seinem Hause zu. Wohl war noch ein heimlicbeS Jittern in ihm. Aber es war kein Widerstreben mehr. Es war das Jittern des Weibes vor der Geburt. Arau Katharina war nicht daheim. Nur das Kind, der Elias, spielte in einem Winkel der Stube mit einem Holzklotz. Da wurde der Schuster freilich noch einmal schwach. Und als das Kind fröhlich zu plavvern begann, das wäre ja gut, daß der Vater mm von den Dörfern zurück sei, nun werde er ja den fremden Kindern schon saaen, daß sie den Elias nicht mehr anbinden und beschmutzen dürften, da saß der gottbegnadete Mann vor seinem Schreibtisch nieder und rang, die Hände aus der Bibel gefaltet, mit seinem Gott, daß er ihn doch noch frei- lasse. Gott aber ließ ihn nicht. Ein Ton begann in der Stube ru klingen, fremd und doch so vertraut. Da erhob stch der Schuster von seinem Schemel, ging zu dem spielenden Kind, riß es an stch, küßte ihm Augen und Stirn und stammelte wirre Worte von Schuld und Verzeihung. Dann wandte er stch wieder zum Schreibtisch. Unter den Büchern, die dort lagen, nahm er ein paar Bogen weißen Papiers hervor. Zärtlich glättete er sie. Eine lWolke Lichtes lag auf ihnen. Der Ton, der in der Sprache war, schwoll an. Wie Orgel gedröhn erfüllte er jetzt das Herz des Mannes, der zitternd zu schreiben begann. Er zersprengte seinen Leib, daß er eins ward mit aller Kreatur. Ieit wurde Ewigkeit. Ur-Wissen war in ihm. Die Aeder jagte über das Papier. Schauer liefen über ihn. Groß stand Gott hinter seinem Schusterschemel . . . Oer Zlölenspieler von Kari Spitzwcg Heimat und Volkstum Der Sächsische Heimatatlas. Die starke Besinnung auf Heimat und Volkstum im deutschen Volk hat besonders in Sachsen einen machtvollen Auftrieb erhalten. Alle Schichten der Bevölkerung und alle Wassens,zweige haben durch reges Interesse und tätige Mitarbeit zur Förderung des Heimat gedankens beigetragen. Diesen Bestrebungen liegt der Gedanke zugrunde, daß das Verständnis der Heimat der Schlüssel zum Verständnis des ganzen deutschen Volkes ist. Auch au der säch sischen Landesnniversttät regen stch die Kräfte; ihr Beitrag für die Heimat wird der Sächsische Heimatatlas sein. Von Pro fessor Dr. Rudolf Kötzschke schon vor fahren begonnen, wird das lWerk nun von ihm zusammen mit seinem Nachfolger, Professor Dr. Adolf Helbok, Direktor des Institutes für Hei- matforschnng,''und mit zahlreichen anderen prominenten Ge lehrten fortaeführt. Urlandschaft. Vor- und Frühgeschichte, Territorialaeschichte, SiedlungSgcschichte, Wirtschaft und Ver kehr, Bevölkerung und Volkstum sollen in ihm zur Darstellung kommen. Der Heimakatlas soll mit dazu beitragen, die Liebe rur Heimat zu wecken, darüber hinaus soll er aber Sachsen als Herzland der deutschen Kultur Herausstellen, um auf diese Weise dem ganzen deutschen Volke das Verständnis für die Bedeutung des sächsische» Volksstammes näherrnbringen. Der Heimatatlas wird sicherlich überall in Sachsen freudig begrüßt werden.