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Messer, Armbrust, Flegel. Bei Heerfahrt muß bas Dors Mannschaft und Fuhrwerk (mit Axt, Haue, Grabscheiten), oft unter bäuerlichen Hauptleuten, ins Feld stellen. Die Bauern bauen sich ihre Dorfkirche. -Oft war schon bei der Siedlung daran gedacht und Land für die kirchlichen Ein künfte vorgesehen worden. Die Kirche wird bewußt als Wehr bau errichtet. Die aus romanischer Jeit stammende Kirche zu Berzdorf a. -d. E. hat in Chor und Langhaus Mauern von 1,20 Meter Stärke.. Mit klobigen Feldsteinen wird der Kirch hof umgeben. 1473 schickt Wentsch von Dohna 18 Raub gesellen aus, daß sie -die Kirche in Friedersdorf (bei Zittau) stürmen, die Untertanen erschlagen und ihnen nehmen sollen, was sie hätten . . . Diese -lebenskräftige Dorfgemeinschaft, in -der altererbtes Recht und altererbte Freiheit walten, wird vom Ende des 15. Jahrhunderts an Gemeinde genannt. Die Siedlungen aus wilder Wurzel sind zu wohlgeordneten, selbstbewußten Jellen des Gemeinschaftslebens geworden. Da werden vom 16. Jahrhundert ab die kräftigen bäuer lichen Gemeinwesen von einer Entwicklung getroffen, die tief in -ihr Gefüge eindringt und ihnen schwersten Schaden zufügt: Aus den Grundherren werden vom 16. Jahrhundert ab Guts herren, die ihre Güter selbst bewirtschaften und ihre Einkünfte mit allen Mitteln zu steigern suchen. Die Grnndherren selbst werden durch ein Bündel treibender Kräfte zu ihrer neuen Be tätigung gedrängt. Frühkapitalistisch-e Bestrebungen, Einbruch römischen Rechtsdenkens, Vorbild der slawischen Untertänigkeit im -Osten, kommen -den Herren bei dem Ausbau ihrer neuen Stellung zu Hilfe. Die Kosten dieses Anbruchs einer neuen >^eit werden auf den Bauern äbgewälzt, -der die schwersten Jahrhunderte seiner Geschichte erlebt. In der Oberlausitz wirkt sich die Unterdrückung der Bauern infolge "der Landesverfassung besonders schwer aus, viel schwerer als im benachbarten Meißen, und auch als -die Oberlausitz 1635 zu Sachsen kommt, stnd die gutsherrlichen Ilebergriffe -längst gesetzmäßig festgelegt, so daß der ^Wechsel der politischen Zugehörigkeit zunächst keine Er leichterung bringt. Die gesetzten, gemessenen, benannten Dienste der Frühzeit werden allmählich in ungesetzte Dienste verwandelt, nun -die vollen, landüblichen, täglichen Dienste genannt. Sie beschränken sich keinesfalls auf Gutsarbeiten; die Untertanen, wie die Bauern nun heißen, müssen Baufrohn leisten, Fuhren, Wachen verrichten, Jagdhunde halten, bei -der Nachtjagd -die nen, Kapaunen mästen, Botengänge tun, Netze und Fässer aus bessern, alle anderen -kleinen Dienste verrichten. Die Frauen leisten Spinnfrohn. Ein wichtiger Abschnitt in dieser Entwicklung ist die Ver leihung der Obergerichtöbarkeit an die -Gutsherren -im Jahre 1562. Nun werden -die Bauern mit Leib und -Gut völlig der Willkür ihrer Gutsherren preisgegeben. Die Unkerkanenord- nung von 1651 betrachtet den Bauer als ein „zugehöriges Stück" des Gutes. Damit haben die Bauern selbst ihre persön liche Freiheit verloren, und die Gutsherren ziehen aus dieser Lage alle Folgerungen. Beim Verkauf von Rittergütern wird nun auch dis Ar beitskraft, -die der Herrschaft zur Verfügung steht, in der Kauf summe mit veranschlagt. Kann ein Herr die Arbeitskraft nicht selbst auönützen, verpachtet er sie. Auch die Arbeitskraft der Frau und der Kinder gehört dem Herrn. Für -die Kinder wird der Gestndezwang Lingefnh-rt. Kein Untertan, er sei Mann, Weib oder Kind, darf -das Herrschaftsgebiet ohne Losbrief ver lassen. Mit diesem Ausbau der Gntsherrscha-ft ist zugleich eine Aenderung des Flur- und Dorfbildes verbunden. Alle Guts herren streben nach Vergrößerung ihres Besitzes. Während diese Vergrößerung bis -ins 16. Jahrhundert -durch Kauf geschah, bieten die neuen Rechtsmittel den Gutsherren viele Handhaben, sich bäuerlichen Besitz anzneignen. Das berüchtigte „Bauern legen" setzt ein. Die Flur der Rittergüter wächss, selbst neue werden ausgesetzt. Der vergrößerte Besitz bedarf neuer Arbeits kräfte. Die Gutsherren siedeln Gärtner auf den zerschlagenen Bauerngütern an; die entlegenen Fluren der gelegten Güter be wirtschaften sie selbst. Sie begünstigen die Ansiedlung von Handwerkern und Häuslern in -der Dorfaue; sie steigern die Dienste. In Oberrennersdorf bei Herrnhut gab es zur Jeit -der Be siedlung ein Rittervorwerk und 14 Bauerngüter. Davon hat die Herrschaft bis 1769 10 gelegt, -so daß nur vier im Besitz bäuerlicher Familien bleiben. Die gesellschaftliche Gliederung -der Dörfer weist nun folgende Stufen auf: Die Gutsherrschaft, Groß- und Kleinbauern, Gärtner, Handwerker, Häusler, Ge sinde. In Oberrennersdorf sind 1765 von der Dorffläche im Besitz der Herrschaft 63 Prozent, -der Bauern 20 Prozent, -der Gärtner und Häusler 13,5 Prozent, im -Gemeindebesitz 3,5 Prozent. Der Mittelgrundbesitz hat also die Kosten der Ent wicklung zugunsten des Groß- und Kleingrundbesitzes tragen müssen. Das Bild der Entwicklung ist in den einzelnen Gutsherr schaften verschieden, aber die Kräfte wirken überall in gleicher Richtung. Am besten hat sich der bäuerliche Bestand in den Dörfern gehalten, die -den -Städten (oder Stadtbürgern), -den Klöstern oder geistlichen Stiftungen gehörten. Diese Dörfer weifen auch in Bezug auf die geforderten Dienste viel günstigere Verhältnisse auf, und da -die J-ahl -dieser Dörfer nicht gering ist, erfahren die Untertänigkeitsverhältniff-e im Gesamtraum der Landschaft mancherlei Nkildernng. Die Entwicklung vollzog sich nicht ohne ^Widerstand der Bauern. Die Bauernaufstände in Franken und Schwaben (1525) warfen ihre TOellen bis in die Oberlausitz. „^Wollte Gott, daß die a-ufgestan-denen Bauern auch zu uns kämen; es sind unsere Retter", äußerte ein Bauer aus Troitschendorf. Er wurde deshalb vom Rate -der Stadt Görlitz -des Landes ver wiesen. Bald -darauf standen -die Bauern von Reichwalde, Rengersdorf, die der Herrschaft Hoyerswerda, die Marien- sterner Klosterbauern, Bauern aus Oberbertelsdorf und Peterö- hain gegen ihre Herrschaften auf. Die Petershainer wurden in Görlitz in den -Schuldturm gesetzt. Sie „haben gesessen Jahre und haben müssen geloben, sich vor dem Könige wieder zu stellen gen Prag, barhäuptig, ohne -Schuhe, ohne Gewehr und in einem leinenen Kittel. Da ste aber -herauskamen, sind ihrer viele ohnmächtig geworden, und einer ist davon gestorben." Nach -der Verleihung der Ob-ergerichtsbarkeit an die Guts herren (1562) flackern -die Unruhen wieder auf. Die Unter tanen des Herrn Georg von Warnsdorf auf Schönbrunn, Thie litz und Kuhna verweigern -die gesteigerten Dienste. Die Schön brunner werden gefoltert, um -die Aufwiegler anzugeben. Die drei Rädelsführer werden in Görlitz auf Stühlen sitzend ent hauptet, während 77 Bauern, mit den Armen paarweise zu sammengebunden, mit weißen Stäben in den Händen, vom Henker -in einen Kreis gestellt wurden, -um der Hinrichtung zu- znsehen. Dann müssen sie auf dem Markt nie-derknien und dem Gutsherrn von neuem schwören, auch geloben, -den weißen Stab ihr Leben lang zu tragen bei Verlust Leibes und Lebens. Auch die Klosterbauern auf dem Eigen verweigern 1574 wieder den Gehorsam, die von Kemnitz 1592. Aber alle Aufstände und Beschwerden werden von -der Oberbehör-de zugunsten des Adels entschieden. Während -der Bauer seine Kräfte in untragbaren Diensten verzehrt, erlebt der Adel mit dem Barock seine Blütezeit. Er baut seine Schlösser und Lustgärten, entfaltet -seine Herrenkul tnr. Aus -dein Kreise -des Oberlausitzer Adels kommt Anselm von Jigler und Klipphausen (1663—1693), der mit feiner Asiatischen Danise -den Hauptronian des Spätbarock schreibt. Aber wie der Bauer durch die allgemeine geschichtliche Ent wicklung in seine trostlose Lage gebracht wird, -so wird er auch im Inge der allgemeinen Entwicklung wieder daraus befreit. Nur geht jetzt der Weg umgekehrt; während die Unterdrückung in ihren Anfängen im praktischen J-ugriff vollrogen wird, um später ihre ideemäßige Rechtfertigung zu finden, werden jetzt zuerst die bestehenden Justände von der Idee her erschüttert, um im verhältnismäßig langen zeitlichen Nachhinken praktisch wirk sam zu werden. Vom Ideengut der Aufklärung her wird der Instand der bäuerlichen' Erbuntertänigkeit als menschenunwürdig erkannt. Die Oberlansitz wird in Wort und Schrift der jungen Auf-