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Liebe Leute, bedenkt einmal das ganze grausame Spiel! Da hatte man sich fast vier Wochen lang auf Weihnachten gefreut, Alles im Hause war dazu an getan, diese Freude von Tag zu Tag zu steigern und zu höchstem Glanz zu entfalten. Da mußte es nun einen Tag, ach Stunden vor der Bescherung nur, so einen entsetzlichen Rückschlag geben: Hirse! Man weiß sa, wie das ist! Man nimmt einen Löffel von dem herben Brei (er kann auch süß anaemacbt sein, aber dann ist es fast noch schlimmer!l, also man nimmt einen Lössel. ißt, nimmt einen Schluck Wasser, Unsere Mutter hatte alle diese Sitten und Gepflogenheiten von ihrer Bauernheimat in der Lausitz mitgebracht, genau so wie das köstliche Festgericht der „gedämpften Butternudeln mit Räucherwurst". Sie wußte aus diesem ihren bäuerlichen Sinn heraus uns mitten in der Großstadt eine warme Heimat des deutschen Herzens zu erhalten, daß wir noch heute von diesem verschenkten Reichtum zehren und immer wieder davon geben können. Die ganze Weihnachtszeit wußte sie mit geheimnisvollen Andeutungen wunderbar zu erregen. So erzählte sie, wie sie als Kind noch sene Christkindumgänge mitgemacht hatte, die in ganz einfacher Art von Haus zu Haus zogen, aber in jedem Hans mit gläubigem Wundern und Staunen ausgenom men wurden. Da klopfte es an die Tür, eine Schar von Madeln, als Engel verkleidet, trat herein, und nun klang eine Stimme dünn und fein: „Einen guten Abend zu dieser Frist, herein schickt mich der Heil'ge Chrisi, ich sollte Vater und Matter frag'», ob sie auch gute Kinder hab'», die fleißig bet'n und fleißig sing', so wird ihnen der Heil'ge Christ was mittebring', wenn sie aber nicht fleißig bet'n und sing', so wird ihnen die Rute auf dem Rücken rumspring'." In dem Engelkind gesellte sich bald der „R upper ch", der als Abgesandter iWodans heute wie vor Heiken ssm Kommen mit gutmütigem Lärmen und Poltern ankündigt: „Blitz, blatz, Fladerwiesch! draußen öS mörsch goar ze frieieb, wöll miech a de woarme Stube machn, und dan Kindern vertreibn 's Lachn." Ihm folgte der Heiliae Christ. Es gab eine kleine bunte Szene in Spiel und Widerspiel, es gab ein wenig Angst und doch viel Freude dabei, und wir Kinder fühlten beides noch, wenn Mutter nur davon erzählte. In einem freilich konnten wir unsere Mutter nie recht ver stehen. So gewiß, wie an ihrem Geburtstag, am 19. Dezember, gebacken wurde, wobei der warme Kartoffelkuchen als Vorfreude auf den Weihnachtsstollen mittags gekosiet werden durfte, was eine herrliche Sacke war, so sicher wie es am Heiligen Abend einen Heringssalat gab, den der vcrwölmrcstc Feinschmecker ae- lobt hätte, wobei ich mir aller- I dings fast regelmäßig den Ma- gen verdarb, so sicher, uner schütterlich sicher gab es am Heiligen Abend zn Mittag . . man vor Verzweiflung schluckte, was nicht runter wollte. Mutter versuchte es mehr mit gutem Hureden: „Iß Hirse, mein Junge", sagte sie „iß Hirse, da wirst du reich und glück lich werden!" . . . Hätte ich doch mehr Hirse gegessen! . . . Was war das denn gewesen? Ein uralter Brauch! Im Geschlecht meiner mütterlichen Ahnen war er überliefert. Denn so dachten unsere Vorfahren in grauer Vorzeit: In den Tagen der Wintersonnenwende, wenn alle Herzen und alle Hoff nungen ihrem neuen Frühling zustrebten, mußte man quellende, treibende Gerichte essen, Hirse, Linsen, Erbsen. Das verhieß dann Fruchtbarkeit des Leibes und des Lebens. Darum zwang uns die Mutter zur Hirse. Darum ißt man im Erzgebirge noch heute am Heiligen Abend die „Semmelmilch", darum hat das Weihnachtsgebäck entweder (wie im Spekulatius) Tierformen, in Erinnerung an den Iuleber, oder Spaltform, die eben auch auf Fruchtbarkeitssegen hindeutet. Wag die Mutter in der Kittderzeit aus ganz sicherem Volksaefühl heraus übte, das betrachtet der gereifte Mann nun aus höherer Einsicht: Er sieht in der deutschen Weihnachtszeit den ungebrochenen Ausdruck jener germanischen Sehnsucht, die aus dem Dunkel hin zum Licht drängt, er sieht das neue Licht des Himmels zusammenfließen mit dem Licht der Wintersonnen wende und erkennt, daß darum auch der deutsche Mrnsch sich nicht mit ein paar TDeihnachtstaaen begnügen will, sondern daß sein Blut und Herz eine ganze Weihnachtszeit verlangt. In sie hinein stellt er das Grün des Waldes ebenso wie das Licht. Beides sollte ehedem die Unholden in den Rauhnächten fernhalten, aus beiden ist mit der Feit der deutsche 2D e i h - nachtsbaum erwachsen, und wir sind kühn genua, ihm in seiner letzten Svmbolik, in dcni Sinn, in dem er über unsre 2Delt ans der Heit in die Ewigkeit ragt, mit dem heiligen Baum der Nordmänner, der 2D eltesche 2)gadrasil, ru vergleichen. 2Denn ein Kind ins Leben erwachte, sollten seine Augen zum erstenmal die Welt in diesem Baume sehen. Und wenn eine deutsche Mutter ihr Kind zum erstenmal in den feierlichen Glanz des Weihnachtsbaumes hineinhcbt, dann kün det das Jauchzen des Kindes schon ein unbewußtes, vorahnendes Bekenntnis zu den heiligen Werten seines Volkes. ißt wieder, und so fort. Bis es dem Vater ru toll wurde, und er einen schließlich fütterte, daß Moöerne Tlutobusverbinöungen unö Straßen haben öen Wintersportplatz Hain für feöen Besucher erschlossen Archiv: Kurverwaltung Oybin