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llr. 12 Oberlsusitzer tte! 1 225 Wälder emporsteigen; sei es in den Gründen und Schluchten auf den Tafelbergen der Sächsischen Schweiz mit ihren pitto resk geformten Sandsteinfelsen — ein jeder von Schnee und Eiskristallen wie von einem Zuckerbäcker bearbeitet —; sei es in den Dörfern um den Geisingberg, auf der Höhe von Iinnwald oder in den erzgebirgischen Spielzeugschnitzerdörfern um den Echwartenberg bei Seiffen, in denen man im besonderen um die Weihnachtszeit viele Köstlichkeiten erzgebirgischer Volkskunst in engen niedrigen Stuben schauen kann; sei es am Fichtelberg, in dessen unmittelbarer Nähe, im böhmischen Gottesgab, der un vergessene deutsch-böhmische Sänger des Erzgebirges, Anton Günther, seine so ansprechenden erzgebirgischen Lieder sang von den „hamlich rauschenden Wäldern" und „von Hamit und Vulk", oder in der vogtländischen Landschaft um den Aschberg ini klingenden und singenden Musikwinkel Sachsens, aus dem alljährlich Tausende von Instrumenten aller Art in alle fünf Erdteile verschickt werden. Doch nicht nur in den Gebirgen mit ihren Bergen, Hügeln »nd Tälern, Dörfern und verträumten Kleinstädten auf Berges höhen und in lauschigen Talkesseln zeigt sich der sächsische Win ter in strahlender Schönheit — obwohl hier sein eigentliches Iauberreich ist —, sondern auch in dem mittleren sächsischen Bergland, in den Flußtälern der Zwickauer Mulde und der Freiberger Mulde und dem unteren Flußlauf der Zschopau mit ihren Schlössern und Burgen, die dem Landschaftsbild oft märchenhafte Schönheit verleihen. Der rechte Wanderer weiß aber auch das Flachland zwischen Leipzig, Oscbatz und Riesa, Die neue tzochwalöbauöe mit Turm bei Kurort Gpbin Archiv: Kurverwaltung Oybin dieses gesegnete Bauernland, oder die Landschaft um Großen hain und Königsbrück und die Lausitzer Heide nördlich von Bautzen zu schätzen, wo sich die Felder und Wälder in die Un endlichkeit dehnen. Das Auge gleitet hier über weiße Schnee felder hinüber zu dunklen Kieferwäldern, zwischen denen sich Bauernhöfe und Dörfer buntfarbig ducken, schlanke und dicke Kirchtürme sich recken, verwunschene Schlösser von der Ilkärchen- pracht des vergangenen Sommers träumen. Und ein Gang durch sächsische Städte zur Winterszeit, wenn der Schnee dick auf Dächern, Toren und Türmen liegt, die Giebel und Dachrinnen lange Japsen ans Eis aufweisen? lWahr- haftig er lohnt! Ob du im tausendjährigen Meißen die vielen Stufen, vorbei an dämmrigen Weinstuben, zur Albrechtsburg und dem weit in die Lande schauenden Dom hinaufsteigst und dort von der Burgwarte über die alte Stadt mit dem bunten Gewirr von Dächern und winkligen Gassen nach dem dicken Turm der patriarchalischen Frauenkirche — Ludwig Richter hat sie auf vielen seiner kerndeutschen Bilder verewigt — herab blickst, oder ob du in der mittelalterlichen Hauptstadt des ein stigen Markgrafentums Oberlausitz, in Bautzen, weilst, wo dir jedes Bauwerk ein Stück Landes- oder Stadtgeschichte erzählt. Das Herz ist erfüllt beim Anblick dieser Stadt, die sich ter rassenförmig über dem Ufer dec Spree aufbaut mit der alten grauen Wasserkunst, der Michaeliskirche, dem hohen Kirchen dach des Petridomes, efeuumsponnenen Klosterruinen und den vielen Türmen und Toren, die noch heute wie Wächter um die alte Stadt stehen. Auch hier hat der Winter seine Herrlichkeit iu die alte Stadt mit ihren dunklen Toren und engen Gassen, die von „Liebesnächten und W>affengängen" träumen, gezaubert. In Pulsnitz mußt du in der Ieit vor Weihnachten weilen, wenn es aus allen den niedrigen, von wildem iWein und Efeu umrankten Hänschen nach frischem Pfefferkuchen und Leb- und Honigkuchen duftet. Das Lausitzer Landstädtchen ist so etwas ivie Schlaraffenland. Jedoch nicht nur die seit Jahrhunderten in dieser Stadt eingesessenen Pfefferküchler senden ihre wohl riechenden und fein schmeckenden Waren weit über Sachsens Grenzen hinaus, sondern auch die in ihr beheimateten Töpfer, die buntfarbiges Gebrauchsgeschirr Herstellen. Wie schön ist hier der Blick vom Eierberge nach der Stadt oder vom alten breit- giebeligen Rathaus nach der Stadtkirche, an der einst der Vater des großen Bildhauers Ernst Nietschel — seines Zeichens ein ehrsamer- Handschuh- und Beutelmacher — Küster war. Wandert man jedoch an einem Wintertage durch das Puls nitzer Tor nach der benachbarten Lausitzer Sechsstadt Kamenz und steigt die bergige Straße hinauf zu der St. Marienkirche, dem größten TOunder dieser 4225 gegründeten, oft vom Schick sal heimgesuchten Stadt der Tuchmacher und Töpfer, so erlebt man wohl im Geiste eine Episode aus der Lebensgeschichte des in dieser Stadt geborenen großen Dramatikers Gotthold Ephraim Lessing, der an einem strengen TNntertage auf Befehl seines Herrn Vater Pastor primarins Lessing, unter einem dringenden Vorwande eilends aus Leipzig heimkehren mußte, weil er an geblich als Leipziger Studiosus zufolge seines Umganges mit berüchtigten Komödianten, wie der Neuberin, verlotterte. Auf schwarzem Basalt thront hoch über verschneiten Tälern Stadt und Burg Stolpen, reich an Geschichte und Legenden. Wie ein mittelalterlicher Kupferstich hebt sich diese kleine Bexg- und Burgstadt in luftiger Höhe vom grauen Winterhimmel ab. Ein Gang durch die alte Silberbergstadt Freiberg, wenn auf dem schönen rechteckigen Marktplatze im weichen Tanze der Flocken der Christmarkt aufgebaut und ein Daald von Tannen bäumen in die Stadt gekommen ist, wie ist er zaubervvll. Immer steht man vor neuen malerischen Schönheiten und LDundern, sei es vor dem mächtigen Tor der Goldenen Pforte des Frei berger Domes, in dem eine Orgel Meister Gottfried Silber manns zarte Weihnachtslieder singt, sei es an der Stadtmauer neben dem mächtigen, einst von Bergleuten errichteten Donats- kurm oder in den winkligen, alten Tassen, deren engbrüstige