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Die Stimme des Sudetenvolkes „Sudeten" heißt der Gebirgszug, der sich zwischen Schle sien und Böhmen, vom Elbsandsteingebirge der Elbe 310 Kilo meter lang bis zur „(Mährischen Pforte", voin Lausitzer über das Äser-, Niesen- und Hcuscheuergebirge, das Waldenburger Bergland, das Eulen-, Warrhaer, Adler-, Habelschwerdter, Reichensteiner zum Glatzer, Altvater- und Odergebirge und bis zum (Mährischen Gesenke hin erstreckt. Uralt schon ist der Name „Sudeten": schon Ptolemäus spricht von der „sucksla oru", Sem „Saugebirge", den ,,Wildschivcinsberge u ". Aber seit 1!)10 ist der .Begriff „fuSeteudcutsch", Yen es vor dem Ariedensdiktat von St. Germain nicht gab, der Sammelname der in die Grenzen des danach geschaffenen tschechoslowakischen Staates gezwängten deutschen Stämme geworden. Die in Böhmen ehe mals ansässigen germanischen Volksstämme waren die Marko mannen und Suaden. Die neueste Forschung gelangt immer mehr zu dein Ergebnis, daß in der Völkerwanderungszeit die einzelnen (Wanderungen keine „hundertprozentigen" waren, son dern daß sehr oft Gruppen des Stammes fortzogen und andere Teile zurückbliebcn. So mehren sich auch die Anhaltspunkte Oafür, daß von den ältesten Germanen in Böhmen Volks gruppen zurückgeblieben sind und die germanisch-deutsche Be siedlung niemals ganz abgerissen ist. Trotzdem ist die neue deutsche Sicdlerwelle des (Mittelalters entscheidend für das Schicksal 0er böhmisch-sudetendeutschen Waldgebirge geworden. Die große ostdeutsche Landnahme bewegung, sie seit dem 12. Jahrhundert unaufhaltsam die (Wiedergewinnung des verlorenen Ostrauiueö zum spiele hat, hat auch den sudetendeutschen und karpatendeutschen Raum dem Deutschtum abermals gewonnen. Die im Gegensatz zu den tschechischen Hörigen freizügigen deutschen Bauern, die, von den Königen und den Grundbesitzern ins Land gerufen, damals allein den harten Waldboden mit dein deutschen Pfluge urbar zu machen verstanden, waren aus allen benachbarten Ländern, aus Anne rösterreich, aus Bayern, aus der Oberpfalz, aus Franken, Thüringen, (Meißen und Schlesien gekommen. An der (Mitte des 17. AahrhundertS wurven neuerdings die durch den 30jäh- rigen Krieg entvölkerten Gebiete Mestböhmens mit deutschen Ansiedlern, zumeist aus Ober- und Mittelbayern, bevölkert. An diesen deutschen Sprachgebieten ertönen viele (Mund- arten, die sich von Ort zu Ort, von Tal zu Tal voneinander entfernen und ab und zu von Auseln anderer Sprechweisen unterbrochen werden. Trotz dieser (Mannigfaltigkeit lassen sich doch in der Hauptsache vier große, wenn auch nicht durch scharfe Grenzen, so doch deutlich voneinander sich abhebende Gruppen unterscheiden, die aber wiederum nicht besondere heimische Mund arten, sondern Teile deutscher Mundartgebicte jenseits der bis herigen Grenzen zwischen dem Staat von St. Germain und dem Deutschen Reich (einschließlich des früheren Deutschöster reich) bilden. Durch ihre Mundarten erweisen sich die Deutschen des Sudetenlandcs als den verschiedenen Stämmen zugehörig, die in den angrenzenden Landschaften des Reiches ihre ursprüng lichen Sitze haben, und deren über die Grenzen vorgeschobene ethnographische Vorposten sic darstellen. Am früheren Deutschböhmen herrscht somit die bayerisch österreichische. genauer die mittelbayerische (Mundart, und zwar im Böhmer (Walde von den bisherigen Landesgrenzen im Süden bis Eisenstein hinauf, ebenso in der von Niederösterreich aus bereinragenden Sprachzunge von Neubistritz und in den ge mischten Sprachinseln von Bndweis und Stritschitz. Das (Mittelbayerische wird im Reiche in Altbayern, Salzburg, Ober- und Nie-derösterreich und in Südmähren gesprochen. Am Böhmer Wald erscheint cs in zwei Sprechweisen, in der des Unterlandes von Hohenfurth und Gratzen bis gegen (Wallern hinauf, der Mundart der Ennsherzogtümer entsprechend, und der des Oberlandes, der (Mundart des Bayerischen (Waldes, gleich. Einzelne Ortschaften, deren Ansiedler ans entfernteren österreichischen Gegenden hierhergekommen sind, zeigen abwei- Von der 5prache unserer heimgekehrten Volksgenossen chende lautliche Erscheinungen. So 'ist die (Mundart von (Wal lern besonders altertümlich und eigenartig. Am nördlichen Teil des Böhmer (Waldes beginnen die Sitze des nordbayerischen Stammes, der das ganze breite deutsche Gebiet in Westböhmen bis an den Fuß des Erzgebirges ein nimmt. Den alten Kern dieser Landschaft bildet das Egerland mit seinem Umkreis oder, wie es in der (Mundart lautet, ,,'s- Egerland und zingstrim" oder „tschaimstümendüm". Diese (Mundart wirs außeroem nur noch im benachbarten Bayern, in der Oberpfalz bis gegen Regensburg und Nürnberg hin ge sprochen. Ahr Verbreitungsgebiet deckt sich im allgemeinen mit dem Umfang deS alten Nordgaues. Darum wird diese (Mund art auch als „obcrpfäl,zisch" oder „nordgauisch" bezeichnet. Sie ist breit und schwerflüssig, die betonten Silben werden besonders- hervorgehoben, die Nebensilben gekürzt. Verwandte Mundarten sind nicht wie fremde Sprachen^ durch scharfe Grenzen voneinander geschieden. Darum geht im nördlichen Teil des Böhmer Waldes die mittelbayerische (Mundart ganz allmählich in die novdbayerische über. Aene aber gilt in Viesern Uebergangsgebiet als die schöner klingende, und die Gebildeten bedienen sich mit Vorliebe des (Mittelbaye rischen, das sich darum siegreich gegen die Nachbarmundart durchsetzt. An ihren nördlichen und östlichen Grenzen von Blei statt, Karlsbad und Theusing angefangen, nähert sich die nord bayerische (Mundart allmählich dem benachbarten Obersäch- sisch, nördlich vom Egertal ins Erzgebirge hinauf hat hingegen die nordbayerische Mundart Fortschritte gemacht; ganz oder ge mischt egerländische Volkslieder sind die Vorläufer -ihres Sieges zuges. Sie zerfällt in Böhmen allein, abgesehen von zwei durch obersächsische Eigentümlichkeiten hervorstechenden Auseln — das- alte Bergwerksgebiet um Schlaggenwald und bei (Mies — in zahlreiche Unkermundarten, von denen die egerländische im enge ren Sinne durch wissenschaftliche Forschungen und viele mund artliche Dichtungen besonders bekannt geworden ist. Bis zur Elbe hin wohnt dann der obersächsische Stamm. Die hier gesprochenen Mundarten werden als novdböhmische zusammengefaßt. Unter ihnen hebt sich deutlich das Erzgebir- gische ab, das hüben wie Srüben der Grenze gleichgesprochen wird. An den Vorlanden um Saaz, Kaaden, Komotau und Brüx herrschte die nordwestböhmische Mundart, die zwischen dem Nordbayerischen, dem Erzgebirgischen und dem Nordböh mischen ihre eigene Geltung beansprucht. Am Gegensatz zum Nordbayerischen ist das Obersächsische von hellerer, beweglicherer Art; hier ist auch eine singende Sprechweise wie in Sachsen üblich. Am Saazer Hopfcnland, wo eine wärmere Luft weht,, als in der härteren Natur des Gebirges, zeigt auch die Sprache weichere und herzlichere Laute. Das nordöstliche und östliche Sudetenland bis nach Mähren hinein wird vom schlesischen Stamme bewohnt, doch schon westlich der Elbe beginnen einige- Eigenschaften dieser Mundart. Auf ihrem weiten Ausbrei tungsgebiet weist sie im ganzen ein ziemlich einheitliches Ge präge auf. Unterschieden werden: die (Mundart des Asergebirges, die des Riesengebirges, des Braunauer Ländchens und des Adlergebirges. Diese letzte Gruppe ist der (Mundart der Graf schaft Glatz besonders nahe verwandt. Am Umkreis von Hohen- elbe zeigen sich starke fränkische, in Rochlitz obersächsische Ein flüsse. Der Schönhengstcr Gau erweist eine auf ostfränkischer Grundlage beruhende, vom Schlesischen beeinflußte Sprech weise, besonders stark in seinem um Landskron gelegenen Stück, während die Sprechweise der Aglaner Sprachinsel, die im 13. Aahrhundert von Schlesiern besiedelt worden ist, auch in ihren: nördlichen Teil durch starke Zuwanderung von Mittel und Nordbayeru wesentlich abgeändert wurde. Die schlesische (Mundart drückt, hier wie im alten Schlesien des Reiches, eine gemütliche Breite, doch auch einen verständigen, fleißigen Geist ans.