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die Behörden beeilten sich keineswegs mit beschienen Lieferungen over leisteten sie unvollständig. Selbst im Hauptquartier des Kaisers war ein häufiges Versagen der Leistungsfähigkeit offen kundig. Die Verluste von 1812 ließen sich nicht so schnell er sehen, vor allem nicht die 20jährige Erfahrung von Geueral- stabsoffizieren. Nun war Napoleon schon so weit, polnische Adjutanten statt der französischen zu bevorzugen, weil sie keine Kosakenfurcht kannten, schneidige Reiter waren und mit der Bevölkerung bester auskamen, da sie alle etwas Deutsch konnten und findiger waren. Als Augenzeuge konnte Grabowski be richten, daß die neuen Siege nur mit schwersten Verlusten er rungen worden waren. Nicht minder bedenklich waren Poniatowökis Berichte ans der zerrütteten Heimat und über die zunehmende Feindseligkeit der Oesterreicher, besonders beim Durchzug durch (Mähren. Hier rächte sich der Herzog Ferdinand für die Niederlage in Polen l 80!), indem er in zuvorkommendsten, an den „teueren Fürsten" Joseph gerichteten amtlichen Erlässen diesem die größ ten Hindernisse in den Weg legte, die unentbehrlichsten Proviant und Fouragevorräte für die Truppen weigerte. Man suchte die Polen zu schikanieren und zu demoralisieren und leistete vor bedacht der Fahnenflucht Vorschub. Poniatowski mußte einige Flüchtlinge erschießen lasten""). Allmählich entkamen weit mehr als lOOO (Mann. WÄHrend der Unterredung mit Grabowski traf die erste Kolonne der Polen unter Oberst Kurnatowski in Austerlitz ein. Ihnen mußte die Siegcsnachricht von Bantzen als eine Er lösung erscheinen, sie marschierten mit jubelndem Viva Ichmpe- reur! durch die Straßen, und die Erinnerung an den Ruhm von Austerlitz 1809 wurde lebendig. Endlich hatte ein Kurier klare Befehle gebracht über das Hiel des Marsches: Hittau sollte auf möglichst kurzem 2Ü ege über Brünn, C fas lau, Kol in und Gabel erreicht werden. In gehobener Stimmung, voll bewaffnet, in bester Jucht und Ordnung marschierte man weiter, stets begleitet von oen Truppen des Fürsten Lichtenstein ^), unter unablässigen Schwierigkeiten und Plackereien bis zur sächsischen Grenze. Poniatowski nahm den Adjutanten des Kaisers in seinem Wagen mit nach Brünn, wo sie bei einem Diner des Erzher zogs Ferdinand die vornehm höfliche und korrekte, aber eisige Haltung der österreichischen Offiziere empfindlich ivahruahmen. Ponjatowski machte einen Abstecher von seiner Marschlmie nach Prag, während Grabowski und Baron Bignon über Lobositz, Teplitz und Dresden schnellstens zu Napoleon zu gelangen such ten, den sie in Liegnitz am 4. Juni erreichten, gerade zu Beginn des (Waffenstillstandes. Beide blieben vom Hauptquartier aus, vor allem von Dresden her, mit Poniatowski in Hittau in Ver bindung, hatte doch Bignon von jetzt an den Befehl zur Re organisation des 8. polnischen Korps. Gegen die drohenden Lasten der großen Einquartierung setzte sich der Stadtrat zu Hittan kräftig zur Wehr""). Durch stän digen Verkehr mit böhmische» Behörden erfuhr er, idaß alle fünf Kolonnen der Polen im Hittauer Gebiet untergebrachL werden sollten, und erst am 0. Juni wurde dies zur Gewißheit nach Eintreffen polnischer und französischer Offiziere, vor allem des Generals Dejean, eines Adjutanten Napoleons, der ein be währter Organisator war. Am l2. Juwi abends kam unver sehens der Reitergeneral Kellermann, der Sohn des Herzogs für einen russischen Offizier gehalten wurde, vertraut ihm der Postillon, ein alter Schillscher Husar, seine Nkbrdgeheimuisse an und zeigt ihm sein großes Dolchmefser. Askenazy, S. 263. Es war der Sekretär Bignons, M. de Rumigny. — bl. 6s dlorvin8, ?orteksui!Is von l8l3. Paris 1825. I. 350. Er schildert die diplomatischen Schwierigkeiten. -n) Grabowski, S. 52. 2°) Rats aktcn stück über das „Herzog!. War schauische Truppenkorps" unter Fürst Poniatowski 1813 in Hjttau, angelegt von Bürgermeister (Weise. Rep. I. Eap. 7 f. Nr. 5 (auf dem Hauptblatt Nr. 4600). -sur Bearbeitung vermittelt durch das Hauptstaatsarchiv in Dresden. , von Valmy, der sich der polnischen Reiterei annehmen sollte. Der Stadtrat richtete am 13. Juni ein ausführliches Gesuch an das Geheime Konsilium und den König in Dresden, worin er nm Weiterleitung der Polen bat, da man wegen der bis herigen Kriegslasten solche Masten nicht mehr verpflegen könne. Nicht einmal die erforderlichen Kapitalien seien aufzutreiben. Denn das ganze Korps bedürfe täglich 15 705 Portionen und 8134 schwere Rationen für die Pferde. Ebenso bat man den Grafen Einsiedel in Dresden nm Hilfe und Vermittelung""). Der Stadtrat macht die einzigen zuverlässigen Hahlenangaben über die ankommenden Truppen, die er wohl von polnischen Offizieren erhalten hatte. Etwa 50 polnische Quartiermacher trafen am 13. Juni erst abends 7 Uhr in Hittau ein. Napo leons Angaben an (Maret am 6. Juni über die Stärke des pol nischen Korps führen an acht Regimenter Infanterie zu 6200 Mann, 16 Regimenter Kavallerie zu 3200 Mann mit 5000 Pferden, eine Kompanie Artillerie zu Pferde, eine Kompanie Pontonniers, 600 Mann Artillerie zu Fuß, 600 (Mann Genietruppen "H. Obige Hahlen müssen die mitmarschierenden sächsischen und französischen Truppen und den großen Fuhrpark mit umfassen. Denn später meldete das 8. Korps unter Ponia towski aus Hittau als Bestand 10 Bataillone, 6 Schwadronen, 6Batterien — 7573 Mann und 44 Geschütze, dazu das 4. Kavalleriekorps unter Kellermann 24 Schwadronen, 2 Bat terien — 3923 Mann und 12 Geschütze, also 12496 (Manu"?). Die polnischen fünf Kolonnen sammelten sich in L a g ern und Quartieren in Hennersdorf und W a r - tenb e r g. Huerst zog die 2. KolonneunterDivi- s i o n Sg e n e r a l Ka m i e n i e ck i, dem vertrauten Bevoll mächtigten Poniatowskis, der seine riesigen Besitzungen ver walte!?, am M ontag , d e m 1 4. Juni, 3238 Mann und 1771 Pferde, auf elenden Feldwegen von Oschitz aus durch Kriegdorf, Schönbach, Pankratz, über den Paß, Spittel gründ und Grottau nach H i t tau , Infanterie und Kavallerie mit klingendem Spiel feiner Ianitscharenmusik, wobei ein (Mohr mit aller Kraft die Becken schlug. Aufsehen erregten auch die Chasseurs mit hohen Bärenmützen. Das 15. Infanterieregiment blieb in der Stadt, die übrigen Truppen gingen auf die Dörfer, z. B. nach Hirsch felde ein Fußartillerie-Park mit 6 Kanonen, 10 Pulverwageu und eine Feldschmiede'"). Den Höhepunkt bildete das Ein-- treffendes Oberbefehlshabers, des Fürsten Poniatowski, a m Dienstag, dem 15. I u n 'i,. früh 5 Uhr mit 40 Offizieren und 200 Pferden. Ec kam, wie alle folgenden Kolonnen, von Gabel über Peters dorf, Lückendorf nndEich g r a b e n. Vor den Toren Hittaus empfing ihn vollzählig der Hittauer (Magistrat, die- ganze städtische Bevölkerung war hiuansgewandert, nm Ponia towski herzlich zu begrüßen und ihren Kindern den aus weiter Ferne hierher verirrten Feldherrn zu zeigen "H. Auf unsinnigen Umwegen hatten die Polen, in Luftlinien gemessen, weit über 560 Kilometer zurückgelegt, während die Entfernung von Kra kau bis Hitkau in Luftlinie 380 Kilometer beträgt. Den Polen b") Aus obigen Ratsakten ist dieser und ein anderer Brief an die Landesältesten abgedruckt, aber nicht als Fund daraus, sondern aus dem Nachlasse des Syndikus Dr. Bergmann, der Abschriften hatte. Hitt. Gesch.-Bl. 1913, S. 22, 23. Ebenda S. 15 bemerkenswert ein Brief Scharnhorsts aus Hittau an Hardenberg über seine Verwundung. ") l)orre8p. 25. Bd. Nr. 20 092. "') Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. 68. Bd.'l888. S. 135, 138. 3") Josef Schubert, Grottau, Erinnerungen an das Jahr 1813. Hitt. Gesch.-Bl. 1913. S. 36—48. Eine sehr ausführliche und beachtenswerte Arbeit, leider meist ohne Quellenangaben. r") Knothe, Hirschfelde, S. 132. "°) Askenazy, S. 263, hat «s aus einer Hittauer Chronik. Er sah auch um 1910 in einer Dresdner Kunsthand lung ein Bild von dieser Begrüßung.