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Die umliegenden hohen Häuser -waren nach dem Einmarsch der Iugen) von dem Schulfest in dem der Stadt vorgelagerten Stadtpark, der Weinau, festlich beleuchtet. Man war winzig klein -unter den vielen drängenden Menschen und Kindern in abendlicher Stunde und doch so froh und glücklich, so -seltsam bewegt. Der Marktplatz weitete sich zum Märchenland: Traum ward ^Wirklichkeit. Mut dünner Stimme sang man mit den Tausenden einer andächtigen Gemeinde: „Abend wird es wieder über Wald und Felo ..." -Ein Zauber hielt uns umfangen und ließ uns wochenlang nicht los. Der ^Marktplatz und Rathausplatz mit den vielen Ge schäften in den hohen Häusern war für mich als Kind ein be liebter Anziehungspunkt. Was gab es -doch -da alles zu sehen. Wie viele Wünsche wurden hier laut, und ich wußte dabei doch genau, daß sie die Eltern nicht erfüllen konnten. Am meisten zog mich das Papier- und Schreibwarengeschäft mit seinen Airslagen an. Es stand fest für mich, daß ich später, wenn ich einmal ein Mann sein würde, solch ein Geschäft besitzen wollte. Dieser Beruf dünkte mir -als -der schönste und begehrenswerteste. Hier auf -dem Markt war es, wo wir mit Körben und Eimern zur frühen Morgenstunde -im Sommer Heidelbeeren, Preisel beeren und Pilze holten, die böhmische grauen in bunten Röcken und Blusen und farbenfreudigen Kopftüchern laut -schwatzend feilboten. Hinter dem -alten Amtsgerichtsgebäu-de am Markt lag -ein Geschäft, das ganz besonderen Zauber auf mich ausübte. In -oieseni gab es das beste Sauerkraut in der -Stadt. Sonnabend für Sonnabend fand ich mich als Schuljunge mit Markttasche und Emailletopf als beauftragter Käufer hier ein. Immer mußte man lange warten, bevor man an der Reihe war und seinen Einkauf tätigen konnte. Ich löbte oft -in großen Aengsten, daß -der Sauerkrautvorrat zu Ende gehen möchte, -ehe ich den Topf der Verkäuferin übergeben konnte. Aber er -schien mir oft unerschöpflich. Immer neue Fässer wurden hereingerollt. -Eine prächtige Allee führt zur Stadt hinaus in -den Stadt park, die Weinau. Wieder gehe ich die vielen verschlungenen iWege durch den Park, die ich einst mit den Eltern und Ge schwistern spazierte. Denke dabei -daran, wie -der Vater mich als Siebenjährige« lehrte, daß die Bäume des Waldes gar Vieles zu erzählen wissen, nur still müsse man sein, wenn man es hören und verstehen wolle. Ich stand -damals dieser Lehre allerdings wie ein ungläubiger Thomas gegenüber. Leider zur Bekümmernis des Vaters, -der mir so gern seine WAt, in der er lebte und in der alle Dinge Leben und Sprache hatten, näher bringen wollte. Das große Vogelhaus inmitten des Parkes, in dem die verschiedensten Pbgel frei umherfliegen, hat mich jedoch auch damals schon begeistert. Erst -etwa zwei Jahre -später er wachte auch in mir die Liebe zur Natur und allen Lebewesen. Von dieser Zeit an war ich dann allerdings der stete Begleiter meines Vaters auf seinen Entdeckungsfahrten durch die Heimat und auf seinen 2Danderungen in den Zittauer Bergen, von denen ihm jeder einzelne Geschichten erzählte. Staunend ver nahmen wir Kinder bei solchen Wanderfahrten solche Ge schichten und Sagen, die oft seltsam und ungewöhnlicher Art waren. Vor der Stadt -erhebt sich auf -einem kleinen Hügel der Eckartsberg. Wiesen und Felder ziehen sich den Hang hinauf mit Bauerngütern und Grasgärten. An stillen Sommerabenden sind wir oft mit dem Vater auf -dieser schönen Anhöhe gewesen, von der aus wir die Stadt und die dahinterliegende Bergkette überschauen konnten. Auf diesen stillen Abendgängen zogen wir den Duft der Felder tief in unsere Lungen ein. ^Mitunter blieben wir stehen, uns nicht rührend, dem herben Ton -der Grille lauschend oder den letzten Lauten eines Vogels. Wir hörten auf den Wän-d, der leise, geheimnisvoll in den Bäumen und in Aehrenfeldern harfte, sein schwermütiges Abendli-ed sang, fuhren erschreckt zusammen, wenn ein Rebhuhn plötzlich gur rend aus seinem Versteck aufflog oder ein Nachtvogel mit müdem Flügelschlag dicht über -uns seine Kreise zog. All dieses Seltsame, die Feierlichkeit der abendlichen Landschaft und die geheime Furcht vor der Fremdheit der Natur, die uns oft er schrecken ließ, erfüllte uns in dieser Stunde in gleichem Maße. Auf diesen abendlichen Gängen vor die Stadt lehrte uns -der Vater das Schweigen, das Ehrfurchthaben vor großen Dingen, vor der Natur. Nur zuweilen hob er -die Hand, -nur uns auf irgendein Geschehen aufmerksam zu machen, das sein Auge erspäht, ohne -ein Wort hierzu zu sagen. Dann schritten wir wieder lautlos weiter, -uns ganz hingeben-d, eindringend in den Zauber der heimatlichen Landschaft. .Oder wir saßen am Feldrain und lauschten dem Singen -des Aehr-enfeldes -und war teten, -bis der Mond langsam über die Bergkette emporwuchs. Langsam wanderten wir dann zur Stadt zurück, in der -die Lichter tröstlich aus -den Fenstern blinkten, weißer Rauch aus den Schornsteinen warmer Hütten in die klare Luft stieg. lieber Sta-dt und Feld lag tiefer Aben-dfrieden, geheimnisvolle Stille. So habe -ich durch den Vater schon -in frühen Jahren geistige Beziehungen zu der Stadt- meiner Kindheit angeknüpft. Er verstand es, alle Bauwerke und Dinge, -die -es in und vor der Stadt zu sehen gab, lebendig zu gestalten; während mir die Stadt -durch die IM-utter, die ich oft und gern auf ihren Gängen -in -die Stadt und bei Besorgungen begleitete, lieb und wert wurde. Die Stadt meiner Kindheit -ist für mich vielleicht gerade dadurch nicht versunken wie Vineta — von -der man zuweilen, wenn es ganz still in und um einen geworden ist, die -Glocken läuten hören soll —, sie lebt bei jedem Besuche wieder neu auf und wird mir in dielest Erinnerungen lebendiger als zuvor. Leopold Aallingers Heimkehr Von Richard Blasius Der weiße Wintermantel hüllte das Dorf ein. Aber schon lag in der frostdurchschauerten Morgenluft der Schleier dünnen Nebels als Vorbote des schneevertilgenden Südwindes. öWo sonst die Sonne am frostklaren Tagesanbrüche als rotglühender Goldball über die Berge schaute, blinzelte heute -eine Matt glasscherbe durch das Schimmern grauer Gaze. Die Dorfstr-aße schlief noch in ihrer reinen, weißen Hülle. Nur hungrige Krähen krächzten in den verschneiten Gärten, und Nteisenvölker flatterten um die Fensterstöcke. Auf schmalem, kaum gangbarem Feldwege tappte -schwer fällig und langsam ein einsamer Wanderer von der Landstraße her dem Dorfe zu. Dann und wann stand er ermüdet still und schaute ringsum in die in Winterschlaf gebettete Vveite. Schwer lastete ein dicker Flauschmantel auf seinen Schultern. Zwischen dem hochgeschlagenen Kragen und der schwarzen Pelzmütze quollen graue Haarsträhne hervor. Aber fast schien es, als -hemme nicht nur Müdigkeit seine Schritte. Sonst wären seine Augen wohl kaum so forschend in die Runde gegangen. Es war, als suche er einst Gekanntes, lang Vergessenes. Leopold Stassinger schritt jetzt langsam die leere Dorf straße entlang und suchte den goldenen Rahmen zu den Bildern einer -sonnigen Kindheit. Nur Bilder waren ja geblieben, wo einst -der warme Pulsschlag wirklichen Lebens geklopft hatte. Aber der Rahmen müsse doch noch da sein, hatte der Mann in der Fremde plötzlich gedacht und war, dem Zuge seines Herzens folgend, in -die dunkle Nacht des Gebirgswinters gefahren. Der Heimgekehrte trat in die Gaststube der Äorfschenke, rieb sich die frosterstarrten Hände, hing die Pelzkappe an die Wand und schälte sich aus dem Ungeheuer von Nstantel. Nun stand ein breitschultriger -Fünfziger da, in eine dicke Lodenjoppe gekleidet, und ging in seinen hohen Schaftstiefeln mit dröhnenden Schritten zu dem runden Tische am grünen Kachelofen. Seine Augen blickten seltsam müde. Krähenfüße hatten sich -um sie eingegraben und zeugten von Sorge und Muhe -eines arbeits reichen Lebens. Bei einer Magd, die aus der Küche trat, bestellte er ein Glas heißen Grog. Sinnend saß er da. Er -hatte die Heimat wiederfinden wollen, fühlte aber nur Enttäuschung in sich. Sie war ihm fremd geworden. Das innige Verbunvensein mit ihr