Volltext Seite (XML)
Oderlsusitzer bl e ! m 3 1 Sie ZoWNMskirche in neichenbach Reichenbachs Wahrzeichen ist seine Iohanniskirche, die sich in der so oft durch Brände heiuigesuchten «Stadt durch die Jahrhunderte erhalten hat. Unsere urkundliche Kenntnis über ihre Baugeschichte ist «denkbar dürftig. 1346 ist Neichenbach als Sitz eines Erzpriesterst-vhls in den Meißner BistumSartikeln erwähnt, «hatte also «damals be reits ein umfangreicheres Gotteshaus. Der heutige Bau hat einen aus zwei im Grundriß etwa geviertförmigen Jochen be stehenden Chor. Er «ist nur an den Ecken mit Diagonalstrebe pfeilern besetzt und eingewölbt mit einem Netzgewölbe im Nippendreistrahl auf einfach gekehlten Rippen. Sie stützen sich, wie im Langhaus, auf eigenartig gestaltete «mit Iahnfchnitt ver sehene Kragsteine. Das zweischiffige Langhans ist kreuzgewölbt, die mittlere Stützenreihe bilden achteckige Pfeiler «mittlerer «Stärke, die unter sich und mit «den Knotenpunkten «nur «in der Längsrichtung der (Wände «durch Gurte verbunden sind. Lutsch weist in seinen Kunstdenkmälern auf die Aehnlichkeit «der An lage mit der Löbauer Nikolaikirche hin und «datiert den Chor Ausgang 15. und das Langhaus zweite Hälfte 16. Jahrhundert. Sind diese Zeitangaben richtig? Schon die Bangeschichte der Nikolaikirche in Löbau, «deren genaue Daten Lutsch noch nicht bekannt waren, geben zu Zweifeln Anlaß. Diese wurde 1378 durch Brand zerstört, «während sie «die «späteren Stadt brände 1429, 1570, 1678 unversehrt überstand. Größere Aus besserungsarbeiten wurden Anfang des 16. Jahrhunderts vor genommen, auch eine Vorhalle angebaut, erst das 18. Jahr hundert gestaltet durch Einbau des Südschiffes den Bau grund sätzlich nm, doch ist der alte Instand «durch Bauskizzen noch zu rekonstruieren. (Gurlitt: Heft Löbau, S. 311 folg.) So hat diese Kirche «ihre Aorm um 1400 erhalten. Wäre nicht ein annähernder Ieitpunkt auch für Reichen bach möglich. Der Pirnasche Mönch berichtet in «seiner Chronik, daß die Hussiten, ,-da sich das Volk auf der Kirche treulich wehrte, «diese von «den Meißner und 6 städten obireilt, unter Hinterlassung von viel Wagen «und „fasztaßcheu" (was mag das wohl gewesen sein?)" abz-ogen. Das Gotteshaus ist «ihnen also nicht in die Hände «gefallen, wird aber bei den Kämpfen so stark gelitten haben, daß sich ein Neubau oder wenigstens eine durchgreifende Neugestaltung notwendig machte. Der große Stadkbraad von 1670 hat, wie schon Lutsch richtig erkannte, nur zu einer Ierstörung «der Einrichtung und mög licherweise «des Dachstuhls geführt, das Gewölbe aber hat, wie auch die kurze Bauzeit «bis zur (Weihe beweist, dem tobenden Element widerstanden. Auch Großer bringt keinen Hinweis auf eine vollständige Zerstörung der Kirche in seinen Merkwürdig keiten, die er 30 Jahre nach der Katastrophe verfaßte. Ein ur kundlicher Nachweis über einen Umbau im 16. Jahrhundert ist mir nicht bekannt geworden und auch aus der «Geschichte der Stadt ergibt sich für dies Datum kein Anhalt. Die Blüte Reichenbachs liegt im 14: Jahrhundert. 1346 wird die Be stätigung der Tuchmacherartikel überliefert, der Innung, auf der die Blüte der Sechsstädte überhaupt beruhte und der wohl auch Reichenbach einen Aufstieg verdankte. Dazu kommt, daß geräde um 1400 der Typus «der zwei schiffigen Kirche bei uns ihren Einzug hält. „Iweischiffigkeit im Gegensatz zur Hallenkirche war dem deutschen Kirchenbau seit der spätromanischen Ieit vertrant. Die Bettelorden, die in Nachfolge französischer Ordensbauten die Iweischiffigkeit in gotischer Ieit fortführten, begrüßten über dem stilistischen Mo ment vor allem das praktische, den Kirchenraum zu profanieren. Iweischiffigkeit war die altüberlieferte Ranmform der Saal bauten in Klöstern und Rathäusern, auf Pfalzen und Burgen. Die Betkelorden leiten den Typus durch «die ganze Ieit der Gotik hindurch, als deren Idealtyp «er letzthin erscheint. Dem willkommenen Schema folgen auf reichödeutschem Gebiet n. a. Pirna 1330, Dresden 1350. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts «begegnet man im österreichischen «und angren zenden südböhmischen und südmährischen Gebiet einer Anzahl kleiner zweischiffiger Stadt- und «Landkirchen, die schon merklich einer -stereotypen Aorm zutreiben. «Sie weisen manche Aöhnlich- keit «mit der Iipser Gruppe auf", so schreibt Oskar Schürrer in dem eben erschienenen Buch: Schürrer-lWiese, „Deutsche Kunst in der Iips", verraten aber eine «spätere Entstehung. Die Iipser Gruppe schiebt sich zwischen die großen zweischiffigen Bettelordenshallen «und diese österreichischen Kleinbauten ein. Ihre Ausstrahlung in das angrenzende polnische «Gebiet und auch westwärts nach Schlesien «und der Lausitz, «wo in der «zwei ten Hälfte «des 15. Jahrhunderts der «in «der Iipö mächtige Stephan Iapolya als ungarischer Landeshauptmann schaltet, ist unverkennbar. Dazu treten «dann im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts Einflüsse, die von der Bauhütte «des Peter Parier ausgehen. An dem Berührungspunkt mit den Bau hütten «der Bettlerorden in der St. Nikolauskapelle in Neu haus in Südböhmen «wird nm 1346 einem Schiffsraum ein über eine Mittelstütze «eingewölbter Chor angefügt. Vor 1400 tritt dieser Typ in Prag auf: Kirche der Gerviten am Slup, neue Einwölbnng des Schiffes nach den Verwüstungen der Hussitenkriege. Die Parlerschule verbreitet diesen Typ in die angrenzenden Gebiete, z. B. die Kreuzkirche in Iittau, 1410 geweiht. Er tritt stets als Kirchenraum von Spitalbrüdern, oft dem heiligen Nikolaus («Wie in Löbau; Weihe nach dem Neu bau) auf. Sollte «dieses Schema «für ein tieferes Kirchenschiff Verwendung finden, fo mußten die Gewö'lbestützen vermehrt werden. Diese Notwendigkeit «ergab sich, als nach den Hussiten kriegen viele Gemeinden und Stifte an die Erneuerung ihrer Gotteshäuser gehen mußten." Soweit Schürer a. a. O-, S. 42 flg. In diese Schau über Kirchenbau in den, «nm «das damals deutsche Prag, sich kulturell gruppierenden geographischen Raum paßt sich die Reichenbacher Anlage zwanglos ein und der archi- tckturgeschichtliche Befund stützt die Datierung: Erste Hälfte 15. Jahrhundert. Es würde zu weit führen, nun noch auf die Datierungs möglichkeiten einzugehen, die «sich aus der Führung «der Rippen im Gewölbe des Chores «ergeben, hier muß «auf die Gpeziallite- ratur verwiesen werden (K. H. Elasten i. d. Ieitschrift des Vereins für Kunstwissenschaft, Bd. 4, Heft 3). Nur soviel «sei gesagt, daß sich diese Ripperdreistrahlgewölbe, von Ostpreußen kommend, -um «die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts in Schle sien und bei uns «durchsetzten, wobei allerdings der Chor meist polygonal abgeschlossen wurde. Immerhin stützt auch dieses Forschungsergebnis unsere Datierung. Ihre Innenausstattung verdankt die Kirche der Ieit nach dem großen Brand 1670. An «dem Altar, der in bekannter Aolge Abendmahl, Kreuzigung, Grablegung und als Bekrö nung den Salvator «mnudi zeigt, findet sich «eine Inschrift, die als Verfertiger dieses in seiner künstlerischen Gestaltung nicht besonders gelungenen barocken Werkes einen Bildhauer An dreas Lembk «e aus Berlin 1685 vermerkt. Über «diesen Ivar noch nichts Näheres in Erfahrung zu bringen, möglicherweise gehört er in die Familie dieses Namens, die sich in Berlin als Kupferstecher und Ieichner eines gewissen Rufes erfreuten. Als Maler stand ihm Georg Keißer aus Görlitz zur Seite. Be deutender schon «die Kanzel, weniger «durch die Reliefs als durch die «saubere und sorgfältige Ausführung «des Aukanthus und des Beiwerkes. Sie fertigte ein Bautzner Tischler DanielRich - ter, von dem aber weitere (W«evke nicht bekannt «sind. Vielleicht bringt uns die Lokalforschung «einmal diesen Mann näher, der so ein typisches Beispiel für hohes handwerkliches Können neben künstlerischer Gestaltungskraft ist, wieder einmal das alte Märchen widerlegend, daß das Barock eine Kunst der oberen Iehntaufend gewesen «sei, an «der «das schaffende Volk keinen Anteil gehabt habe. Vielfach sind «die Beispiele in der Lausitz, erinnert sei nur an die -wunderbaren Kapitäle der Kirche in Kittlitz, «die kleine Löbauer Tischler geschaffen hüben, daß das Handwerk ans dem Geist der Ieit heraus Hervorragendes ge schaffen «hat.