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Von 5eerolen und Fingerhut und anderen geschützten pllamen Mitten in den Wahlvorbereitungen des Frühjahres 4936 erschien im Reichsgesetzblatt eine Verordnung zum Schutze der w i l d w a ch s e n d e n Pflanze n. Waren im Neichsnaturschutzgesetz vom 26. Juni 4935 die Naturdenk mäler und Naturschutzgebiete behandelt worden, so übernahm jene neue Naturschutzverordnnng neben dem Schutz der wild wachsenden Pflanzen auch denjenigen der nichtjagdbaren wild lebenden Tiere. Es ist verständlich, daß die Verordnung damals im Strome vaterländischer Begeisterung nicht die Beachtung fiüden konnte, die sie verdient. Stellt sie doch den vorläufigen Abschluß eines Naturschutzwerkes dar, durch welches in Deutsch land — wie in keinem anderen Lande der Welt — die Belange des Naturschutzes auf das denkbar Großzügigste und Um fassendste geregelt werden! Oder gibt es noch in irgendeinem anderen Kulturland eine ähnliche Bestimmung, die folgendes besagt: „E S ist verboten, wildwachsende Pflanzen mißbräuchlich zu nutzen oder ihre Bestand zu v e r iv ü st e n; hierzu gehören besonders die offensichtlich übermäßige Entnahme von Blumen und Farnkräutern, das böswillige und zwecklose Niederschlagen von Stauden und Ufer pflanzen, das unbefugte Abbrennen der Pflanzendecke, auch wenn dabei im einzelnen Fall ein wirtschaftlicher Schaden nich entsteht." (8 I, 4 der Verordnung zum Schutze der wildwach senden Pflanzen vom 48. Nkärz 4936)? Es wäre lächerlich, die Klarheit dieser Bestimmung noch weiter ins einzelne auszuspinnen. Nur zwei Bemerkungen seiet gestattet: einmal die große Freude znni Ausdruck zu bringen die gewiß jeder wahre Naturfreund mitempfinden wird, daß, nunmehr die ganze herrliche Heimatflur unter Gesetzesschutz qe stellt worden ist, zum andern aber jeden Volksgenossen aufzn fordern, wenn nötig, den lieben Nächsten, insbesondere di Jugend, zur Beachtung dieser so großzügigen Gesetzesvorschrif auzuhalten! Der wichtigste Abscynitt der neuen Verordnung enthält di Liste der vollkommen geschützten Pflanzen. Vor dem Erscheine» dieser nunmehr für das ganze Reichsgebiet gültige» Pflanzenschutzlistc gab es deren so viele wie Länder und Provinzen an der Iahl. Was in Preußen geschützt war ^onute mitunter in Sachsen ruhig geplündert werden und um gekehrt, Und nur schwer zu fassen war die Händlerin mi „Motteukraut", wenn sie behauptete, ihre in Sachsen unter Schutz stehende TDare stamme aus der benachbarten preußischen Heide ... Diesem heillosen Durcheinander ist mit einem Schlage ein Ende bereitet worden. Dabei ist die erste deutsche Pflanzen schutzliste an Artenzahl (50) nicht reicher als die Liste der bis her in Sachsen geschützten Pflanzen (60). llnd dennoch ver einigt jene die allerschönsten Vertreter ans dem Blüten- und Formenreichtum der gesamten deutschen Pflanzendecke. Da er scheint der erhabenste Schmuck der deutschen Meeresküsten, die amethystfarbene Stranddistel. Aus sonnigen Hügeln und Tälern zwischen Meer und Alpensaum find die violetten Küchenschellen, die duftenden Pfingstnelken, der stattliche Dip tam, der „feurige Busch" der deutschen Flora, zahlreiche seit sam geformte Orchideen, obenan der Frauenschuh auserwählt worden. Eine Orchidee mit schwarzpurpurnen, intensiv nach Vanille duftenden Blütenständen, das Kohlröschen, Brändli oder Männertreu ist den Alpcnmatten erhalten worden. Andere Charakterarten deutscher Mittelgebirge und der Alpen, Au rikel und Alpenanemone, auch Teufelsbart genannt, Alpen Veilchen, Enziane und Edelweiß sind ebenso wenig vergesse: worden wie die Seerosen, die Königinnen der deutschen Teiche Wieviel und welche Arten der Schutzliste aber beherberg unsere Oberlaufitzcr Flora? Ihrer 44 waren es an der Iahl denn einigen kann nur noch ein Nachruf gehalten werden. S der Frühlings-Küchenschelle (Anemone vernalis, mit Blütensteruen von reichlich doppelter Größe wie ein Busch windröschen. Das letzte Exemplar in der sächsischen Oberlausstz, das bei Pulsnitz stand, wurde um das Jahr 4923 von einem „Pflanzenfreund" nach Dresden verschleppt. Die Grünliche Stendelwurz (Platanthera chlorantha), eine stattliche Orchidee, ist von den gegenwärtig lebenden Pflanzenforschern ebenfalls nicht mehr beobachtet worden. Früher kam sie bei Bischofswerda, um Herrnhut, Niesky und Görlitz vor. Auch die Akelei, die zweifellos in der Oberlaufitz einheimisch war, ist gegenwärtig nirgends mehr von einem ursprünglichen Stand orte bekannt. So verbleiben uns nur noch 44 Arten der Schutzliste. llnd von deren guten Hälfte ist zu sagen, daß sie zu den großen und teilweise allergrößten Seltenheiten der Oberlausitzer Flora ge hören! So der Königsfarn, der in seiner Pracht an den verborgenen Standorten der preußische» Heide wohl nur von den allerwenigsten Volksgenossen je geschaut wurde; ebenso das Federgras, ein Ueberbleibsel aus einer wärmeren, nach eiszeitlichen Klimaperiode, dessen Flugsamen in der Tat Reiher federn ähneln und das überhaupt nur ein einziges Vorkommen unweit Görlitz besitzt; so auch der L u n g e n e n z i a n, der fast nur noch an wenigen Stellen der Mdstlausitz steht und bei spielsweise im Kreise Bautzen von 14 Standorten nicht weniger als 43 eingebüßt hat! Als eine seltene Iierde an den Ufern einiger Oberlaufitzcr Wasserläufe (Röder, Klosterwasser, Pulsnitz, Schwarzwasser, Löbauer Wasser und Petersbach bei Herrnhut) tritt der Straußfarn auf, nach der regelmäßigen Anordnung seiner Wedel im Volksmund zuweilen auch Trichterfarn ge nannt. Auch der Türkenbund, der kaum ein Dutzend Standorte besitzt, muß als Oberlausitzer Seltenheit bezeichnet .werden. Am Rothstein hat sich diese prächtige Lilie in den letzten Jahren erfreulich vermehrt, ein schönes Beispiel dafür, wie rechtzeitig angesetzter Naturschutz bedrohtes Pflanzengut ver Heimat nicht nur zu retten, sondern zur früheren Fülle zurück- rnführen vermag. Der Türkenbund teilt die Mehrzahl seiner Standorte mit dem Schwertblättrigen 2D ald- vöglein (Cephalanthera longifolia), einer besonders schönen Orchidee, die jedoch nur in wenigen Exemplaren zu blühen pflegt, und dem Gelben Fingerhut, der seinerseits gern in dichten Beständen blüht. Als Seltenheit im Bautzener und Löbauer Kreise, etwas häufiaer im Iittauer Bezirke kommt der Kellerhals oder Seidelbast vor, der in diesem Vorfrüh ling wiederum über die Maßen schön blühte. Am Ende bleiben nur noch drei Pflanzenarten übrig, die wir als gegenwärtig nicht selten in unserer Heimat ansprechen können: die Große und Kleine Seerose (Nymphaeä alba und Nymvhaea candida). von denen die letztere auf das Bcra- land und kalke Stellen der Heide beschränkt ist, und die wohl riechende -(weiblättriae Stendel wurz (Plakan- tbera bisolia), d«e im Oberlausitzer Volksmunde als ÜDeißc Kuckucksblume, Nachtzauke, Wilde Janke bekannt ist. „TDenia genug!" höre ich meine Landsleute sagen. Gemach, das Gesetz ist noch nicht zu Ende. (Während die bereits genannten Pflanzen unter vollkomme nem Schutz stehen und weder beschädigt, »och gar von ihrem Standort entfernt werden dürfen, ist eine zweite Gruppe von schmucken Arten der deutschen Flora unter teilweisen Schutz gestellt worden. Teilweise geschützte Pflanzenarten. Der Schutz erstreckt sich auf die unterirdischen Teile ((Wurzelstöcke, Iwiebeln) oder die Rosetten der Pflanze, die keinesfalls beschädigt oder von ihrem Standort entfernt werden dürfen. Und wenn schon das Pflücken ihrer Blüten gestattet ist, so hat sich dies doch immer in bescheidenen Grenzen zu halten. Blumcnmarder werden scharf angefaßt werden! Von diesen teilweise geschützten Pflanzen ist der M ärzcn- becher, der früher nm Löbau, Herrnhut, Bernstadt häufig vorkam, seit Jahrzehnten aus der sächsischen Obcrlausitz ver-