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Oie Darstellung unlerer Olrerlsuliher ^unclsrt in cler Dichtung Von Werner Ändert. III. Zu Echtheit in Sprache, Stoff, Gestaltung, Form und zum dichterischen Können muß sich noch eins gesellen: eine ein heitliche Darstellung der (Mundart. Man sehe sich unser heu tiges Mundartschrifttum doch einmal an. Welche Willkür herrscht da z. B. in der Schreibung. Zeder Schriftsteller schreibt nach seinem Gutdünken. (Manche änderten diese Schreibweise auch wieder. Zch selbst bekenne mich hier mit schuldig. Einige hielten ihre Schreibweise nicht einmal im glei chen Gedicht oder in derselben Erzählung bei. Diese Nachlässig keit verleitet die Leser, in gleichen, aber verschieden geschriebe nen (Wörtern verschiedenen Sinn zu suchen. Diese Unsicherheit in der .Munoartschreib11ng bedingt sicherlich die vielen Klagen über die schwere Lesbarkeit von Mundartdichtungen. So schreibt 1925 im Zuniheft der Heimatblätter (Dresden) die Schriftleitung: „.Oft hat auch uns das Gefühl beschlichen, daß die Dialektsachen, besonders dicinOberlgu- sitzcr (M undart, sehr schwer zu lesen und darum so wenig verständlich sind." Eine einheitliche Mundartschreibung wird für bewußte (Mundartpflege wertvolle Dienste leisten. Leser und Setzer werden sich bald daran gewöhnen. Es ist da her unsere Aufgabe, eine solche Vereinheitlichung anzubahncn. Dabei werden uns die jahrzehntelangen Vorarbeiten unseres Altmeisters der Oberlausitzer (Mundartdichtung, Oberlehrer i. R. A. Matthes, manchen Zrrweg ersparen. Seine hand schriftlich vorliegenden „Vorschläge zu einer einheitlichen Schreibweise des Oberlausitzer Dialektes" bilden die Grund lage für die neue Einheitsschreibung. Der Einleitung seiner umfangreichen Abhandlung seien folgende wichtige Vorbemerkungen über die Vereinheitlichung der Mundartschreibung entnommen: „Es ist unmöglich, einen solchen Dialekt zu schreiben, der für die ganze Oberlausitz als laut- nnd wortgetreu gelten kann, denn es hat ja beinahe jedes Dorf seine besondere Aussprache. Daher könutc streng genommen, eigentlich nur von der Mundart eines bestimmten Ortes die Rede sein. Will man nun ans eine möglichst ein heitliche schriftliche Darstellung des Dialektes znkommcn, so darf man nicht den engherzigen Standpunkt einnehmen, wie die Bewohner mancher Dörfer, die da meinen, daß einzig und allein nur ihre Ausdrucksweise die echte und die reine Ober- lansitzer Munvarl sei. Auch darf man nicht voreingenommen sein, wie jene Dia lektschriftsteller, die behaupten wollen, daß nur ihre Darbie tung und schriftliche Darstellung der (Mundart die echte und reine Oberlansttzer Mundart sei. — Vielfach sind es gerade diese Schriftsteller, denen man die meisten Verstöße gegen die echte und reine (Mundart nach weisen kann, weil ste eben mit ihr nicht sicher vertraut sind. Man muß vielmehr das ganze Gebiet überblicken, in dem die Oberlausitzer Mundart gesprochen wird, und dann nur solche Laute, Wörter und Ausdrücke berücksichtigen, die mehr allgemein und nicht nur in einem einzelnen Orte ge braucht werden." Wenn auch bisher in der sächsischen Oberlausitz nur wenige Dichtungen ans den von der Grundmundart stärker ab weichenden Sprachlandschaften vorliegen, so dürfen durch unsere Einheitsschreibung diese anderen Sprachgruppcn keines wegs bewußt unterdrückt werden. Da jedoch viele Abweichun gen nicht mit den Mitteln einer für joden lesbaren Mund artschreibung faßbar sind, kann man sich der Gewinnung fester Regeln zuwenden. Zn ihnen ist festzulegen, was den verschie densten Spielarten unserer Volkssprache gemeinsam ist. Zn Anlehnung an unsere Einheitsschreibnng wird dann der Schriftsteller, der in seinen Dichtungen die Gestalt einer der abweichenden Teilmundarten schreiben will, kleinere Änderun gen vornehmen müssen. Da die Mundarten der sprachlichen Grenzgebiete meistens von den Nachbarmundarten stark beein flußt find und keine reine Oberlansttzer Mundart darstcllen, empfiehlt es sich, die Dichtungen in diesen Ubergangömund- arten besonders zu kennzeichnen. Zur genauen Bezeichnung der mundartlichen Laute wäre eigentlich eine besondere lautliche Umschrift notwendig. Diese Hilfsschriften mit ihren vielen fremden Zeichen erschwere» je doch die Lesbarkeit. Man kann durch sie nur mit Mühe die Wörter erkennen. Vieles wird überhaupt nicht verstanden. Selbst die für wissenschaftliche Zwecke sehr geeignete Hilfsschrift von Siebs, die nur bekannte Schriftzcichen, jedoch nicht immer in der allgemein üblichen Lage bringt, ist nicht ohne weiteres deutbar. Wenn sich der Leser erst die Zähne an einer fremde» Schrift anöbcißen muß, wird er nicht gern zu diesen Darstel lungen greifen. Zhm ist der Genuß verleidet. Auch erfordert ja die Benützung einer Hilssschrift eine 'Umstellung in den Druckereien und bedeutet deshalb das Ende aller für die Allgemeinheit bestimmten (Mundartveröffent- lichnngen. (Mit unserem Hauptziel, der praktischen Mundart pflege zu dienen, ist deshalb die Verwendung einer Hilfsschrift unvereinbar. Schließlich muß selbst für das wissenschaftliche Schrift tum festgestellt werden, daß keine lautliche Umschrift die Mundart bis ins letzte getreu wiedergeben kann. Feinste Zwi schentöne, die das heimatliche Ohr deutlich unterscheidet, Klangfarbe, Tonfall und Sprechgeschwindigkeit kann auch eine noch so genaue Lautschrift nicht erfassen. Die Seele der Mundart vermag nur die Schallplatte festzuhalten. Trotz aller sachlichen Gegensätze müssen wir dem Leipziger Reichs sender dafür dankbar sein, daß er einige Platten durch boden ständige Oberlansttzer besprechen ließ. Da der Leser am hochdeutschen Schriftbild haftet, mästen wir ihm auch die Heimatsprachc im gewohnten Gewände vor stellen. Zur Darstellung der (Mundartlautc find deshalb die üblichen Schriftlichen zu benützen. Zm Hochdeutschen deckt sich jedoch der geschriebene Buch stabe nicht immer mit dem gesprochenen Laut. Einige Zeichen, wie z. B. ch und n werden für verschiedene Laute gebraucht. Zn der Endsilbe ia wird g wie ch und nicht wie g gesprochen. Oft klingt der gleiche Buchstabe im An- oder Auslaut anders als im Znlaut. Ans mehreren Buchstabe» zusammengesetzte Zeichen z. B. au, das eigentlich ao geschrieben werden müßte, erhalten beim Lesen neue LaMwerte. Umgekehrt verwendet man aber für denselben Laut verschiedene Buchstaben, B. wird der F-Lauk auch durch v bezeichnet, die Lautverbindung tS auch durch z, die Lautverbindung ks auch durch L, gs, chs nsw. Dazu kommt, daß in der Schreibung von Fremdwörtern oft fremde Lautbczeichnungen beibehalten werden. (Manche Schwie rigkeiten unserer hochdeutschen Rechtschreibung sind die Folge dieser Abweichungen.