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daß ein Besuch der Stadt wie ihrer Umgebung durchaus die Ieit lohnt. Löbau würde übrigens von wandernden Gruppen bestimmt mehr besucht werden, wenn es eine Jugendherberge hätte. Der H e i m aben d in Herrnhut stand im Zeichen freier Oberlausitzer Dichter. Der bekannteste der neueren Lausitzer Dichter überhaupt, W ilhelm von Polens, und sein jüngerer Nachfahre Oskar Schwär, sollten durch Mei kleine Erzählungen zu uns sprechen. Ich wählte dazu von Po lenz „Das Glück der Riedels von Petersgrün", eine Bauern novelle, und von Schwär „Meine Geliebte, die Königin von Hollanv", eine Kmdcrqeschichte. Vorher sagte ich ein paar ein führende Vierte über Leben und Schaffen beider Dichter. * Lim Vormittag des fünften Tages hieß es, wieder einmal wandern, und zwar von Herrnhut über die Batzen- h ütte und den Sonnenhübel nach Niederoder- w i tz , von wo uns der Mittagszug nach Zittau brachte. Schönster Sonnenschein und herrliche Wald- und TWesenwege ließen uns die nicht ganz dreistündige Wanderung nicht schwer werden. Der Nachmittag galt dem Besuche der Stadt Zittau und vor allem der Höheren Fachschule für Text i.I - i n d u st r i e. Von einer solchen Webschulc, wie diese Anstalt, früherem Brauch folgend, heute noch meist genannt wird, kann man steh, wenn man sie nicht selber kennengelernt hat, kaum eine richtige Vorstellung machen. Was haben nur in den zwei Stun den, die uns Herr ,OSD. Taut persönlich führte, nicht alles zu sehen bekommen! T2ic hatte er alles für uns vorbereitet, und ivie verstanden er rmd seine Helfer im Laboratorium und Web saal eö, uns, die wir doch alle Laien waren, die Dinge verständ lich zu machen! Nach einführenden !Worten über die verschiede nen Produktionsstufen des lWebens im Vortragssaal, wo uns auch ein iWebstuhl gezecht und in allen Teilen erklärt wurde, begann der Rundgang. Wär sahen das schöne, neuzeitliche Labo ratorium mit seinen wertvollen Mikroskopen und empfindlichen Apparaten zur Prüfung der Faserstoffe und konnten selbst ver schiedene Proben unter den Mikroskopen vergleichen. Wir sahen die mannigfachen Lehrmittel zur Veranschaulichung des Werde ganges der Faserstoffe, der Kunstseide nsw., den Ausstellungs raum mit den Entwürfen der Schüler, wahren Mustern an Sauberkeit und Genauigkeit, und schließlich den großen Ma schinensaal mit seinen vielen, vielen Diebstählen, von den ein fachsten bis zu den modernsten. Pim Schluß erhielten wir noch nähere Auskunft über den zwei Jahre umfassenden Ausbildungs gang an dieser Schule, die auch Abiturienten einer neunklassigen Anstalt mit großem Nutzen besuchen könnte». Was wir hier in uns ausgenommen hatten, das war keine Schule in gewöhn lichem Sinne, das war ein Stück Leben, ein Ausschnitt aus der Wirtschaft, ein Blick in d e n Hauptindnstriezweig der Ober- lausitz! Unser Rund g a n g nm und durch die Stadt konnte nur die wichtigsten Punkte berühren und fand seinen Abschluß in einer lohnenden Besteiaung des Turmes der Iohanniskirche, von wo wir eine herrliche Aussicht auf Iittau und seine Umgebung genossen. Am Abend hielt uns mein freund SR. D> alter Häntschel einen sehr lehrreichen L i chtbildervor - trag über das alte Iittan, sein eigenstes Forschungs gebiet. So erstanden uns die Stätten, die wir am Nachmittag aesehen hatten, noch einmal im längst entschwundenen Bilde der Vergangenheit, und Vergleiche mit dem alten Bautzen taten stck ans. * Mit Spannung erwarteten alle technisch Interessierten unter uns den s e ch st e u Tag, der uns nach Hirschfeldc füh ren sollte, zur Beuchtiaung des staatlichen Braunkohlen- und Großkraftwerkes. Die AG. Sächsische 'Werke zeigte dabei das größte Entgegenkommen. Ein Ingenieur empfing uns am Tor und führte uns zunächst ins Großkraftwerk. Hier bekamen wir Achtung vor ven Mannern, die in diesem ohrenbetäubendem Getriebe schaffen: an den feuern der Kessel, an den riesigen Maschinen, an den verantwortungsvollen Schalttafeln nsw. Jeder nur ein winziges, aber nötiges Glied in einem aufs ge naueste eingespielten und voneinander abhängigen Ganzen. Aast l 1-2 Stunden brachten wir im Kraftwerk zu. Dann erwartete uns ein anderer Herr, um uns etwa ebenso lange durch das Braunkohlenwerk zu führen. Der Gang durch den woitaus- gedehnten Tagebau, den wir oben und unten umschritten, tat nach dem Lärm und dem angespannten Aufpasten in den Hallen ordentlich wohl. Hier sahen wir die Bagger au der Arbeit, einen durften wir sogar besteigen Und konnten die verschiedenen geolo gischen Schichtungen beobachten. Lehrreich war auch ein Blick auf das gewissermaßen am Rande des Abgrundes hängende Türchau, das dem Abbau der Kohle immer mehr zum Opfer gefallen ist; ein Beispiel, wie hier Bauernland zum Industrie land wird. Ium Schluß ging es noch in die Brikettfabrik. Jur näheren Unterrichtung über die Hirschfelder 'Werke kann ich auf den in dieser Ieitschrifk erschienenen Aussatz von Herbrich verweisen (Iahrg. 4928, Nr. ? und 44). Nach einer ausgiebigen .Mittagspause stand uns 'daun noch eine Besichtigung ganz anderer, aber für uns Großstädter nicht minder interessanter Art bevor: die des Erbhofes Kunack in Schlegel, das wir in stststündiger Wanderung durch das schöne Kemmlitztal von Hirschfelde aus erreichten. Eine Schrift aus dem Verlage der Landesbauernschaft Sachsen, in der dieses, 1933 durch einen Preis des Diirtschaftsministers ausgezeichnete Gut ausführlich beschrieben wird, hatte meine Aufmerksamkeit angezogen. In unserer großen Freude erklärte stich Herr Kunack bereit, uns zu führen und zeigte und erklärte uns alles, was uns als Laien auf seinem Hof interessieren konnte: die 'Wirtschafts gebäude, die Schuppen mit den landwirtschaftlichen Nkaschinen, Wagen und Geräten, das Silo-Gebände mit dem Gärfutter behälter (für die meisten von uns etwas ganz Neues), Scheune, Ställe und die Weideplätze mit dem Vieh draußen. So wurde uns auch dieser kleine Ort zum Erlebnis, und dankbaren Herzens schieden wir von dem Gute. Auf die Wanderung ins Neißetal bis Kloster Marienthal hieß es nun zwar verzichten, da wir an diesem Tage Jons dorf noch erreichen wollten. Die dortige, schön gelegene Jugend herberge bildete für den Rest der Fahrr unser Heim und Stand quartier. Hier richteten wir uns behaglich ein und waren wieder, wie in Picka, die einzigen Gäste. Am Abend lasen wir noch zwei kurze Oberlausitzer Geschichten: „O, du Heimatflur!" von S chwär und „Mein Heimatdorf" von Gustav Bayn (Lawalde). Die Liebe zur gleichen Heimat verbindet ja beide Dichter aufs innigste. Dann erzählte uns ein Jonsdorfer HI-- Kamerad und Forstmann von Beruf in begeisternden Worten noch allerhand von seiner schönen, aber anstrengenden Tätigkeit und erschloß unseren Jungen damit wieder eine neue Welt. Der äußere Rahmen der vier Tage, die uns in Jons dorf noch verblieben, war der eines Lagers mit genauem Dienstplan, täglicher Flaggenehrung, Wanderungen, Besichti gungen, Sport usw. in angemessenem Wechsel. Ich kann nicht mehr alles der Reihe nach behandeln und fasse das Gleiche zusammen. Ganz im Juchen der bisherigen Gtudienfahrt stand noch der Vormittag mit den F a b r i k b e s i ch ti g u n g e n in Iit - t a u. Mär lag daran, den Schülern die beiden wichtigsten Industriezweige der Oberlausitz, die Textil- und die Mafchincn- industrie, in je einem größeren Betriebe vorzuführen, und ich hatte das große Glück, daß mir die Firmen P. E. Neumann und Phänomen-Hiller (Fahrradbau) zusagten. Die mecha - u ische W eberei von Neu m a n n (Stammhaus in W.- Barnren) stellt halbwollene und kunstseidene Futterstoffe her und wurde erst 4926 in.Iittau errichtet. Wir hatten hier also einen ganz modernen Großbetrieb vor uns. Der Mitinhaber und