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unterwegs sicherzustellen, Unterkunft und Verpflegung zu regeln und so weiter. Doch nun zur f^ahrt selbst! Gleich der erste Tag in Bautzen war ein verheißungsvoller Auftakt. Drei bekannte Bautzner Herren und hervorragende Sachkenner auf ihrem Ge biet stellten sich in dankenswerter, aufopfernder Weife in den Dienst unserer Sache: Die Herren Museumsdirektor Dr. Biehl, SR. Oskar Kaubisch und der Heimatdichter M ax selbig. Wie es Herr Dr. Biehl verstand, ans «der reichen Hülle des Stadtmuseums immer das Typische Herausxugreifen, wie er uns Stilformen und Techniken, histo rische und künstlerische Vierte in verständlicher und eindringlicher Weise nahebrachte, ohne bei ablenkenden Einzelheiten zu ver weilen, -das war ganz vortrefflich. Hier lebte die Oberlaufitz in allen ihren Daseinsformen, soweit sie in einem Museum über haupt zu ersahen find, geradezu vor uns auf, und keinem wird die gut zwei Stunden wahrende Besichtigung zu lange gedauert haben. Es war eine Einführung für unsere ganze Hahrt, wie wir sie uns nicht bester hätten wünschen können. Am Nachmittag führte uns Herr SR. Kaubisch durch die Stadt Bautzen. Unverdrossen zog er mit uns trotz des Regens Straße um Straße, treppauf und treppab, um uns die Schönheiten der alten Stadt zu erschließen nnd ihre wechsel volle Geschichte lebendig werden zu lasten. Wir besichtigten da bei den Petridom, die Ortenburg mit Äudienzsaal, unterirdischen Gefängniszellen und Matthiasturm, sogar die Alte Wastcr- knnst, die erst seit kurzem für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Den Abend gestaltete uns Max Heitzig, mit dem mich gemeinsame Kriegskameradschaft von der Westfront her verbindet, zu einem Erlebnis. Er erzählte uns in seiner netten, herzlichen Art zuerst allerhand über die Oberlausitz im allgemei nen, ihre Landschaft usw., bot uns dann eurige seiner kleinen Geschichten, die alle in der Heimat wurzelten und schloß mit einem von Herzen kommenden und zu Herzen gehenden Gedicht auf die Heimat. „Hch fühlte mich in die Heit hincinversetzt," so schreibt ein Schüler, „in der meine Mutter mir Märchen und Kindergeschichten vorlas. Wär hingen richtig am Nknnde Nkar Heitzigs, nm fa kein Th ort zu verpassen." Ein Beweis dafür, wie er seine Huhörer zu fesseln verstand. * Am zweiten Tage galt es, ein Stück des Mittel lausitzer Berglandeö zu durchwandern. Bis Pommritz fuhren wir mit der Bahn, dann ging es über Hochkirch, wo wir geschichtliche Erinnerungen aufleben ließen, nach dem Czorne - b o h und, nach der Mittagspause in Cunewalde, über den Bieletzoh weiter nach Picka bei Oppach. Leider setzte hinter Hochkirch Regen ein und hielt fast den ganzen Tag an, so daß wir von der Landschaft nicht den rechten Eindruck ge wannen. Wie gerne hätten wir uns unterwegs einmal länger aufgehalten oder die Aussicht von den Bergen genossen! Um so behaalicher richteten wir uns dann in dem netten Wanderheim des Allgemeinen Turnvereins Bautzen hochotzen am Walde des Pickaer Berges ein, wo wir freundlicherweise übernachten durf ten. Hier hatten wir Gelegenheit, unsere nassen Sachen zu trocknen, und bald flackerte ein lustiges steuer im Ofen und er füllte den Tagesraum mit wohltuender Warme. Der gemüt liche Raum war natürlich zu -einem Heimabend wie ge schaffen. Hier saßen wir im traulichen Kreise zusammen — wir waren an diesem Tage überhaupt die -einzigen Gäste —, sangen HH,- und Ha-Hrtenlieder und machten uns -mit dem Oberlausitzer Hörspiel „Dort, wo die Spree entsprinat" von W erner Ändert bekannt. Es versetzte uns in die Geaend, die wir am nächsten Tage durchwandern wollten und ist sehr aut geeignet, einen fremden in Oberlausitzer Verhältnisse einzuführen. Hier wird ihm die VLelt der fleißig schaffenden iWeber und Fabri kanten ebenso lebendig wie das heitere Bild des Neugersdorfer Schießens; hier lernt er die Mundart der Oberlausitzer, wie ihre Lieder und Melodien kennen. Der dritte Tag brachte die größte Marschleistung der Hahrt; galt es doch, von .Oppach bis Herrnhut eine Strecke von rund 26 Kilometer zu überwinden, die sich aller dings -auf den ganzen Tag verteilten. Den ersten Teil, der uns -durch Oppach, N e u s a l z a - S p r e m b e r g , Nie der- und O b e r f r i e d e r S d o r f und Ebersbach führte, wo wir im „Goldenen Löwen" iMittagsrast hielten, legten wir in etwa N^stündigem Marsch zurück, die Rast abgerechnet. Die große Ausdehnung der sich so lang dahin,ziehenden Industrie orte, besonders von Ebersbach, ist allen dabei recht deutlich ge worden. Hm hellsten Sonnenschein wanderten wir dann nach Tisch weiter, mm nicht mehr auf der Landstraße, sondern auf schönen Da-al-d- und Wiesenwegen, und gelangten über die Spree quelle, den K o t t in a r , von dessen Turm wir sehr schöne Aussicht hatten, gegen Abend wohlbehalten nach Herrnhut. Hier bezogen wir in der Jugendherberge der Brüdergemeine Ouarticr und suchten -mit Rücksicht auf die tüch tige Wanderung sehr bald unsere Ruhestätten auf. * Der Vormittag des viertcnTages galt dem Besuche der Stadt Herr n h u t. Hwe! Mitglieder der Brüder gemeine waren hier unsere berufenen Führer. Der rüstige alte Herr Bräuer zeigte uns die wichtigsten Versammlungsstätten der Brüdergemeine am Hinzendorfplatz: den Chorsaal im Brüder- hanS, den Kleinen Saal im Gemeindehaus und den großen Kirchensaal. Hn schlichten, aber von innigster Ucberzeugung ge tragenen Worten, die ihren Eindruck nicht verfehlten, erzählte er uns vom Schaffen Hinzendorfs, von der Herrnhuter Mission, wie dem Brauchtum beim Gottesdienst. Der völlig in Wriß gehaltene, so schlichte nnd doch so harmonisch abgetönte Kirchen saal gefiel uns allen ganz besonders. Dann besuchten wir den berühmten Hriedhof der Brüdergemeine auf dem Hutberg, die letzte Ruhestatt Hinzcndorfs und so vieler anderer aus aller Herren Ländern. Auch diefe Stätte hinterläßt durch die Plan mäßigkeit ihrer Anlage, die Einheitlichkeit ihrer einfachen steiner nen Grabplatten einen nachhaltigen Eindruck — ein Menschen alter überdauernder Heugc Herrnhuter Glaubenskraft und Tat willens. Hm M i s s i o n s m u s e u m führte uns Herr Kustos Filschke, der uns von seiner langjährigen Missionstätigkcit bei den Eskimos in Labrador sehr anschaulich zu erzählen wußte, ll. a. las und übersetzte er uns auch einige Texte ans der Eskimosprache, die sa erst durch die Bemühungen der Missio nare schriftlich festgelegt wurde. Es ist erstaunlich, was durch die Herrnhuter aus aller Welt in dieses Museum zusammen getragen worden ist, das manche völkerkundliche Vierte auf weist. Das Bewußtsein, in Herrn H-ilschke selbst einen jener wagemutigen Männer vor uns zu sehen, die glaubensstark und entsagungsbereit Hahre lang auf fernem Posten draußen aus gehalten haben, das persönliche Erlebnis, das ans seinen Mbrtcn sprach, machten uns die zwei Stunden, die wir in seinem Mu seum verbrachten, besonders wertvoll. Hch glaube bestimmt, daß mancher von dem stillen, sauberen Städtchen und den Männern, die seinen Namen in der ganzen Welt bekannt machten, eine wesentlich andere Vorstellung mit genommen hat, als er sic vor dem hatte. Auch von dem weit gespannten Schaffen des Herrnhuter Kaufmanns Abraham Dürninger, der seine tüchtige Kraft in den Dienst der Brüdergemeine stellte und dessen Wirken kürzlich erst in Vel- hagen u. Klasings Monatsheften eingehend gewürdigt wurde, bekamen wir zu hören. Am Nachmittag desselben Tages machten wir einen Ab stecher mit der Bahn nach Löbau und dem Löbauer Berg. Die alte Oberlausitzer Scchsstadt durfte im Rahmen einer Studienfahrt nicht fehlen: zumal da wir ihr so nabe waren. Leider stand uns infolge mangelnder persönlicher Be ziehung keine sachkundige Führung zu Gebote, die uns sicher noch manches gezeigt hätte, das uns so entgangen ist. Hmmerhin haben wir auch bei unserem kurzen Aufenthalt den Eindruck gewonnen,